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Blumen zum Gedenken anVerstorbene

Sonntag ist Totensonntag. Ein Besuch des Friedhofs ist auch ein Gang durch die frühere Geschichte der Menschen dieser Stadt.

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Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Der Großenhainer Friedhof ist mehr als eine Begräbnisstätte. „Wie von selbst verlangsamt sich der Schritt, wenn man im Schatten der teils mächtigen Bäume die Wege entlang geht“, schrieb einst Pfarrer Hans Wilzki. Tatsächlich gleicht die Anlage einem Bilderbuch vom Leben der Menschen vor unserer Zeit. Grabmale verraten die einstige soziale Struktur der Stadt und ziehen die Blicke der Betrachter an.

Vor neun Jahren gelang es der Diakonie, einen Friedhofsführer zu erstellen. Damals war das Sozialunternehmen Arche mit Arbeiten an stark verwitterten historischen Gräbern beauftragt worden. Parallel dazu erforschten zwei Frauen die Familiengeschichten dazu. Von diesem Wissen kann der Besucher noch heute profitieren.

Keine pompösen Monumente

Viele Berühmtheiten fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Großenhainer Friedhof: Bibliotheksgründer Karl Benjamin Preusker, Kirchenmusikdirektor Paul Gläser, Stadtchronist Chladenius oder der bedeutende Antiquitätensammler Luis Richard Zschille. Ganze Industriellendynastien wie die Eckhardts, die Zschilles, die Buchwalds oder die Casparis haben hier ihre den jeweiligen Zeitgeschmack repräsentierenden Grüfte. Beim Vorbeigehen studiert man die Namen, liest die Geburts- und Sterbedaten. „Diese Gräber haben Bestandsschutz, auch wenn keine Angehörigen mehr für die Pflege da sind“, sagt Friedhofsmitarbeiter Jens Heinert. Auffallend pompöse Gräber sucht man auf dem hiesigen Friedhof jedoch vergeblich. „Auch das Besitzbürgertum fühlte sich dem eher schlichten Leben der Kleinstadt verpflichtet“, so Hans Wilzki.

Heute scheint das nicht mehr generell der Fall. Neue Familiengrabstätten wurden gekauft, die Schlichtheit gelegentlich vermissen lassen. Die Friedhofsordnung gibt jedoch gewisse Regeln vor, Steinmetze müssen die Grabsteine genehmigen lassen. „Gold- und Silberinschriften sollten vermieden werden, ebenso auf Hochglanz polierte Grabsteine“, sagt Jens Heinert. Beton- und Steineinfassungen, Kies und Steinplatten auf den Gräbern werden nicht erlaubt. Die Friedhofsordnung wurde erst im Oktober im städtischen Amtsblatt der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Sektor I sind sogar sechs Mustergrabseine aufgestellt. Zwei hölzerne sind geschmackvoll, natürlich.

Manchmal verraten Gräber besonders Tragisches. Im Quartier K liegt Familie Römer begraben. Neun Namen werden auf dem tafelartigen Grabmal genannt. Sie wurden umgebracht. Karl August Joachim Römer war Tuchfabrikant an der Meißner Straße, der späteren Elmo. Die Römervilla ist neu heute ein Begriff – es ist das leer stehende ehemalige Kulturhaus. Römer war ein fanatischer Nationalsozialist. Als 1945 die Rote Armee Großenhain erreichen sollte, erschoss er seine Frau, die fünf Kinder und deren Erzieherin, seine Schwiegermutter und anschließend sich selbst.

Andacht am Totensonntag um 15 Uhr