Von Heinz Hirschfeld
Gerade ist wieder eine Klasse der Glashütter Mittelschule zu Gast in der St. Wolfgangkirche, um an Ort und Stelle Geschichtsunterricht zu erleben. Der 65-jährige Edgar Rahm, der mehr als 40 Jahre als Diakon in Glashütte arbeitete, kennt jedes Detail in dem fast 500 Jahre alten Natursteinbau. Besonders gern zeigt er Schülern und Touristen die Bergmannskanzel.
Er erzählt dann, dass Glashütte 1634 von 400 kaiserlichen Soldaten heimgesucht wurde. Sie ließen Leid und Zerstörung zurück. Durch verwüstete Felder, abgebrannte Schmelzhütten, abgesoffene Schächte vernichteten sie die Existenzgrundlagen der Menschen. Sogar vor der Kirchenuhr, dem einzigen Zeitmesser der kleinen Bergstadt, machten sie nicht halt. Bänke und Kanzel der Kirche wurden als Brennmaterial verwendet, die Figuren am Taufstein abgebrochen.
Um der allgemeinen Hoffnungslosigkeit zu begegnen, ließ ein ehemaliger Glashütter, der zur damaligen Zeit bereits Bürgermeister in Dresden war, eine neue Kanzel errichten – die so genannte Bergmannskanzel.
Bei diesem ungewöhnlichen Kunstwerk handelt es sich um einen auf einer kleinen Halde aus Quarz, Schwerspat, Amethyst und Gneis stehenden Bergmann, der die Kanzel trägt. Zur damaligen Zeit sollte das heißen: „Bleibt hier, die Bodenschätze in der Gegend ernähren euch alle. Mit dem festen Glauben an Gott, Fleiß, Heimatliebe und Bodenständigkeit lässt es sich hier leben“.
In abgewandelter Form ist diese Aussage aktueller denn je. Und die Glashütter scheinen sich nach ihr zu richten. Denn nach der Flut im vorigen Jahr gab es keine Abwanderungen. Damals spielte die Kirche Glashütte eine für die Menschen ganz besondere Rolle. „Das Wasser blieb etwa einen Meter vor ihr stehen. Durch die Kirche wurde eine Suppenküche eingerichtet. Die Empore war voll mit Sachspenden für Flutopfer. So mancher, der noch nie ein Gotteshaus von innen sah, kennt nun nicht nur die Kirche, sondern er lernte auch die Gemeinschaft der Menschen kennen“, so Edgar Rahm.
Die Bergmannsknappschaft von Glashütte hat sich nach der Wende ihre Paradeuniformen nach dem Vorbild des geschnitzten Bergmannes, der schon seit 350 Jahren die Kanzel in der Glashütter Kirche hält, anfertigen lassen. „Ich erinnere mich noch ziemlich genau, dass die jungen Leute der Bergmannsknappschaft oft zur Kirche kamen, mich baten, sie aufzuschließen, da sie noch genaue Details der Bergmannsuniform erfahren wollten. Als alles in Sack und Tüten war, ließen sie sich stolz mit ihren neuen Uniformen vor dem Modell fotografieren. Ich habe mich sehr gefreut, als sie mir auch ein Bild davon schenkten“, erzählt er weiter.
Die Kirche selbst wurde 1521 bis 1535 als katholisches Gotteshaus erbaut. Seit 1540 ist sie evangelisch. Sie ist vollkommen aus Naturstein gebaut. Im Laufe der Zeit wurde die Verputzung durch die Feldsteine regelmäßig abgestoßen, so dass die Kirche früher einen meistens ungepflegten und verwitterten Eindruck ausstrahlte.
Erst kurz vor dem 400-jährigen Kirchenjubiläum hatte man begonnen, den Putz abzuhacken. Seit 1939, als die nun sichtbaren Natursteine verfugt waren, macht die Kirche auch äußerlich etwas her.