Beuteltier Max im Stoffbeutel

Von Jost Schmidtchen
Jocksdorf. Eigentlich galt der Tageblatt-Presse-Frühjahrsbesuch im Affenzoo Jocksdorf e. V. den Liszt-Affen. Umso größer die Überraschung, als Sybille Mai, Schatzmeisterin des Vereins, zur Begrüßung mit einem dicken textilen Baumwolleinkaufsbeutel kam. Darin: ein Känguru-Baby. Max. Max muss seine Kindheitstage in einem Inkubator verbringen. Warum?
An einem Sonnabendmorgen lag das kleine Kerlchen allein im Gehege und das Muttertier saß teilnahmslos in der anderen Ecke. Die Aufregung war riesengroß: Was tun? Zunächst stellte der Tierpark Cottbus sofort einen Inkubator zur Verfügung, in dem sich das Baby bei einer Temperatur von 32 ºC und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 70 Prozent recht wohlfühlte. Diese Werte entsprechen dem Mikroklima im Beutel des Muttertieres.
Beim Fotografieren wieder mopsfidel
Wie es zur Aussetzung des kleinen Max kam, ist ungeklärt – und wird es wohl auch bleiben. Entweder ist er von allein aus dem Mutterbeutel gefallen, und um allein wieder hineinzuklettern, dafür war er viel zu klein. Dass die Mutter ihn aussetzte, ist zwar höchst unwahrscheinlich; allerdings ist sie selbst erst zwei Jahre alt und gilt daher als unerfahren für eine junge Mutter. Auf jeden Fall sind beide Tiere wohlauf und Max, so schätzt Sybille Mai ein, macht einen guten gesundheitlichen Eindruck. Auch beim Fotografieren war er mopsfidel – aber im warmen Einkaufsbeutel gefiel es ihm offensichtlich doch besser.
Keine vergleichbaren Fälle
Der Vorfall stellte den Jocksdorfer Zoo vor eine verantwortungsvolle zusätzliche Aufgabe. Kängurus wurden hier schon mehrfach geboren, und bisher ging alles stets gut. Vergleichbare Vorfälle wie jetzt in Sachen Max sind in anderen Zoologischen Gärten kaum zu finden. Die Muttermilch für Max wurde aus Amerika nach Jocksdorf geliefert; inzwischen hat Sybille Mai auch einen Hersteller in Belgien im Internet ausfindig gemacht.
Max ist etwa 30 Zentimeter groß. So ein kleines Känguru-Baby sieht man in der Lausitz wohl kein zweites Mal, weil es sich ja normalerweise im Mutterbeutel versteckt hält. Mittlerweile ist der Affenzoo im brandenburgischen Jocksdorf wieder geöffnet und man kann sich selbst ein Bild von den Tieren machen.
Ungetrübte Freude
Ungetrübte Freude gibt es hingegen bei den Liszt-Affen. Diese Freude wurde möglich durch die anhaltend gute Zusammenarbeit mit dem Zoo Hoyerswerda. Durch Tiertausch und Gefälligkeitsschenkungen hatte nicht nur der Zoo Hoyerswerda Vorteile, sondern auch der Affenzoo in Jocksdorf hat(te) sie. Auf der Heimfahrt von einer Tour in die Niederlande stoppte Hoyerswerdas Zoodirektor Eugène Bruins bei der „Arche Noah“ Braunschweig, von wo er einen erwachsenen weiblichen Liszt-Affen mit nach Jocksdorf brachte. Damit konnte das Jocksdorfer Pärchen wieder komplettiert werden. Seit 2017 gab es vier Mal Zwillinge als Nachwuchs, zuletzt am 26. Januar 2020. Die Mama aus Braunschweig ist in der Familienschar der Affen nur noch von Sybille Mai auszumachen, ein Foto („DAS ist sie ...“) wäre eher ein Zufallstreffer. Der Papa sieht das ganz gelassen: Auf seinem Rücken trug er stolz die zum Zeitpunkt der Recherche jeweils 80 Gramm schweren Neugeborenen. 2019 folgte vom Zoo Hoyerswerda mit einem Schönhörnchen ein weiteres Geschenk. Diese Tiere sind ebensolche Einzelgänger wie Eichhörnchen, und der Nachwuchs stört irgendwann die Eltern. In Jocksdorf fühlt sich das putzige Tierchen (seine eigentliche Heimat ist Südostasien) recht wohl. Und vor einigen Wochen hat das kleinste Huhn der Welt, die chinesische Wachtel, in Jocksdorf vier Eier ausgebrütet. Die Küken sind nicht größer als ein Stück Konfekt, aber wenn es Futter gibt, kommen sie zur Mama angesaust.
Hoffen auf Wieder-Eröffnung
Familie Mai hält dem Förderverein des Zoos Hoyerswerda weiterhin die langjährige Treue, wobei die Altersstruktur der Mitglieder im Verein Probleme mit sich bringt. Doch die Zusammenarbeit möchten die Jocksdorfer nicht missen. Vor allem sind sie froh, dass der Affenzoo, wenngleich ohne Gastronomie, wieder öffnen kann.
