Von Holger Gutte
„Ich kann die jetzige Diskussion wegen der Billiglohnarbeiter aus Osteuropa in deutschen Schlachthöfen nicht verstehen“, sagt der Geschäftsführer des Fleischwerkes Löbau, Dr. Helmut Stenzel. „Wenn die Leute bei Aldi für zehn Euro eine Bohrmaschine kaufen, macht sich niemand Gedanken, warum die so billig ist.“ Der Löbauer Geschäftsführer kann gut nachempfinden, warum die großen Schlachthöfe in Chemnitz und in den alten Bundesländern deutsche Fleischer entlassen und dafür slowakische oder polnische Fleischzerleger einstellen. Sie erhalten in der heutigen Marktsituation wenigstens ihren Firmenstandort und lassen nicht wie viele andere Unternehmen im Ausland produzieren.
Auf der Lebensmittelbranche lastet ein enormer Druck. Der Verbraucher versucht hier immer mehr Geld einzusparen und wählt immer billigere Produkte. Muss jemand mit dem Auto in die Werkstatt, wird selbstverständlich der Arbeitsaufwand bezahlt. Bestellt aber jemand ein Buffet, wird sofort gefeilscht. Irgendwann geht diese Preisschraube nicht mehr zu drehen. Die Betriebe müssen sich etwas einfallen lassen, schildert Helmut Stenzel die Situation.
Für das Fleischwerk Löbau kommt die Beschäftigung von Billiglohnarbeitern aus dem Osten nicht in Frage. „Das würde sich für uns nicht rechnen, weil wir zu klein sind.“ Im Fleischwerk ist nur ein sehr geringer Teil der 120 Mitarbeiter mit der Fleischzerlegung beschäftigt. Die anderen arbeiten direkt mit Kunden zusammen oder brauchen fundierte Deutschkenntnisse in ihrem Bereich. Außerdem passt es nicht zum Firmenslogan „Produkte aus der Region für die Region“. „Wie lange wir uns damit halten, ist die große Frage. Wenn wir nur 50 Cent pro Kilogramm mehr kriegen würden, wäre die Welt für uns wieder in Ordnung“, sagt er. Weil der Umsatz des Löbauer Fleischwerkes im vergangenen Jahr bei steigenden Kosten stagnierte bzw. zurückging, musste rund zehn Mitarbeitern gekündigt werden. Vier Filialen in Zittau, Bautzen, Görlitz und Dresden wurden geschlossen.
Nur zu 80 Prozent ist die Kapazität des Fleischwerkes ausgelastet. 13 Filialen werden von hier aus beliefert. Der Renner ist die Löbauer Bockwurst. Die gibt es in allen ostdeutschen Kauflandfilialen. „Uns muss es gelingen, hier noch zwei oder drei weitere Artikel unterzubringen. Aber dabei wird buchstäblich um einen Cent gefeilscht.“
Wurst liefern die Löbauer seit der EU-Erweiterung auch nach Polen. Bei Real wird sie in Zgorzelec verkauft und bei Kaufland gibt es in der polnischen Stadt schon sechs Wurstprodukte aus Löbau. Eine deutsche Handelskette vertreibt Löbauer Kochschinken und Bockwurst aber auch über ein Zentrallager in Stuttgart in Baden-Württemberg. Der am weitesten entfernte Stammkunde für Wurst aus der Stadt am Berge befindet sich allerdings in Spanien. In Torrevieja leben viele Deutsche, die auf den Geschmack der Spezialität aus der Oberlausitz gekommen sind. Beim vom dortigen Radiosender kürzlich organisierten Schlachtfest war schon zu Mittag die geplante Verkaufsmenge des Tages vergriffen. Doch das Auslandsgeschäft wiegt die Verkaufsverluste im eigenen Land nicht auf, so der Geschäftsführer des Löbauer Fleischwerkes.