Von Franz Herz
Borges Neubauer aus Glashütte hat zu DDR-Zeiten den Dienst mit der Waffe verweigert. Dies war der mühselige Weg als Bausoldat. Er sagt: „Wenn ich den Vergleich zu heute ziehe, war es erheblich schwerer. Heute würde ich ein freiwilliges ökologisches Jahr machen und alles wäre in Ordnung. Es wird niemand gezwungen, nach Afghanistan zu gehen.“
Zu seiner Entscheidung kam Borges Neubauer in der Lehre. „Da hatte ich einen christlichen Mitschüler, Hanno Knietsch. Mit dem bin ich in Wilsdruff mit in die Kirche gegangen.“ Neubauer kam in Kontakt zur Friedensbewegung. Er traf zwei Entscheidungen, sich als Erwachsener taufen zu lassen und den Dienst mit der Waffe zu verweigern. „Der Gedanke, Menschen zu töten, kam für mich nicht in Frage“, sagt er. „Ich hatte ja viele Westverwandte. Im schlimmsten Fall hätte ich auf jemanden von ihnen schießen müssen.“ Der damalige katholische Diakon in Glashütte, Siegfried Baubkus, beriet ihn bei seinem weiteren Vorgehen. „Von ihm wusste ich, dass es die Möglichkeit der Bausoldaten gibt.“
Bei seiner Musterung Mitte der 1980er-Jahre erklärte er dann: „Ich fasse keine Waffe an.“ In seiner schriftlichen Begründung hatte er auch den Satz formuliert: Ich bin bereit, einen anderen nützlichen Dienst für mein Land zu tun. „Mir wurden Nachteile angedroht. Und die sagten mir gleich, dass ich ganz zuletzt eingezogen werde, wenn es mir gar nicht mehr passt“, erinnert er sich. So kam es. Er war 26 und seine Tochter vier Jahre alt, als er 1988 nach Walddrehna bei Cottbus einberufen wurde. Die Bausoldaten kamen aus zwei Richtungen. Die einen waren gläubig, die anderen hatten die Ausreise beantragt. „Natürlich gab es Misstrauen, dass Stasileute darunter waren.“
Nach 14 Tagen kam Neubauer nach Waren an der Müritz, wo die Bausoldaten im Betonwerk Bahnschwellen für die Reichsbahn produzierten. „Am ersten Tag, als wir ankamen, waren die Geistlichen aller Konfessionen da und begrüßten uns. Das zeigte, dass jemand auf uns achtet und wir nicht allein sind“, erinnert er sich.
Das Ende seiner Bausoldatenzeit fiel in den Herbst 1989. „Wir hatten damals Sorgen. Es gingen ja Gerüchte, dass Internierungslager vorbereitet werden.“ Und als ihre Zeit um war, durften die Bausoldaten nicht nach Hause. „Die haben uns einfach 14 Tage länger da behalten. Sie hatten wohl Angst, dass wir an unseren Heimatorten den Widerstand stärken würden“, sagt er. Die Zeit endete erst, als die Frauen der Bausoldaten nach Waren kamen und vor dem Betonwerk demonstrierten: Wir wollen unsere Männer wieder haben!
Zum 60. Jahrestag des Deutschen Grundgesetzes untersucht die SZ dessen Bedeutung im Alltag in einer Serie.