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Beklebt und beschmiert

Graffiti und Aufkleber weiten sich in Pulsnitz zum Problem aus. Den Tätern ist schwer auf die Spur zu kommen.

Von Reiner Hanke
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Aufkleber und Schmierereien sind in Pulsnitz ein Dauerproblem. Im Hintergrund entfernt ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei mühevoll die Hinterlassenschaften sogenannter Fans. .
Aufkleber und Schmierereien sind in Pulsnitz ein Dauerproblem. Im Hintergrund entfernt ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei mühevoll die Hinterlassenschaften sogenannter Fans. . © Landratsamt

Pulsnitz. Eine Flut in Schwarzgelb überschwemmt Pulsnitz in regelmäßigen Abständen. In den vergangenen Wochen besonders heftig. Zwei Mitarbeiter der Straßenmeisterei Wachau hatten jetzt fast einen ganzen Arbeitstag allein in Pulsnitz damit zu tun, insgesamt 56 Aufkleber und sieben Graffiti zu entfernen. In der Masse deuten sie auf Anhänger eines Dresdner Fußballklubs, der SG Dynamo hin. Bei der Putzaktion ging es nur um Verkehrszeichen an den Straßen, die der Landkreis betreut. Das sind die Staatsstraßen, die die Stadt queren und die Kreisstraßen Richtung Ohorn und Großröhrsdorf. „An den anderen Straßen säubert der Bauhof der Stadt Pulsnitz regelmäßig die Verkehrseinrichtungen“, schätzt Sarah Günther vom Landratsamt ein.

Die Farb- und Aufkleberattacken sogenannter Fans meldet die Behörde allesamt bei der Polizei als Sachbeschädigung. Dazu kommen die Strafanzeigen wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr. „Die Verkehrszeichen werden durch Schmierereien und Aufkleber wirkungslos und Kraftfahrer vom Verkehrsgeschehen abgelenkt“, sagt Sarah Günther. Mal davon abgesehen, dass Aufkleber und Schriftzüge das Wohnumfeld verschandeln.

Mühevolle Reinigung

Die Reinigung ist mühevoll. Ein universelles Verfahren gebe es nicht. Die zu entfernenden Materialien seien zu unterschiedlich, erklären die Leute aus der Straßenmeisterei. Leitungswasser, diverse Graffiti- bzw. Etikettenlöser bis zur Spachtel – das alles komme zum Einsatz. Gerade im Winterhalbjahr ist das Schrubben schwierig. Wasser könne kaum verwendet werden und die Folienaufkleber seien dann so spröde, dass sie sich nur schnipselweise ablösen lassen. Und das Ausmaß erstrecke sich ja auch noch auf andere Anlagen in der Stadt, der Enso, der Telekom – auf Schaltschränke, Stützmauern, Gebäude. Die Straßenmeisterei kommt allein nach Pulsnitz zweimal pro Jahr zum Großeinsatz. Pro Putzaktion kommen fast 1 000 Euro zusammen. Mit dieser Vielzahl von Delikten ist Pulsnitz ein Schwerpunkt. Warum gerade Pulsnitz, ein Zentrum der Dynamo-Schmierer ist, da sind die Beteiligten ratlos. Aber die Bürgermeisterin Barbara Lüke ist sich sicher, dass Täter auf jeden Fall auch in Pulsnitz selbst zu suchen seien. Das lasse sich aus den Spuren, die sie hinterlassen, ablesen. So finden sich diese auch an eher abgelegenen Orten. Fest steht für sie: „ Es hat massiv zugenommen.“ Eine beschmierte Sandsteinmauer brachte jetzt das Fass zum Überlaufen. Das werde eine teure Angelegenheit, schätzt die Stadt ein. In der Vergangenheit gab es schon Versuche, junge Leute in Graffitiprojekte einzubeziehen. Jetzt brachte die Bürgermeisterin ein Schreiben an die Fußballer des TSV Pulsnitz 1920 auf den Weg. Dabei geht es um die 48-Stunden-Aktion – eine Jugendinitiative. Die läuft Ende Mai. Dabei setzen junge Leute bestimmte Projekt um. Dazu soll nun die Sandsteinmauer gehören, als Putzaktion. Als Zeichen von Fußballern an Fußballfans in Pulsnitz will Barbara Lüke die Initiative verstanden wissen, die sich ja vielleicht auch kennen. Es soll ein Zeichen gegen Vandalismus sein: „Wir müssen eine Diskussion anstoßen“, so Barbara Lüke.

Echte Fans?

„Wir haben im Verein darüber diskutiert und stehen an sich positiv dazu“, sagt Vereinspräsident Cornelius Hartmann. Die Fußballer seien zwar im vollen Spielbetrieb an dem Wochenende. Aber er denke schon, dass der Verein einige Leute aktivieren kann. Zugleich stellt der Präsident klar, dass die Ultrafans, nicht mit echten Fans und Mitgliedern des TSV gleichzusetzen seien. Im Verein wüsste er niemanden, der zu dieser Fanszene zählen könnte, die der Verein klar ablehne. „Wir haben nur Fußball spielende Fans. Warum sollten die so etwas tun?“ Im Gegenteil, der Verein sei selbst Opfer der Schmierfinken. So regt der Vereinspräsident an, auch die anderen Sportvereine in diese Aktion mit einzubeziehen und anzuschreiben, um noch mehr junge Leute zu erreichen. Da ja keiner so genau wisse, aus welcher Richtung sie kommen. Das wäre noch ein viel stärkeres Zeichen nach außen.

Privateigentümer haben oft aufgegeben

Für die Rathauschefin gibt es noch ein Grundproblem. Bei den Delikten handele es sich mindestens um Sachbeschädigung. Die müsse angezeigt werden. Das wahre Ausmaß spiegele sich aber im Anzeigenverhalten nicht wieder. So mancher Privateigentümer habe wohl aufgegeben, „weil es ja sowieso nichts bringt“. Vielleicht nicht auf kurze Sicht. Letztlich könne die Polizei aber nur aktiv werden und ermitteln, wenn die Delikte als Anzeige vorliegen würden. Dann seien die Straftaten aktenkundig. Wenn ein Täter erwischt werde, lassen sich oft noch Jahre später Straftaten zuordnen und Schmierer zur Rechenschaft ziehen. Sarah Günther vom Landratsamt ergänzt: „Die Behörden sind bei der Ermittlung auf die Mithilfe aufmerksamer Bürger angewiesen.

Es gibt noch eine Ebene: Die Rathauschefin beklagt, dass gerade Pulsnitz keinen eigenen Polizeistandort habe. Für 14 500 Einwohner im Bereich der Verwaltungsgemeinschaft gebe es keinen Polizeistandort. Der Bereich Großnaundorf werde von Ottendorf-Okrilla aus bearbeitet. Das sei absurd. „Es ist kein Vorwurf an die Bürgerpolizisten, sie sind überlastet. Wir sind in der Talsohle der Polizeipräsenz“, kritisiert Barbara Lüke. So gebe es noch mehr relevante Themen, die den Polizeibereich beträfen. Zum Beispiel der Drogenkonsum Minderjähriger: „Es fehlen Strukturen.“ Da gehörten auch Streetworker dazu. Umso wichtiger sei es, nicht locker zu lassen, alle Straftaten anzuzeigen, um die Notwendigkeit zu untermauern: „Sonst werden wir nie einen Polizeistandort bekommen.“