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Bischofswerdas versteckte Baustelle

Unterm Dach des Kirchgemeindehauses bekommen junge Leute mehr Platz. Sie wissen ihn gut zu nutzen.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Normalerweise sitzen sie auf bequemen Sofas aus zweiter Hand und reden über das, was sie gerade bewegt. Zwei „Extreme“, wie sie es nennen, waren das neulich: der Bestseller Harry Potter und die Bibel. Die Mitglieder der Jungen Gemeinde debattierten darüber, warum beide Schriften weltweit eine so große Rolle spielen. Wie es kommt, dass sie von so vielen Menschen gelesen werden? Und warum ist trotz der Resonanz das eine mit dem anderen nicht vergleichbar? Diskutiert wird bei den jungen Leuten jetzt auch, nur auf ihren Sofas im Raum der Jungen Gemeinde unterm Dach des Kirchgemeindehauses können sie dafür zurzeit nicht sitzen, weil gebaut wird. Niemand sieht das von draußen. Eine versteckte Baustelle, über die sich die Jugendlichen selbst am meisten freuen. Inzwischen suchen sie sich gern Alternativen für ihre Treffen.

Zwischen 13 und 19 Jahren jung sind die Mitglieder der Jungen Gemeinde. Wenn sie sich freitags ab 19 Uhr treffen, gibt es immer eine Andacht. Langweilig ist das nicht. Wie bei Harry Potter und der Bibel suchen sie sich das Thema, für das sie die Andacht nutzen möchten, ja selbst aus. Sich darauf vorzubereiten und dann die Gedanken auszutauschen, macht ihnen Spaß. Jugendleiterin Magdalena Jährig sagt, dafür kommen sie zum Ende der Woche so gern hier zusammen: „Jeder in unserer Gruppe findet seinen Platz. Wir entwickeln uns in der Gemeinschaft weiter.“ Gemeindepädagogin Gabriele Schulze ist dabei, gibt aber nicht den Rahmen vor. Doch ihre Sichtweise sei interessant, „weil sie ja älter ist als wir alle“, sagt Magdalena.

Der harte Kern

Acht Mitglieder hat die Junge Gemeinde Bischofswerda zurzeit. Ein harter Kern, auf den sie stolz sind, für den zu planen „echt Spaß macht“, meint auch Lena Kokotz. Die Jugendlichen kommen aus unterschiedlichen Orten und lernen an verschiedenen Schulen in Bischofswerda und der Region. Aber niemand ist verpflichtet, jeden Freitagabend da zu sein. Als Leiterinnen der Gruppe wünschen sich Magdalena und Lena natürlich, dass sie ihr Programm so spannend machen, dass immer alle da sind. Neue Mitglieder begrüßen sie auch gern. „Dafür muss man nicht in der Kirche sein“, sagt Sophia Düring.

Unterm Dach des Kirchgemeindehauses hat die Jugendgruppe der Vereinigten evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Bischofswerda schon länger ihren Raum, Daran schließt sich der unausgebaute riesige Dachboden an. Bisher wurde er nur genutzt als Lager und zum Tischtennisspielen, wenn es nicht zu kalt oder heiß ist da oben. In ihrem Treffpunkt hatten es sich die jungen Leute gemütlich gemacht mit den Sofas, die zu Hause nicht mehr gebraucht wurden. Dass dort nun für sie gebaut und alles noch ein bisschen komfortabler wird, sei nicht selbstverständlich, finden Magdalena, Sophia und die anderen.

Schrittweise Modernisierung

Das Kirchgemeindehaus am Kirchplatz wird nach und nach modernisiert. Im vergangenen Jahr gab es ein neues Dach und es wurde ein behindertengerechter Zugang angebaut, finanziert jeweils aus Eigenmitteln der Gemeinde und Fördermitteln. So läuft es jetzt auch bei den neuen Räumlichkeiten für die Junge Gemeinde. Reichlich 40 000 Euro wird der Umbau kosten. Etwa die Hälfte kann die Kirchgemeinde aus Rücklagen oder aus Spenden selbst bezahlen, die andere Hälfte kommt von der Landeskirche. Die jungen Leute bekommen dafür unterm Dach Toiletten und eine komfortablere Heizung. Die Elektrik wird erneuert und ein Teil des Dachbodens wird ausgebaut für eine kleine Küche.

Darauf freuen sie sich die Jugendlichen sehr. Gemeinsam zu kochen und zusammen zu essen, ist ihnen wichtig. „So wie Jesus es wichtig war, das Brot mit anderen zu teilen“, sagen sie. Bisher nutzten die jungen Leute die Küche im Erdgeschoss des Kirchgemeindehauses zwei Stockwerke weiter unten und den Tisch im Gesprächsraum oder Luthersaal. Das ging, aber „so gemütlich war es da nicht“, finden Magdalena und Sophia. Nun bauen seit einigen Wochen mehrere Firmen aus der Region unterm Dach und bald soll alles fertig sein.

Freitags trifft sich die Junge Gemeinde im Kirchgemeindehaus. Gerade wird die gemeinsame Zeit auch genutzt, um den Weihnachtsgottesdienst mit Krippenspiel vorzubereiten. Aber oft findet man die Jugendlichem auch mitten in der Kirchgemeinde. Sie sind bei Gottesdiensten dabei und bereiten sie vor, begleiten Kinder zur Sternwanderung oder gestalten Konfirmanden-Rüstzeiten mit. Verabredet wird sich vielmals über WhatsApp. Dass die jungen Leute auch über Jesus Christus reden, versteht sich von selbst. Aber nicht, weil sie müssen. „Zur Konfirmation haben wir Ja gesagt zu einem Leben mit Gott. Wir versuchen uns nun klar zu machen, was das für uns bedeutet. Uns ist das wichtig, denn Glauben ist ein lebenslanger Lernprozess“, sagt Magdalena.