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Beispiel Barmer Ersatzkasse: Postfreistempel im Wechsel der Zeit

Behörden- und Firmen-geschichten lassen sich von Sammlern anhand der Poststempel gut verfolgen.

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Von Wolfgang Köhn

Vereine und Hilfskassen sind im 19. Jahrhundert gegründet worden, um in Not geratenen Menschen zu helfen – so auch der „Unterstützungsverein der Handlungsgehülfen in Barmen“. Einem Reichsgesetz von 1904 folgend, entwickelte sich daraus die Barmer Ersatzkasse (BEK), dem Zusammenschluss mit vielen kleinen Kassen und der 1884 gegründeten „Krankenkasse des Vereins junger Kaufleute zu Görlitz“. Die Görlitzer Kasse ist somit die „Mutterkasse“ der Barmer. 1914 folgte die amtliche Zulassung als „Ersatzkasse“. Der Erste Weltkrieg ließ die Mitgliederzahl von 20000 auf 8900 sinken. Die Entwicklung wurde stets von einem Kampf um den Bestand begleitet, weil Berufskassen den Ortskrankenkassen immer ein Dorn im Auge waren. Beim ständigen Wettstreit übernahm die BEK 1931 den Titel der größten deutschen Krankenkasse.

Um 1936 entstand die Görlitzer Geschäftsstelle im Haus Schützenstraße 5. Einzug hielt damals auch eine Freistempelmaschine der Firma Francotyp in Berlin. Dieser Hersteller führte für jede Absenderfreistempelmaschine eine Karteikarte und vermerkte auf dieser alle wesentlichen Merkmale der Maschine – eine Fundgrube für dieses Spezialgebiet der Philatelisten.

Lückenlose Dokumentation

Da bis Ende der 1940er Jahre die Maschinen im Werk gewartet wurden, kam auf die Karteikarte jede vorgenommene Veränderung. Das erfolgte dadurch, dass auf der Karte an dem alten Stempel die „ungültig“ gewordenen Bestandteile durchgestrichen wurden und die stattdessen eingebauten Bestandteile auf einen Papierstreifen ge-stempelt und dieser dann aufgeklebt wurde. So ist dokumentiert, wann der neue Absenderfreistempel in Betrieb genommen wurde oder wann Eigentümer wechselten. Auch finden sich auf Karten Hinweise, dass Maschinen zurückgekauft oder durch Kriegseinwirkung vernichtet wurden. Die Wartung erfolgte nach 1945 auch für Maschinen aus dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone bis zur Währungsreform. Im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges gab es in Görlitz keine Barmer mehr. Die Absenderfreistempelmaschine wurde von der Görlitzer Sozialversicherungskasse (SVK) mit Geschäftsräumen im Haus Lindenweg 4 übernommen. Nachgewiesen wird diese Übernahme durch den Tausch des Werbeklischees im Mai 1948. Die Barmer indes bestand bis 1990 nur in der damaligen BRD weiter.

Maschine gibt es heute noch

Seit der politischen Wende in der DDR ist die Barmer wieder in Görlitz präsent. So richtete sie Anfang der 1990er Jahre ihre Geschäftsstelle für die Mitgliederbetreuung im frisch sanierten Geschäftshaus Berliner Straße 60 ein. Alte Görlitzer kennen dieses Haus als nach 1960 eingerichtete HO-Lebensmittel-Verkaufsstelle „Express“, eine „Früh- und Spätverkaufsstelle“, die schon 1965 mit Öffnungszeiten von 7 bis 20 Uhr aufwartete und als erste Görlitzer Kaufhalle sowie als erste Görlitzer Ladeneinrichtung mit Einkaufswagen gilt. Aus diesem Gebäude zog die Barmer-Geschäftsstelle dann aber im Mai 2001 erneut um – diesmal in das zum Geschäftshaus umgebaute ehemalige Hotel „Stadt Dresden“ auf der Berliner Straße 37. Dort betreut sie noch heute, nach dem zum Jahreswechsel 2009/10 erfolgten Zusammenschluss mit der Gmünder Ersatzkasse, als Barmer GEK ihre Mitglieder und bezeichnet sich mit rund 8,5 Millionen Versicherten mittlerweile erneut wieder als größte Krankenkasse in Deutschland.

Die Beförderung der Tagespost übernimmt seit einigen Jahren der regional tätige private Postdienstleister PostModern – freilich auch mit einer Frankiermaschine.

Unser Autor ist Mitglied des Görlitzer Briefmarken-Sammlervereins e. V., der jederzeit an neuen Mitgliedern interessiert ist.