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Bierhoffs Glücksgriff

Titelverteidiger Deutschland erwischt einen leichten Weg zur Fußball-WM 2018. Die anderen Top-Nationen duellieren sich.

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Von Arne Richter

Oliver Bierhoff stand im Pressezelt vor dem Konstantinpalast und griff sich an die Hosentasche. Das dort verstaute Handy gab aber erst mal keinen Ton von sich. Auf einen Anruf von Joachim Löw musste der DFB-Teammanager am Sonnabendabend in St. Petersburg eine Weile warten. Doch schließlich meldete sich der Bundestrainer, um zu gratulieren – und sich zu bedanken. „Oliver Bierhoff hat einen guten Job gemacht“, sagte Löw – natürlich mit einem Schuss Humor. „Wir haben eine interessante Gruppe zugelost bekommen mit guten Gegnern, und wir sind natürlich zufrieden mit der Auslosung“, ließ er gen Russland übermitteln.

Bierhoff hatte statt des von der Fifa eingeladenen Bundestrainers die Lose der europäischen Spitzenteams für die WM-Qualifikation gezogen und Deutschland den vermutlich leichtesten Weg aller Topteams zur Endrunde 2018 beschert. „Jede Qualifikation hat ihre Reize und Gefahren. Das sehen wir auch in der EM-Qualifikation. Aber im Vergleich zu anderen Gruppen ist unsere schon mittelschwer einzuschätzen“, sagte Bierhoff.

Das war natürlich eine Untertreibung. Mit Tschechien, Nordirland, Norwegen, Aserbaidschan und San Marino wartet auf den Titelverteidiger kein Gegner auf Augenhöhe. Weder 2014 noch 2010 schaffte es einer der Kontrahenten zur WM-Endrunde. Tschechien war 2006 dabei, schied aber in der Vorrunde aus. Norwegen spielte vor 17 Jahren letztmals ein WM-Turnier, Nordirland vor 29 Jahren.

Dagegen hätte es für die anderen europäischen Top-Nationen kaum schlimmer kommen können. „Das Händchen von Bierhoff: Der frühere Bomber bringt uns in Schwierigkeiten“, schrieb Tuttosport aus Italien. Der viermalige Weltmeister muss in der Gruppe G gegen Spanien antreten. In der Gruppe A kommt es im Vorspiel der WM-Endrunde zum Gigantenduell zwischen Frankreich und den Niederlanden.

„Die Hauptgeschädigten der Auslosung sind Spanien, Italien, Frankreich und die Niederlande“, urteilte Spaniens Fachblatt Sport. El País fürchtet bereits das „Schreckgespenst für Spanien“. Etwas sachlicher beurteilte Italiens Nationalcoach Antonio Conte das schwere Los, er nahm es als zusätzliche Motivation: „Gegen einen Gegner auf dem Niveau Spaniens anzutreten, sollte ein großer Anreiz für die Nationalelf und den gesamten italienischen Fußball sein.“ Die Spanier seien nicht das Beste, „was uns passieren konnte, aber Deutschland wäre noch schlimmer gewesen“, meinte Conte. Immerhin ein kleiner Trost.

Frankreich und der WM-Dritte Niederlande müssen in ihrer Gruppe auch noch andere fürchten. Allen voran Schweden mit Superstar Zlatan Ibrahimovic. 2014 war er nicht dabei, mit derzeit 33 Jahren dürfte es nun seine letzte WM-Chance sein. „Man darf keine Punkte liegen lassen“, betonte Frankreichs Trainer Didier Deschamps. „Das ist eine schöne Gruppe, aber es ist auch eine schwere Gruppe, vielleicht sogar auf dem Papier die schwerste“, meinte Kollege Danny Blind. Die niederländische Boulevardzeitung De Telegraaf sah es ähnlich: „Viel ungünstiger hätte es Oranje nicht treffen können.“

Aber nicht nur große Nationen können zum Stolperstein werden. In der Gruppe F will das Fußball-Mutterland England den Weg zu einer endlich einmal besseren Endrunde bei einer WM ebnen. Dabei kommt es zum packenden Inselduell gegen Schottland. „Wir müssen vorsichtig sein, bevor wir uns selbst als Favoriten beschreiben“, meinte Trainer Roy Hodgson.

52 Mannschaften gehen an den Start. Direkt qualifiziert sind die neun Gruppensieger. Die acht besten Gruppenzweiten ermitteln im November 2017 in Play-off-Spielen vier weitere WM-Teilnehmer. Gastgeber Russland ist als 14. Team aus Europa gesetzt. Für die DFB-Elf beginnt die Qualifikation am 4. September 2016 mit einem Auswärtsspiel gegen Norwegen. Danach empfängt sie Tschechien am 8. Oktober 2016 und drei Tage später Nordirland.

Zuvor steht allerdings die Qualifikation zur EM 2016 in Frankreich im Vordergrund. „Die WM ist noch weit weg“, sagte Löw. Im Herbst stehen die entscheidenden Spiele gegen Polen (4.9. in Frankfurt/M.), Schottland (7.9. in Glasgow), Irland (8.10. in Dublin) und Georgien (11.10. in Leipzig) an. In der Gruppe D liegt Deutschland derzeit einen Punkt hinter Polen auf Platz zwei, der zur Teilnahme an der Endrunde im nächsten Jahr reichen würde. „Wir werden uns aber jetzt auf die EM-Qualifikation konzentrieren, danach auf das Turnier und erst dann kommt die WM-Qualifikation für Russland“, betonte Löw. (dpa/mit SZ)