Neue Ideen für Bischofswerdas ältestes Geschäft

Bischofswerda. Die für den 8. Mai geplante Jubiläumsfeier mit Saxophon- und Klaviermusik in ihrem Geschäft für Weine und Spirituosen muss Fanny Gesine Francke wegen Corona verschieben. Sie nimmt es gelassen. "An unserem Geschäft zog schon Napoleon vorbei", sagt sie souverän.
Das war im Mai 1813, als sich der Kaiser und Kriegsherr auf dem Rückzug von seinem Russland-Feldzug befand. Bischofswerda ging damals in Flammen auf. Doch die Stadt rappelte sich wieder auf. Und mit ihr das 18 Jahre zuvor von Friedrich Gottlob Francke gegründete Kolonialwarengeschäft mit Weinhandlung.
"Wir werden jetzt auch Corona überstehen", sagt die heutige Inhaberin eines der ältesten Geschäfte in Sachsen. In diesem Mai befindet sich das jetzige Fachgeschäft für Weine und Spirituosen seit 225 Jahren in Familienbesitz.
Neue Weine und erste Veranstaltungen
Fanny Francke hat es vor knapp einem Jahr von ihrem Vater Friedrich Günther Francke übernommen. Ihr erstes Jahr hinterm Ladentisch sei sehr gut gelaufen, sagt sie. Sie nahm neue Weine ins Sortiment, vor allem aus Frankreich, Italien und Deutschland, erweiterte das Rum-Angebot um exklusive Marken, führte zu den Themen Wein und Whisky Veranstaltungen durch und gewann neue Kunden. Bis zum Ausbruch der Corona-Krise habe sie wachsende Umsätze verbuchen können, berichtet die 46-Jährige.
Um das Familiengeschäft weiterzuführen, gab die studierte Germanistin ihren Job in Dresden auf. Dort hatte sie sich zuletzt in einer IT-Firma um Marketing und Vertrieb gekümmert. Frühere Arbeitsstationen waren für sie unter anderem die Universität im serbischen Novi Sad, wo sie nach dem Studium ein Jahr lang Deutsch unterrichtete, und das Osteuropa-Institut an der TU Dresden. Eine Frau mit internationalen Erfahrungen. Und nun das beschauliche Bischofswerda?
Für Fanny Francke ist es eine Rückkehr. Sie habe diese Entscheidung bisher nicht bereut, sagt sie. Die Menschen in Bischofswerda seien sehr freundlich und offen. Es gehe "etwas gemütlicher" als in einer Großstadt zu. Auch das kann manchmal ein Vorteil sein.
Hinzu kommt: Ihr Fachgebiet gibt Raum, sich weiterzuentwickeln. "Beim Wein lernt man nie aus", sagt sie. Wein und das Weintrinken müsse man entdecken. Auch ihre Kundschaft möchte sie verstärkt zu dieser Entdeckungsreise einladen.

Und noch einen Vorteil der Selbstständigkeit hat sie in ihrem ersten Jahr schätzen gelernt: "Man kann selbst entscheiden und trägt dafür die Verantwortung." Mit Ideen und Mut könne man es auch in einer Kleinstadt schaffen, ein Geschäft erfolgreich zu betreiben, ist Fanny Francke überzeugt. Sie selbst sei überrascht gewesen, wie viele kreative Leute und Initiativen es in Bischofswerda gibt. So etwas motiviere auch sie, sich in Aktionen der Stadt einzubringen.
Schön wäre es, wünscht sie sich, es würden sich weitere Leute finden, die ein Geschäft in der Stadt eröffnen. Ein Weg dorthin könnten Ladenlokale sein, in denen sich junge Leute mit ihrer Geschäftsidee ausprobieren können.
Franckes leben ihre Familientradition. Das beginnt bereits bei den Vornamen. Fast alle Inhaber des Geschäftes trugen oder tragen zwei Vornamen, die mit den Buchstaben F und G beginnen. Mit Fanny Gesine Francke steht jetzt die sechste Generation im Geschäft. Sie ist überzeugt, dass es möglich ist, an der Tradition festzuhalten und zugleich Neues einzubringen. "Tradition zu bewahren, heißt ja nicht, dass alles so bleiben muss, wie es ist", sagt sie.
Tresen ersetzt Ladentisch
Erste Veränderungen sind schon zu sehen. Im Geschäft steht jetzt ein hoher Tisch, an dem man stehen oder auf einem Hocker sitzen kann. Neben einem Laptop stehen darauf auch immer einige Flaschen zum Verkosten. Weiteres soll folgen. Fanny Francke will renovieren und einen Teil des Ladentisches durch einen Tresen ersetzen. Sie plant den Ausschank von Kaffee und Weinen, will das Geschäft in der Perspektive einmal in der Woche zu einem Ort machen, wo sich Bischofswerdaer nach der Arbeit zu einem Glas Wein treffen können.
Das Angebot an sächsischen Weinen möchte sie ausbauen. Auch ein Online-Handel ist, ergänzend zum Ladenlokal, geplant. Schon seit der Zeit, als ihr Vater das Geschäft führte, wurden Kunden auch zu Hause beliefert. Diesen Service gibt es weiterhin.
Bei der Entwicklung ihres Sortimentes achte sie auf die Balance von Angeboten für den Alltag und von speziellen, exklusiven Getränken, sagt Fanny Francke. Schon seit DDR-Zeiten genießt das Geschäft in der Region den Ruf, dass man dort fündig wird, wenn man etwas Besonderes sucht. Was nicht am Lager ist, wird rangeholt. Das hat sich bis nach Sebnitz, Bautzen und Radeberg herumgesprochen.
Und die Inhaberin hat noch einen Plan: Die legendäre Glocke, die wegen ihrer Lautstärke dem Laden den Spitznamen Bimpel-Francke (Bimmel-Francke) eingebracht hat, soll irgendwann an die Geschäftstür zurückkehren. Auch so kann man Tradition bewahren.
Ein Blick in die 225-jährige Geschichte des Geschäfts:
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