Blasen gegen den Blues

Linz. Es ist 18 Uhr. Die Glocken der Kirche lassen ihr Abendgeläut erklingen. Auf dem Hof der Boys im ehemaligen Gutsgelände stehen schon zwei Notenständer bereit. Mutter Maika holt ihre Posaune, Vater Matthias und Tochter Nele spielen Trompete. Dann kommt noch Sohn Bruno mit einem Bariton - dem Instrument, das einer Tuba ähnelt. Wenn der letzte Ton der Glocken verklungen ist, legen sie los.
Seit 20. März geht das jetzt jeden Abend so. Sollte es regnen, spielen die Vier unterm Carport. "Nur am Karfreitag und Karsamstag haben wir nicht geblasen", sagen die Linzer. An einem Sonntag spielten sie auch vor der Schönfelder Seniorenresidenz.
"Wir folgen mit unserem Musizieren einem Aufruf der sächsischen Posaunenchöre", erklärt Maika Boy. "Musik vom Balkon" könnte man das in Anlehnung an ähnliche Aktionen nennen. Posaunenchöre dürfen wegen der Corona-Maßnahmen derzeit nicht zusammen spielen. Doch Hausmusik ist erlaubt.
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Mit dem bekannten Lied "Freude schöner Götterfunken" geht es jeden Abend los. Dann folgen unterschiedliche vierstimmige Melodien: Volkslieder, Evergreens, auch Choräle. Den Abschluss bildet jedes Mal das kirchliche Stück "Bleib bei mir, Herr". 15 bis 20 Minuten dauert die Abendunterhaltung.
Als Zuhörer haben es sich nicht nur die Eltern von Matthias Boy, die mit auf dem Hof wohnen, gemütlich gemacht. Auch an der Straße finden sich allabendlich treue Fans ein. "Wir haben anfangs tatsächlich auf unserem Balkon auf der anderen Hausseite gespielt, aber da hat man uns nicht so gehört", sagt Maika Boy. Auf dem Hof klingt alles viel besser.
So manche Tür, so manches Tor in der Nachbarschaft ist für das kleine Konzert aufgegangen. Auch Rebekka Stähling ist mit ihrem Hund und dem einjährigen Konstantin gekommen, Melissa (4) fuhr auf ihrem Fahrrad schon voraus.
"Wir lieben Musik, und wir hören die Boys auch von unserem Hof aus", sagt die junge Mutter. Doch schöner sei es, eine Abendrunde direkt am Grundstück vorbei zu drehen. Melissas Lieblingslied "Alle Vöglein sind schon da" wird an diesem Abend auch wieder gespielt. Und dann "Horch, was kommt von draußen rein".
Mittlerweile haben sich noch zwei weitere Mütter mit Kleinkindern dazugesellt. "Es klingt einfach schön, so mehrstimmig", sagt Rebekka Stähling begeistert. Seit den Hofkonzerten würde Töchterchen Melissa auch zu Hause am liebsten Blasmusik hören. Ein Mal kam ein älterer Nachbar dazu und spielte Mundharmonika. Das hat sich im Dorf herumgesprochen.
Die Boys bleiben durch das allabendliche Blasen in der Übung. "Am Donnerstag hätten drei von uns normalerweise Probe im Linzer Posaunenchor", sagt Maika Boy. Am Montag und Dienstag wäre Chorprobe gewesen, und mittwochs geht das Ehepaar für gewöhnlich im Großenhainer Alberttreff tanzen.
"Sonst waren unsere Abende gut gefüllt, jetzt haben wir nichts weiter vor", begründen die Linzer, warum sie tagtäglich durchhalten. Selbst die elfjährige Nele kann das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Sie hat in der Musikschule Trompete spielen gelernt und qualifiziert sich gerade, auch mal im Posaunenchor mitzublasen.