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Blitzen mit Ansage

Man nennt sie Abzocker und ihre Methoden unfair. Zu Unrecht, sagen die Verkehrsüberwacher vom Kreis.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

René Meyer will nicht unfair sein. Es ärgert ihn sehr, wenn ihm das jemand unterstellt. Wenn ihm einer beim Vorbeifahren den Stinkefinger zeigt oder sogar anhält und ihn beschimpft. René Meyer ist Verkehrsüberwacher beim Landratsamt. Er nimmt es sehr persönlich, dass sein Job einen derart schlechten Ruf hat. Dabei tut er doch alles dafür, dass ihm das keiner nachsagen kann. Gerade beweist er es wieder an der B 6 in Plotzen. Die kurze Ortsdurchfahrt dort ist Blitzerschwerpunkt Nummer zwei im Kreis Bautzen – nach der Hauptstraße in Rammenau.

Auffälliger hätte er das Blitzerfahrzeug nicht abstellen können. Wie auf dem Präsentierteller steht der dunkelblaue Škoda Roomster BZ-XH 70 am Straßenrand. Sollen die Leute ihn doch sehen! Die Kunst ist, das Auto haargenau parallel zur Fahrbahn abzustellen. René Meyer holt die Schmiege und misst den Abstand zur weißen Fahrbahnbegrenzungslinie: Hinterrad – 95 Zentimeter; Vorderrad – 98 Zentimeter. Der 40-Jährige grinst. „Auf Anhieb“, freut er sich und erklärt, dass die Vorderachse sechs Zentimeter kürzer ist als die hintere, weshalb das Vorderrad drei Zentimeter weiter innen steht. Das muss er beachten. Denn das sind so die kleinen Feinheiten, die die Anwälte interessieren, wenn ein Geblitzter partout vor Gericht ziehen will.

René Meyer stellt die Kamera ein. Er wird die Fahrzeuge messen, die ihm ortseinwärts aus Richtung Bautzen entgegenkommen. Er steht ziemlich in der Ortsmitte. Er lässt den Fahrzeugen immer mindestens 150 Meter Platz vom Ortseingangsschild. Das ist fair. Es würde ihn auch nicht interessieren, ortsauswärts zu messen. „Es geht doch um die Verkehrssicherheit und nicht um die Einnahmen“, sagt er. Er steht hier, weil Anwohner und der Bürgermeister darum gebeten haben. Man glaubt gar nicht, wie viele Bitten und Anfragen von überall her kommen.

Teure Fotos für Andy Borg

Für die Ortsdurchfahrt in Plotzen gelten 50 km/h. René Meyer stellt die Kamera so ein, dass sie erst ab 60 km/h auslöst. Auch das ist fair. Er macht zwei Probefotos. Dann kann es losgehen. In den Verkehrsnachrichten haben sie seinen Standort noch nicht gemeldet. Das wundert ihn ein bisschen. Manchmal ist er noch beim Aufbauen, da hört er sich schon. Jetzt ist nur von Sohland, Wurbis und Nebelschütz die Rede. Die Kollegen sind heute alle im Einsatz – drei dunkelblaue Škoda Roomster und die „Tonne“, das Blitzgerät, das wie eine Mülltonne am Straßenrand steht.

Zack! Den Ersten hat’s erwischt: Der dunkelblaue Passat ist das 38. Fahrzeug, das die Messstelle passiert, seit der Blitzer scharf gestellt ist. Das Messgerät zeigt 66 km/h an. Drei werden abgezogen, bleiben 63. Macht 25 Euro Verwarngeld. Am Handgerät prüft René Meyer immer gleich das Foto. Alles gut zu erkennen, alles in Ordnung. Er könnte hier nichts verändern oder womöglich das Foto eines Freundes oder Verwandten löschen. Alle Bilder werden codiert und durchnummeriert. Manipulationen sind ausgeschlossen. Egal, wer da geblitzt wird. Auch Andy Borg ist schon in Meyers Fotofalle gefahren. Die „besonderen“ Bilder sammeln die Kollegen in einer Mappe. Da ist auch das Foto vom Alfa-Romeo-Fahrer drin, den René Meyer mit 140 km/h an der B 6 bei Fischbach geblitzt hat. In der 70er-Zone! Vier Punkte in Flensburg, 440 Euro Bußgeld und zwei Monate Fahrverbot. Da muss niemand Mitleid haben. Ein Lkw hupt im Vorbeifahren. Kollegen von der Straßenmeisterei winken. Ein Audi-Fahrer grinst.

René Meyer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Erst beim 51. Fahrzeug löst der Blitzer zum zweiten Mal aus: 64 km/h, macht wieder 25 Euro. Nach einer Stunde und fast 300 Fahrzeugen blitzt es erst zum sechsten Mal. Es sieht nicht gerade nach einer reichen Ausbeute aus. „Ist doch gut so“, sagt Meyer. Nach zwei Stunden werden von 484 gemessenen Fahrzeugen nur acht zu schnell gewesen sein, keiner schneller als im 25-Euro-Verwarngeld-Bereich. Ist das etwa kein Erfolg für die Anwohner von Plotzen?

Neunmal schon hat der Blitzer hier gestanden seit Jahresbeginn. Beim letzten Mal Mitte März sind 13 Prozent zu schnell gefahren. Solche Quoten sind es regelmäßig auch in Rammenau. Da waren die Kollegen dieses Jahr schon elfmal im Einsatz. Beim letzten Mal lag die Quote nur noch bei 2,66 Prozent. Trotzdem haben die Blitzer der Kreiskasse im ersten Quartal schon mehr als eine halbe Million eingebracht.

René Meyer packt zusammen. Jetzt erst melden sie den Standort Plotzen im Verkehrsfunk. Sollen sie ruhig.

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