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Bischofswerdaer Friseurchef: Mindestlohn bringt Probleme

4500 Menschen im Kreis Bautzen brauchen trotz Arbeit staatliche Hilfe. Ein Umstand, den die Gewerkschaften nicht hinnehmen wollen.

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Von Heiko Engel und Ingolf Reinsch

Hartmut S. (Name geändert) hat eine Vollzeitstelle im Handel – nur leben kann er davon nicht. „Ich verdiene bei einer 40 Stunden-Woche etwas über 600Euro netto im Monat.“ Der 27-Jährige könnte ohne einen Zuschuss vom Amt für Arbeit und Soziales Miete und Rechnungen nicht bezahlen. Die Behörde stockt deshalb das Einkommen des Mannes mit 200Euro im Monat auf.

Handwerk fürchtet Jobverluste

Hartmut S. ist nicht der Einzige, der zusätzlich ALG II erhält, um über die Runden zu kommen. Im Landkreis waren im Dezember 4500Menschen betroffen. „Der Mindestlohn wäre eine gute Sache“, sagt Hartmut S. „Etwa 900Euro netto müssten es sein.“ Aber der junge Mann ist froh, überhaupt arbeiten zu können. „Ich habe mich lange ohne Erfolg bei vielen Firmen beworben.“

An Menschen wie Hartmut S. denkt Bernhard Sonntag, Ostsachsen-Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), wenn er sich für einen gesetzlichen Mindestlohn stark macht. Den Verlust von Arbeitsplätzen fürchtet er nicht. Betroffen von der Regelung wären vor allem regional tätige Firmen. Und die würden wegen des Mindestlohns keine Kapazitäten abbauen. Stattdessen würde die Konjunktur angekurbelt. „Arbeitnehmer haben mehr Geld“, so der Gewerkschafter.

Tino Herrmann, Geschäftsführer der Friseur- und Kosmetik GmbH Bischofswerda und zugleich Vizepräsident des bundesweit agierenden Verbandes der Friseurunternehmen e.V., sieht es anders: „Ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn würde uns vor große Probleme stellen. Es ist nicht so, dass wir nicht mehr zahlen wollen. Aber die wirtschaftliche Lage gibt es nicht her.“ Mit rund 90 Mitarbeitern gehört der Bischofswerdaer Betrieb zu den großen in der Branche. Durch die Steuergesetzgebung und die Schwerbehindertenabgabe seien größere Friseurbetriebe schon jetzt im Nachteil. Ein Mindestlohn würde Arbeitsplätze vernichten und die Schwarzarbeit begünstigen, ist sich Tino Herrmann sicher. „Um mehr zahlen zu können, müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.“ Bessere Wege sind aus seiner Sicht Kombilohnmodelle, bei denen der Staat einen Zuschuss gibt, eine Erhöhung der Pauschalregelung von zurzeit 400 auf 600 oder 800 Euro und eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Dienstleistungen von 19 auf sieben Prozent.

Schutz vor Billiganbietern

Mindestlöhne seien dort richtig, wo ausländische Billiganbieter auf den deutschen Markt kommen wollten, sagt Viktor Brechel, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Als Beispiele nennt er das Baugewerbe und die Gebäudereiniger-Branche. „Ansonsten muss die Lohngestaltung Sache von Gewerkschaften und Arbeitgebern bleiben.“

Landrat Michael Harig (CDU) spricht sich für einen einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn aus, der inklusive von Sozialleistungen oberhalb des Sozialhilfeniveaus liegt; Harig: „Denn Arbeit muss sich lohnen.“ Sollte dies nicht erreichbar sein, müsse der Staat Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Regelung von Vergütungen „nach geübter Praxis“ weiterhin überlassen.