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Braune Pampe statt goldener Sand

Leipzig. Die Stadt ruiniert in Cospuden Sachsens schönsten Strand.

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Von Manfred Schulze

Irina und Grit sind fast schon alte Seehasen. Die Studentinnen kommen schon die dritte Saison ans Nordufer des Cospudener Sees im Leipziger Süden. „Sachsens schönster Badestrand“, so steht es auf Schildern, lockt auf mehr als einem Kilometer Länge. Das goldgelbe Sandmeer hier war Teil des Expo-Projektes 2000, das der staunenden Besucherwelt die Zukunft der Braunkohlelandschaft zeigen sollte und den Leipzig-Badern eine feine Wasserwelt hinterließ.

Jetzt freilich hat es damit ein jähes Ende gefunden. Der Sand hatte sich über die Jahre durch Wind und Wellen verflüchtigt, Ersatz musste her, und der ist teuer. Zu teuer fürs Leipziger Grünflächenamt, den Eigentümer. Da kam die bundeseigene Deges gerade recht, die als Generalauftragnehmer für den Bau des City-Tunnels jede Menge Sand loswerden muss – insgesamt rund zwei Millionen Tonnen. Und die auf der Deponie dafür bezahlen müsste. Grünflächenamt und Deges vereinbarten ein scheinbar geniales Nullsummen-Geschäft: Kostenloser Abfall mutierte zu kostenlosem Sand. Auf demselben liegen nun Irina und Grit – und finden das gar nicht lustig.

Bohrkerne und alte Scherben

Was sich sanft und schmiegsam anfühlen sollte, ist nach einem Gewitter erst schlammig, in der Mittagssonne dann knochenhart geworden. Und nicht gelb, sondern graubraun. Und auch nach einer eiligen Aktion mit Steinsammelmaschinen keineswegs kleinkörnig. „Sie hätten das mal am Anfang sehen sollen, das war voller scharfkantiger Brocken“, empört sich die Badenixe. „Selbst Bohrkerne und Tonscherben aus dem 11. Jahrhundert haben wir gefunden“, berichtet Pächter Christian Conrad.

Wer die Schuld am Dilemma hat, das derzeit nicht nur die Badenden, sondern auch Würstchen- und Bierverkäufer spüren, wollen die beiden Geschäftspartner lieber nicht bis ins Letzte öffentlich ausdiskutieren. „Uns wurden Proben vorgeführt, die sich gut anfühlten, und biologisch war auch alles in Ordnung“, sagt Andre Quellmalz vom Grünflächenamt. Man habe die 800 Lkws beim Abkippen ihrer Fracht nur sporadisch kontrollieren können. Die Deges sieht sich gar nicht in der Pflicht; man habe schließlich vorab Proben verschickt, die Zustimmung fanden.

Die Stadt will weiter Steine sammeln, auch pflügen, damit sich Alt und Neu mischen. Angesichts von rund 5 000 Euro Folgekosten – eingesetzt werden meist Ein-Euro-Jobber – bewertet Quellmalz die Sache immer noch als von „beachtlichem Nutzen“. Conrad aber will neuen Sand auf eigene Faust auftreiben. Er hofft auf Tagebausanierungsmittel. „Es geht um 60 000 oder 70 000 Euro, zugleich aber um die Zukunft der Investitionen hier am See“, sagt er. Den Status quo will er nicht hinnehmen, weil ringsum die neuen Strände natürlich richtigen Sand erhalten. Ob der Bauaushub als Unterlage bleiben kann, sei offen: „Wenn es nass ist, rutscht die ganze Pampe Richtung Wasser.“