Das Ausmaß der Kriminalität in seiner Stadt ist schockierend. Mit diesen Worten hat sich Bogatynias (Reichenau) Bürgermeister Wojciech Blasiak Anfang des Jahres in einen Brief an das Polizeipräsidium und die Abgeordneten im polnischen Parlament gewandt. Dieser erreichte auch das Portal bogatynia.info.pl. Dazu nannte er die Inhaftierungen von ehemaligen und aktuellen Polizisten und Personen, die öffentliche Funktionen ausüben, genauso wie Diebstähle, Raubüberfälle und andere Ereignisse im vorigen Jahr. Bewohner machten sich nicht nur Sorgen um ihr Eigentum, sondern auch um ihr Leben und das ihrer Angehörigen, so Wojciech Blasiak. Die Situation werde durch die unzureichende Zahl an Polizisten und das begrenzte Vertrauen in die örtlichen Beamten verschärft. Der Bürgermeister forderte in seinem Brief weitere Schritte zur Verbrechensbekämpfung in der Region, auch wenn er sich der Personalprobleme in der Polizei bewusst sei.
558 Straftaten in 2017 gemeldet
Die Zahl der Straftaten lag 2017 in Bogatynia bei 558. Pro 1.000 Einwohner bedeutet das knapp über 31,3 gemeldete Fälle. Dieser Wert ist viel höher als der für die Woiwodschaft Niederschlesien und der Durchschnitt für ganz Polen. Die Aufklärungsrate hingegen liegt deutlich darunter. Beispielsweise konnten bei Wirtschaftsverbrechen nur in 60 Prozent der Fälle Täter ermittelt werden, landesweit in 88 Prozent. Daten für 2018 gibt es nicht.
Zu den häufigsten Straftaten zählen Diebstähle, Bestechung, Drogenproduktion und -handel sowie Verkauf von Zwischenprodukten. Zu Letzerem zählen Drogen, die in großer Zahl in polnischen Apotheken gekauft werden und entsprechende Wirkstoffe enthalten.
Voriges Jahr ließ die Bezirksstaatsanwaltschaft in Jelenia Góra sogar zwei Beamte der Polizeistation in Bogatynia sowie einen ehemaligen Beamten festnehmen. Sie sollen Teil einer kriminellen Bande gewesen sein, die an Drogenproduktion und -handel beteiligt waren. Zudem werden sie beschuldigt, Strafverfahren behindert und Bestechungsgeld angenommen zu haben. Wegen Nichterfüllung offizieller Pflichten.
In Haft sitzen seit Ende 2019 auch der ehemalige Vorsitzende des Stadtrats von Bogatynia und drei weitere Personen, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiteten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt sie, als Teil einer kriminellen Bande mit erheblichen Mengen Methamphetamin sowie Tabletten zur Herstellung der Droge gehandelt zu haben. Eine der Inhaftierten ist auch wegen falscher Aussagen in anderen Verfahren angeklagt.
"Die Einwohner haben immer mehr Angst um sich und ihre Angehörigen, weil es sogar Morde im Zusammenhang mit Handel und Konsum von Drogen gibt", teilt der Abgeordnete Stanisław Zuk in einer parlamentarischen Anfrage an das Justizministerium. "In dieser Region Polens hat die Kriminalität eine internationale Dimension und führt dazu, dass unser Land sehr schlecht wahrgenommen wird." Bogatynia liegt am weitesten von Warschau entfernt. "Daher ist es in dieser Region Polens sehr schwierig, Menschen zu finden, die bereit sind, als Polizist zu arbeiten", so der Abgeordnete.
Mehr Polizisten für Stadt und Gemeinde
Der Personalmangel ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. So scheiden Polizisten altersbedingt aus oder werden aufgrund von Disziplinarverfahren und Anklagen der Staatsanwaltschaft entlassen. Auch wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle, weil das Gehalt kurz hinter der Grenze viel höher ist. Die Polizeistation in Bogatynia hat eigentlich 42 Mitarbeiter. Doch derzeit sind 15 Stellen unbesetzt. "Die Situation ist äußerst dramatisch", sagt Janusz Lipski vom zuständigen Polizeipräsidium in Zgorzelec. Um die Sicherheit in Stadt und Land zu gewährleisten, "verlagert" sie Einsatzkräfte aus anderen Gebieten.
Inzwischen haben Brief und Anfragen gewirkt. Stadt und Gemeinde Bogatynia bekommen mehr Polizisten im Kampf gegen die Drogenkriminalität. So werden zusätzlich 22 Polizisten im Kreis Zgorzelec eingesetzt, davon acht bis zehn im Bereich des Kommissariats Bogatynia. Sie sollen sich um die Belange der öffentlichen Ordnung kümmern, um so das Sicherheitsgefühl für die Bevölkerung zu erhöhen. (mit kpl)