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Big Brother im Rödertal?

Großröhrsdorf installiert jetzt zwei weitere Überwachungskameras. Am Bahnhofsvorplatz.

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Von Reiner Hanke

Es war ein Bild der Zerstörung. Randalierer waren in Nacht über den Großröhrsdorfer Busplatz am Gymnasium gezogen und hatten die meisten Scheiben der Buswartehäuschen zerstört. Passanten berichteten fassungslos von einem Scherbenmeer. Fassungslos waren auch die Kommunalpolitiker. Der Platz war erst wenige Tage zuvor eingeweiht worden. Der Schaden lag bei 10 000 Euro. Die Täter konnten nicht gefasst werden. Die Randale ist knapp anderthalb Jahre her. Die Stadt zog daraus ihre Konsequenzen und installierte zwei Videokameras, die ein wachsames Auge auf den Platz haben. Als erneut Randalierer ein Buswartehäuschen demolierten, konnten sie ermittelt werden. Seitdem sei Schluss mit Vandalismus, sagt Bürgermeisterin Kerstin Ternes. Derzeit wird viel über die Ausweitung solcher Anlagen auf öffentlichen Plätzen diskutiert. Hintergrund ist der jüngste Bombenanschlag in Boston. Die Zahl der Kameras auf öffentlichen Plätzen im Pulsnitz und Rödertal ist aber bereits in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Den Anfang machte Pulsnitz Mitte des vorigen Jahrzehnts. Weiter aufrüsten will jetzt Großröhrsdorf, um die Stadt sicherer zu machen. Das war aber schon längst vor der aktuellen Diskussion geplant.

Wo werden in Großröhrsdorf die

neuen Kameras montiert?

Zwei neue Kameras werden in der kommenden Woche am Bahnhofsvorplatz montiert. Sie sollen das Geschehen rund um die Uhr im gläsernen Auge behalten und aufzeichnen. Das Gelände wird derzeit zu einem modernen Platz fürs Parken und Reisen (P+R) umgebaut. Die Videoüberwachung gehört dazu. Im Fokus steht dabei die Sicherheit der Reisenden und der feste Vorsatz, dem Vandalismus vorzubeugen, so Bürgermeisterin Kerstin Ternes. Die Erfahrungen vom Busplatz am Gymnasium ermutigen dazu. So gilt der Bahnhofsplatz als Treffpunkt von Jugendlichen. Die seien schon öfter aufgefallen. Mal, weil städtisches Eigentum beschädigt wurde, mal wegen Krawall. Über 600 000 Euro investieren Freistaat, Verkehrsverbund und Stadt derzeit in die neuen Anlagen im Bau. Zum Beispiel verglaste Unterstände für Räder. Ein Desaster wie Ende 2011 am Busplatz will die Stadt möglichst ausschließen.

Welche Erfahrungen hat Pulsnitz in den vergangenen Jahren gesammelt?

Nur gute. Das schätzt die Verwaltung ein. Pulsnitz betreibt schon seit Mitte des vorigen Jahrzehnts Kameras auf dem Platz vor dem Bahnhof. Für eine Tourismusstadt sei die Sicherheit der Gäste besonders wichtig. Auch habe die Stadt zuvor viel Ärger mit der Reparatur von Vandalismus-Schäden gehabt. Der sei deutlich zurückgegangen. Die Anlage wirke abschreckend: Die Polizei habe schon einige Fälle von Vandalismus mit Hilfe der Fotos aufgeklärt, sagt der Bürgermeister Peter Graff (FDP). Sie nutze die Aufnahmen auch, um Fahrraddieben auf die Schliche zu kommen. „Ich kann die Überwachung an solchen öffentlichen Plätzen nur befürworten“, so Graff.

Wie sehen die Bürger die

Videoüberwachung?

Bei einer Schnellumfrage in Pulsnitz und Großröhrsdorf plädiert eine Mehrheit für Videokameras. Aber der Einsatz sollte auf Brennpunkte beschränkt bleiben. Wie in einem Big-Brother-Haus will niemand unter Beobachtung stehen. So geht es auch Tino Schmidt aus Großröhrsdorf. Für die Sicherheit auf dem Bahnhofsplatz sei das in Ordnung, sagt er. Schmidt ist selbst oft mit dem Rad zum Bahnhof unterwegs und steigt dort um. Gerade für die Fahrrad-Besitzer sei die Videoanlage eine zusätzliche Sicherheit vor dem Diebstahl ihrer abgestellten Räder. Oder die Chance, Diebe zu erwischen. Außerdem würden hier oft Leute rumlungern und Flaschen zerschlagen. „Die Überwachung vor dem Bahnhof ist das okay, aber ich möchte sie nicht überall in der Stadt.“ In Pulsnitz berichtet ein Busfahrgast mittleren Alters sogar, er sei selbst vor dem Bahnhof von Rowdys angegriffen worden. Per Video seien die Täter überführt worden. Aber auch er schränkt ein: Es sollte wirklich nur um die Rowdys gehen und niemand anders behelligt werden. Skeptisch gegenüber der Videoüberwachung ist Andrea Düster aus Großröhrsdorf. Es sei ein unangenehmes Gefühl, beobachtet zu werden: „Was passiert mit den ganzen Daten?“ fragt sie. Sie fühle sich in Großröhrsdorf auch ohne Kameras sicher.

Was passiert mit den Daten der

Überwachungskameras?

Die bekommt nur selten jemand zu Gesicht. Steffen Kirst ist Fachmann für diese Technik im Pulsnitzer Rathaus und erklärt: In einer Endlosschleife werden die Daten mit einem Festplattenrekorder aufgezeichnet. Nach einer knappen Woche werden sie überschrieben. Nach sächsischem Gesetz können die Daten sogar bis zu zwei Monate aufbewahrt werden, heißt es aus dem sächsischen Innenministerium. Eingesehen würden die Videos nur, wenn es Anzeigen gebe oder Schäden festgestellt würden, sagt der Pulsnitzer Bürgermeister: „Wer nichts angestellt hat, muss auch nichts befürchten.“ Beide Städte versichern: Die Regeln des sächsischen Datenschutzes würden beachtet. Die seien streng. Ohne Genehmigung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten dürfe keine Anlage ans Netz gehen. Dafür müssen wichtige Gründe und ein großes allgemeines Interesse vorliegen, stellt das Innenministerium klar. Ansonsten dürfe nicht per Video in die Persönlichkeitsrechte der Menschen eingegriffen werden.

Gibt es Pläne, die Überwachung noch an andere Stellen auszuweiten?

Solche Pläne sind in den beiden Städten derzeit nicht bekannt. An den Großröhrsdorfer Brennpunkten werde jetzt genug für die Sicherheit getan, sagt Bürgermeisterin Kerstin Ternes. In Pulsnitz schätzt Amtskollege Peter Graff ein: Videoüberwachung sei wegen des strengen Datenschutzes ohnehin kaum machbar.

Fazit: Zum Big-Brother-Tal wird die Region zwischen Pulsnitz und Röder bestimmt nicht, aber in Großröhrsdorf ab nächster Woche etwas sicherer.