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Bronzezeit an der Gemauerten Mühle

Ein tschechischer Bildhauer sorgt dafür, dass zu Pfingsten die Georgewitzer Skala zu einem Ziel für Kunstliebhaber wird.

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Von Susanne Sodan

Es scheint, als würde Ladislav Hlina mit seinem Element verwachsen. Bronze. Das Gesicht ist sonnengebräunt, auf den Händen grünliche Striemen – wie die Patina auf alten Bronze-Figuren. Seit rund 40 Jahren arbeitet Hlina als Metallbildhauer. Wie viele seiner Figuren er schon verkauft hat, kann er gar nicht mehr sagen. Bernd Engelmann jedenfalls hat 21 der Figuren in seinem Garten an der Gemauerten Mühle in Georgewitz stehen. Vor Jahren machte er auf einer Urlaubsreise an Hlinas Gießerei im böhmischen Nový Bor halt. Die Figuren gefielen, Engelmann begann mit dem Sammeln. Zum ersten Mal nimmt er in diesem Jahr an der Initiative „Kunstoffen in Sachsen“ teil. Für Kunstfreunde steht sein Garten am Pfingstsonntag offen. Auch Hlina wird zu Gast sein.

Die Denkerpose braucht man nicht einzunehmen, betrachtet man die Werke des tschechischen Künstlers. Rehe, Hirsche, Pferde, Gänse, Kraniche – seine Modelle findet Hlina in der Natur. Auch mancher weibliche Akt findet sich unter seinen Figuren. „Ich halte nichts von Kunst, die ihr Thema nicht erkennen lässt“, sagt er. „Natürlich stilisiere ich auch, vor allem aber, um das Schöne zu betonen.“ So wird mancher Hals, manches Bein länger und graziler als die Natur vorgibt. „Hätte es mit der Bildhauerei nicht geklappt, wäre ich wohl Tierarzt geworden.“

Tatsächlich stand der Traum auf der Kippe. 1968 – Hlina hatte das Abitur und eine Ausbildung gemacht und gerade den Wehrdienst hinter sich gebracht, da marschierten sowjetische Truppen in die damalige Tschechoslowakei ein. „Unter den jungen Leuten fand diese Aktion ohnehin keinen Rückhalt. Und ich war noch aus einem ganz anderen Grund unzufrieden“, erzählt Hlina. Nach seinem Militärdienst hatte er sich in Prag für ein Kunststudium beworben – und war abgelehnt worden. „Allerdings bekam ich damals eine Reisegenehmigung in die BRD für zwei Wochen.“ Aus zwei Wochen wurden 22 Jahre. „Das war keine Flucht damals. Ich war einfach unzufrieden.“

Hlina ging nach Köln, arbeitete dort zunächst als Bleiverglaser. „Abends lernte ich Vokabeln. Am nächsten Tag habe ich sie angewandt und mich gefreut, wenn die Kollegen mich tatsächlich verstanden haben.“ Was in Prag nicht ging, funktionierte in Köln. Hlina studierte schließlich bis Mitte der 70er Jahre Kunst, mietete sich später in eine kleine Kunstgießerei ein. Von Anfang an ging es ihm mehr um Ästhetik, genaue Beobachtung, sein Handwerk als darum, Fragen aufzuwerfen. Seine liebste Figur aber findet ihr Vorbild in der Religion und Geschichte: die symbolische Darstellung des Heiligen Martin, der hoch zu Ross mit dem Schwert seinen Mantel teilt und die Hälfte einem Bettler überlässt. Während Hlina in Köln lebte, verkaufte eine Galerie auf dem St.-Martins-Platz neben der Kirche Groß St. Martin einige seiner Werke. Das erste Stück, das er dorthin brachte – ein Guss vom Heiligen Martin. Ein Zufall. „Ich brauchte etwa eine halbe Stunde, um nach Hause zu gehen. Als ich dort ankam erzählte mir meine Frau, die Galerie habe angerufen.“ Der Heilige Martin war bereits zum ersten Mal verkauft.

Per Kunstbus zu den Kunstorten

Ähnlich schnell war auch der zweite Guss weg. Hlina fragte bei der Galerie nach den Gründen des Erfolgs. Ein Vater habe ein Bild für seinen Sohn Martin kaufen wollen, lautete die Erklärung der Galeristen. Stattdessen entschied sich der Mann für den Guss, nicht wegen der Komposition, sondern wegen des Namens. „Da war ich schon enttäuscht“, sagt Hlina mit einem Lachen.

Mit der politischen Wende kehrte der Bildhauer nach Tschechien zurück. „Ich hatte in meiner Heimat ja noch meine Verwandten und Freunde“, erzählt Hlina. „Beruflich änderte sich nicht viel. Nur, dass ich meine Güsse nun 600 Kilometer weiter östlich fertigte.“ An diesem Sonntag jedenfalls geht es für ihn ein Stück Richtung Norden, nicht 600 sondern nur 50 Kilometer nach Georgewitz.

Die Gemauerte Mühle ist am Wochenende aber nicht das einzige Ausflugsziel für Kunstfreunde. Auch zahlreiche andere Ateliers, Galerien und Ausstellungsräume beteiligen sich an der 10. Auflage von „Kunstoffen in Sachsen“. In Mittelherwigsdorf zum Beispiel öffnet die Kulturfabrik Meda am heutigen Sonnabend und Sonntag ihre Pforten. Zu sehen gibt es einen Querschnitt durch Werner Schliebens Lebenswerk. Schlieben stammt selbst aus der Region und hielt auch die Landschaft in und um Mittelherwigsdorf in seinen Bildern fest.

Zu mehreren Kunstorten fährt in diesem Jahr erstmals der Kunstbus. Einsteigen kann man in Löbau am Neumarkt, an der Kesselstraße in Kirschau, am Reichenturm und am Landratsamt in Bautzen. Halten wird er an der Gemauerten Mühle aber nicht. „Der Kunstbus ist für uns in diesem Jahr erst mal ein Versuch“, erklärt Stefan Michalk von der Kunstinitiative „Im Friese”. Wird die Aktion gut angenommen, könnten im kommenden Jahr noch mehr Kunstorte dazukommen, an denen der Bus haltmacht.

Programm unter:

www.kunstoffeninsachsen.de/

Haltestellen des Kunstbusses unter:

www.kunstbus-oberlausitz.de