Von Carla Mattern
Es war am Ende einer Kneipennacht im Oktober 2003, als Andreas O. (28 Jahre) und Rene H. (26) aus Bautzen auf den damals 17-jährigen Sorben Alexander B. trafen. Sie tranken gemeinsam in einem Klub, und als der Angeklagte Andreas O. feststellte, dass er einen Sorben neben sich hatte, wollte er wissen, ob der sich nicht diskriminiert fühle. Ein Wort gab das andere. „Besoffene wollen die Meinung eines anderen nicht hören“, beschrieb gestern vor der ersten Strafkammer des Bautzener Landgerichts Zeuge Thomas S. den sich aufschaukelnden Disput. Der junge Sorbe stichelte wohl auch gegen die sturköpfigen Deutschen, und so versuchte Thomas S. dem 17-Jährigen klarzumachen, dass er sich besser auf den Heimweg machen solle. Das Gespräch wurde in Sorbisch – der Muttersprache der beiden – geführt. Das erzürnte Rene H. Er fühlte sich wie ein Trottel und ausgelacht, weil er nicht mitreden konnte, gab er zu Protokoll.
Das spätere Opfer machte sich also auf den Heimweg, wo es kurze Zeit später wieder auf seine Gesprächspartner traf. Aus der kumpelhaften Umarmung und der Frage, ob er noch ein Bier mittrinken gehen wolle, entwickelte sich schnell eine handfeste Schlägerei. Einseitig. Denn B. war seinen Widersachern körperlich unterlegen. Er musste unter anderem Faustschläge ins Gesicht ertragen, wurde zu Boden gerissen und wieder aufgehoben, damit die Prügelei weitergehen konnte. Andreas O., dem gestern der Prozess gemacht wurde, sei der Sprecher gewesen, Rene H. der Schläger, sagte das Opfer. H. wurde bereits im Oktober für diese Taten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung über vier Jahre.
Drohung mit Auschwitz
Bei Mittäter O. kamen nicht nur die schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung und Bedrohung zur Anklage, sondern auch die ausführlich erörterte Beleidigung. Während der Prügelei soll er gesagt haben: „In zehn Jahren stapeln wir die Sorben wie damals die Juden in Auschwitz.“ Das bestritt Andreas O. gestern nachdrücklich. Er habe sich zwar provoziert gefühlt von dem jungen Sorben, weil der ihn als einen Nazi bezeichnet habe. Das Wort Auschwitz habe er aber nicht gesagt. Für den Staatsanwalt ein klarer Fall fürs Landgericht. Er forderte eine Freiheitsstrafe, weil solche Äußerungen und Vorkommnisse das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen vergiften. Ein Novum in der Bautzener Gerichtslandschaft. Obwohl immer wieder ähnliche Fälle bekannt werden, als Volksverhetzung angeklagt oder in einem Prozess so herausgestellt wie im gestrigen wurden sie bisher nicht, bestätigen die Sprecher von Amts- und Landgericht. Und auch bei der Polizeidirektion wurde zwar schon in mehreren Fällen ermittelt, meist jedoch ergebnislos. Beispielsweise fehlen bis heute Aussagen zu den Tätern, die im August in Großwelka bei den zweisprachigen Straßenschildern die sorbischen Schriftzüge mit Farbe übersprüht hatten.
Für den vorbestraften Andreas O. ging die Verhandlung glimpflich aus. Ein Jahr und sieben Monate Haft bei vier Jahren Bewährung, lautet das Urteil. Und der junge Sorbe Alexander B. sei vorsichtiger geworden, sagt er.