Von Jürgen Birkhahn
Die Tore des einstigen Dachplattenherstellers am Niederauer August-Bebel-Platz sind verschlossen. Die Firma Bituwell hat die Produktion von Wellplatten, Schindeln und Dachbahnen aus Bitumen eingestellt. Das Gelände hat einen neuen Eigentümer, der mit dem Kauf zahlreiche Altlasten übernommen hat.
Offiziell spricht man von strukturellen Veränderungen. „Das Unternehmen konzentriert seine Produktion auf nur noch eine Standort“, sagt Lothar Keßner, der als Betriebsleiter die Geschäfte in Niederau führte. „Bereits seit April erfolgt die Produktion in Colditz bei Leipzig“, sagt Keßner. Im Dorf wird indes von einer Zwangsversteigerung gesprochen. Banken hätten ihre Ansprüche geltend gemacht.
„Die Zwangsversteigerung hat es tatsächlich gegeben“, sagt Ex-Betriebsleiter Lothar Keßner auf Nachfrage. Allerdings liege sie schon länger zurück und bezog sich auf das Gelände, dass von einer Schweizer Grundstücksgesellschaft erworben wurde. Die hat ihren Sitz in Schutterwald, wo auch die Firma Gutta angesiedelt ist, die nach Auslaufen des Mietvertrages von Bituwell den Betrieb nahe dem Niederauer Bahnhof übernommen hat. Seit Wochen herrscht hier Ruhe und damit auch saubere Luft.
Eigentümer in der Pflicht
Die Niederauer freut es, gab es doch in den vergangen Jahren immer wieder Kritik an der Firma, weil von der Produktionsanlage Gestank ausgegangen sei. „Es gab Tage, da konnte man es vor Gestank nicht aushalten“, sagt ein Anwohner. Keßner, der schon als Betriebsleiter des Niederauer Ablegers zugleich Geschäftsführer der Pappenfabrik in Munzig war, bestätigt, die einstige Kritik an dem Betrieb und sagt, dass er selbst froh ist, dass der Standort aufgelöst wurde. Doch ein Problem bleibt: Das Fabrikgelände ist voller Altlasten, wie eine Untersuchung des Umweltamtes der Kreisverwaltung schon im März 2004 belegte. Mitarbeiter des Amtes hatten sich vor Ort umgesehen und vom Betrieb eine genauere Untersuchung gefordert. Das Unternehmen ging damals allerdings aus Kostengründen in Widerspruch. „Das konnten wir uns doch gar nicht leisten“, sagt Keßner. Schließlich seien die Altlasten ja nicht von der Firma verursacht worden, sondern stammen noch aus DDR-Zeiten. Dazu gehören Schadstoffe aus dem Umgang mit Teer sowie Phenole.
Nach Auskunft des Landratsamtes muss sich nun der neue Eigentümer um die Altlasten kümmern. Wie Eberhard Franke, Pressesprecher der Kreisverwaltung sagte, habe das Regierungspräsidium Bituwells Widerspruch zurückgewiesen. Die Pflicht zur Erkundung des Geländes gelte auch für den neuen Eigentümer, allerdings nicht die damalige Anordung des Landkreises. Man habe zunächst mit dem neuen Eigentümer Gespräche geführt, Akteneinsicht gewährt und eine Ortsbesichtigung vorgenommen. „Was daraus wird ist noch offen“, so Franke.
Warum die sich die Firma aus Baden-Württemberg für das Gelände entschieden hat, war nicht zu erfahren. Ein eingesetzter Verwalter verweist an die Geschäftsleitung von Gutta. Doch die war gestern nicht zu einem Gespräch bereit. „Wir rufen Sie innerhalb der nächsten vier Wochen zurück“, hieß es knapp.
Die Niederauer sind in Lauerstellung. Anwohner hoffen, dass es hier nicht wieder zu einer großen Produktion kommt. Sie fürchten um die Attraktivität ihres Wohnstandortes. „Das Gelände befindet sich mitten in einem Wohngebiet. Immer mehr Leute haben sich hier ein schönes Haus hingesetzt“, sagt Keßner, der sich nicht vorstellen kann, dass hier wieder ein Industriebetrieb seine Tätigkeit aufnimmt. Das soll er vielleicht auch gar nicht. Insider sprechen von Marktverdrängung, die zum Verschwinden von Bituwell geführt habe. Denn die Gutta GmbH wartet unter anderem genau mit den selben Produkten auf, wie Bituwell. Da es aber keine konkreten Bemühungen einer Übernahme gegeben habe, bleibt diese Version ebenso reine Spekulation wie die Pleite von Bituwell. Schon vor Jahren machte das Unternehmen Schlagzeilen wegen Konkursverschleppung.
Produktion in Colditz
Nach den Worten von Keßner, produziere man in Colditz weitaus mehr, als zuvor in Niederau. Freilich nicht mit allen 15 Mitarbeitern, die zuvor in Niederau waren. „Es hatte aber jeder die Möglichkeit, zu wechseln“, sagt Keßner.Im Landkreis Meißen ist das Unternehmen nach wie vor mit einem Betrieb in Munzig präsent. Hier erfolgt heute neben der Kartonagenproduktion der Vertrieb von Bitumproduktenaus dem Colditzer Werk.