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Brokkoli und Nahtod-Erscheinung

Lessing-Tage. DiePreisträger des Schreib-Wettbewerbs erlebten ein besonderes Wochenende.

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Kamenz. Nach der erfolgreichen Abschlussveranstaltung zum Schüler-Schreibwettbewerb des Lessing-Museums am 25. Februar begann für vier der sechs Ausgezeichneten ein Erlebnis, „das man sich für Geld nicht kaufen kann“. Dem Freitagabend in Kamenz folgte ein Wochenende in Berlin – der Stadt, wo Lessing sich seinerzeit den Ruf erwarb, einer der besten und kritischsten jüngeren Schriftsteller zu sein. Und wie bei Lessing ging es dort um das Schreiben und das Theater. Zwei der Preisträger haben ihre Eindrücke zu Papier gebracht.

Cornelius Hempel, Gymnasium Seifhennersdorf, notierte:

„Wir verstanden uns ganz gut, eigentlich verdammt gut. Die drei Mädchen und ich. Gleich am ersten Abend entbrannte bei Vier-Sterne-Futter im ,Goldnen Hirsch’ eine schwer philosophische Diskussion über Brokkoli und Nahtoderfahrungen, und eigentlich verbrachten wir fast das ganze Wochenende mit Diskussionen. Gelegenheit hatten wir genug, ob im Hotel, auf langen Zugfahrten oder im Café. Nur das Thema änderte sich von Zeit zu Zeit. Wir sahen am Samstag ein Theaterstück (,Kälte’) im Deutschen Theater in Berlin Kreuzberg über Rechtsextremismus. Nachher konnten wir mit den Schauspielern diskutieren. (Wir waren ja gut in Übung.) Unsere Unterkunft in Berlin war allerdings nicht mit der Vier-Sterne-Übernachtung in Kamenz zu vergleichen, aber wir mussten ja nur eine Nacht dort schlafen. Oder auch nicht, ich diskutierte (Wer hätte das gedacht?) mit ein paar Schülern aus München. Daher kam dann wohl die Übermüdung. Eigentlich erstaunlich, wie schnell so ein Wochenende vorbei ist. Aber es war auf jeden Fall unvergesslich.“

Saskia Wolff vom Goethe-Gymnasium Bischofswerda schrieb u.a.:

„Ich persönlich konnte mir gar nichts Konkretes vorstellen, was wohl bei der Auszeichnungsveranstaltung abgehen würde, meine Eltern hatten so was noch nie miterlebt. Also gingen wir entsprechend gespannt in das Kamenzer Stadttheater. Nach nettem Aufklären und ein wenig Humor, der wohl der melancholischen Stimmung der Arbeiten vorbeugen sollte, wurden die besten sechs Arbeiten vorgetragen. Mein Herz rutschte sonst wohin, als die erste Verszeile angestimmt wurde, doch dann war es richtig toll, seine eigene Arbeit zu hören. Für mich, die zum ersten Mal irgendwas gewonnen hatte (abgesehen von hässlichen Plüschviechern auf dem Rummel), war’s überhaupt ziemlich stark, dass meine Arbeit erhört und gewürdigt wird.

Nach dem Hören der Arbeiten waren die Gedanken zwar wirr und verlangten nach Ordnung, aber mein Kopf war leer. Das war wie wenn ich all meine Depri-Gedichte auf einmal lese, weil die Konzentration ja noch dazukam. Als wir fünf anwesenden Preisträger dann endlich mal auf einem Haufen waren, konnten noch mal alle Missverständnisse geklärt werden. ...

Am nächsten Morgen gings dann auf zum Bahnhof – die Metropole ruft. Im Zug gingen die intensiven Gespräche weiter. Nach ein paar Stündchen waren wir in der Hauptstadt. Da gings dann zu unserem ,Hostel’. Ein paar Runden Mau-Mau und dann fort, in die Hektik. An einer S-Bahn Station trafen wir Anne Jentsch – Studentin und ehemalige Lessingwettbewerbgewinnerin. Wir bekamen einen Einblick, wie man kreatives Schreiben lernt. Wir beobachteten Leute, schrieben auf, was wir sahen und sollen jetzt daraus einen Krimi schreiben. Auch hier vielen Dank an Anne! Uns hat es wirklich weitergeholfen, und ich sehe Leute des Alltags jetzt viel … detaillierter.

Im Deutschen Theater erwartete uns eine Führung hinter die Kulissen. Beeindruckender Fundus, mehr Männerklamotten als Frauenkleider. Das Abendessen musste schnell gehen, denn wir hatten nur noch eine knappe dreiviertel Stunde, bis das Stück anfing. Also ins nächstbeste Restaurant – und es war wirklich ein Bestes. Lecker geschnorpst, dann schnellen Schrittes zurück ins Theater. Als Letzte auf die Plätze – erste Reihe und ab ging’s. ,Kälte’. Emotionen haben sich überschlagen bei diesem großartigen Stück. Das musste man erst mal verdauen, doch dazu blieb nicht viel Zeit, ein Gespräch mit drei der vier Schauspieler wartete. Statements wurden abgegeben, nett geplauscht und festgestellt. Wir amüsierten uns intern über die indirekte Nahtoderscheinung des Stücks. Alle Gesprächsthemen waren in diesem Stück vereint gewesen, außer Brokkoli. Brokkoli wird in der heutigen Gesellschaft wirklich unterschätzt, man sollte ein Drama für ihn schreiben, denn er kann wirklich zu interessanten Konversationen beitragen!!! Solche führten wir dann auch wieder bei einem Drink.

Der Morgen war entsprechend müde und auch relativ still. Auf der Heimfahrt hing jeder noch ein bisschen seinen eigenen Gedanken nach. Wieder in Kamenz angekommen warteten die Eltern oder ein Zug nach Hause. Der Abschied viel nicht schwer, man bleibt ja in Kontakt. Wir waren schon eine verrückte Truppe. Das Wochenende war länger als zwei Wochen und interessanter als die ganze Schule.“