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Bekommt Glashütte eine Neustadt?

CDU und Grüne im Stadtrat wollen einen neuen Ortsteil für 1.500 Menschen gründen. Kritiker befürchten ein Ghetto für zugezogene Großstädter.

Von Maik Brückner
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Sollte die Vision einiger Stadträte wahr werden, wird die Kernstadt von Glashütte in ein paar Jahren zur Altstadt Glashütte.
Sollte die Vision einiger Stadträte wahr werden, wird die Kernstadt von Glashütte in ein paar Jahren zur Altstadt Glashütte. © Foto: Frank Baldauf

Glashütte soll in 15 bis 20 Jahren einen 17. Ortsteil bekommen. Das ist die Vision, die fünf Glashütter Stadträte von der CDU und den Grünen haben. Wie und ob diese Vision zur Realität werden kann, wurde in der Glashütter Stadtratssitzung am Dienstagabend in Cunnersdorf diskutiert. Die Sächsische Zeitung fasst die lebhafte Diskussion zusammen.

Welches Ziel verfolgen die Stadträte von CDU und Grünen?

Stadtrat Uwe Ahrendt (Grüne) skizzierte die Grundidee: Glashütte soll eine Neustadt bekommen, in der sich junge Leute und Familien niederlassen. Bis zu 1.500 Menschen sollen dort einmal leben. Sie sollen in Gebäuden wohnen, die nach ökologischen Maßstäben gebaut sind. Die Siedlung soll klimaneutral sein. Mit dieser Neustadt könnte die bestehende Infrastruktur von Glashütte gestärkt werden, vielleicht kann aufgrund größerer Kinderzahlen eine neue Oberschule gegründet werden. Die Errichtung dieser Neustadt soll aber nicht zulasten der bestehenden Ortsteile gehen. Diese sollen weiter entwickelt werden.

Wie realistisch ist die Gründung dieser Neustadt?

„Noch ist es eine Vision“, sagt Ahrendt. Ob sich diese realisieren lässt, sollen mehrere Studien ergeben. Der erste Schritt ist aber ein anderer: Zunächst müsste sich die Stadt an einem Wettbewerb des Agrarministeriums beteiligen. Dieses stellte für 15 Projektideen Preisgelder zwischen 100.000 und 400.000 Euro in Aussicht. Gewinnt Glashütte, sollen Untersuchungen starten. In denen soll nicht nur ermittelt werden, ob eine Siedlung von jungen Familien angenommen werden würde. Auch mögliche Standorte sollten untersucht werden.

Wie reagierten die Stadträte auf diese Idee?

Nach der Vorstellung der Vision begann eine lebhafte Diskussion. Zwei Stadträte äußerten sich durchweg kritisch zu den Vorstellungen: Jörg Eichler (Wählergemeinschaft Reinhardtsgrimma) gestand, dass er zunächst dachte, es handele sich um einen Aprilscherz. Doch dem sei nicht so. Eichler lehnte es ab, Planungen anzustoßen. Für eine neue Siedlung müssten bis zu 150 Hektar versiegelt werden, erklärte der Reinhardtsgrimmaer, der selbst Landwirt ist. Zudem widerspricht die Vision den bisherigen Planzielen. Er möchte, dass Glashütte maßvoll wächst. 

Mit einer Neustadt würde eine Art Ghetto gegründet werden, in dem vor allem nur frühere Großstädter wohnen würden. Auch Andreas Dießler (WVR) sprach sich gegen eine Bewerbung um die Förderung aus. Mit Blick auf die Erfahrungen, die sein Heimatdorf mit der Ausweisung von Bauflächen gemacht habe, sehe er keine Vorteile. Mehr als die Hälfte der Hausdorfer sind Bürger, die in den letzten Jahren ins Dorf gezogen sind. Das Zusammenleben sei nicht einfach geworden, weil die Interessenlagen sehr unterschiedlich sind. 

Zudem befürchtet Dießler, dass eine Neustadt mehr Verkehr auf die Straßen bringen würde, weil nicht alle Neu-Bürger in der Uhrenstadt arbeiten würden. „Unsere Straßen würden noch mehr verstopft werden.“ Sein Fazit: Die Vision sei ein Luftschloss. Wenn Geld für derartige Studien ausgegeben würde, sei das – selbst wenn es Fördergeld sei – Steuergeldverschwendung, so der Hausdorfer.

Was sagen die Befürworter unter den Stadträten?

Die Mehrzahl der Räte stand der Idee offen gegenüber. Jörg Prasser (Zeitlos) nannte den Wettbewerb eine Chance, die man nutzen sollte. Dabei dürfe man aber die Entwicklung der Kernstadt nicht außer Acht lassen. Denn hier gibt es auch viel Leerstand. Zudem erinnerte er daran, dass seine Wählergemeinschaft über den Ortschaftsrat Glashütte schon mehrmals auf das Problem von fehlenden Baugebieten hingewiesen habe und selbst schon Vorschläge gemacht habe, wo Eigenheime entstehen könnten. 

Manuel Schneider (WV Schlottwitz) hofft, dass mit der Neustadt die Chancen für den Bau einer neuen Oberschule steigen würden. Auch Thomas Flasche (CDU) sprach sich dafür aus, am Wettbewerb teilzunehmen. Allein schon durch die Studien hole man sich Fachkenntnis nach Glashütte. Ähnlich äußerte sich Bernd Grahl (CDU). Junge Leute bringen neue Ideen mit. Auch Frank Zimmerhäckel (Grüne) glaubt an die Chance. Nach dem Mauerfall sorgte der ländliche Raum Sachsens für den Aufschwung West, in den letzten Jahren für den Aufbau der Städte. Mit einer neuen Siedlung könnte der ländliche Raum Glashüttes gestärkt werden.

Es gab aber auch nachdenkliche Töne. So von Steffen Barthel (WV Johnsbach). Er begrüßte die Vision, warnte aber davor, dass die Arbeit an den Studien die Verwaltung „lahmlegen könnte“. Tilo Bretschneider (AfD) bemängelte, dass in der Vorlage zu wenig Konkretes drinstehe. „Der Vorschlag ist nicht beschlussreif.“ 

Und Maik Lehmann (Zeitlos) fand, dass über diese wichtige Frage nicht der Stadtrat, sondern die Bürger in einer Einwohnerversammlung entscheiden sollten. Dafür sei es noch zu früh, sagte Bürgermeister Markus Dreßler (CDU). Denn zunächst müssten Studien erarbeitet werden, um Fakten zu haben. Die Bürger sollen später beteiligt werden. Jörg Paulusch (CDU) wiederum erinnerte daran, dass es sich um einen Prozess handle. „Wir können ihn jederzeit stoppen.“

Wie hat der Stadtrat am Ende entschieden?

Trotz mancher Bedenken, die einige Stadträte in der Diskussion äußerten, stimmte am Ende eine große Mehrheit für eine Bewerbung. Bis auf Jörg Eichler und Andreas Dießler votierten alle Räte dafür.

Wie geht es jetzt in dem Prozess weiter?

Die Verwaltung wird einen Projektantrag formulieren und diesen beim Landwirtschaftsministerium in Dresden noch vor dem 20. November einreichen. Ein Fachgremium wird ihn prüfen, danach entscheidet eine Jury, welche der Anträge die Kriterien Innovationsgrad, Stärkung des Gemeinwohls und Beitrag zur Lösung akuter Probleme am besten erfüllen.