Harthas Bürgermeister entscheidet allein

Hartha. Zwei Meter sitzen die 16 Stadträte auseinander, jeder an einem Tisch. Auch Bürgermeister Ronald Kunze (parteilos) und Amtsleiter halten Abstand. In der Mitte ist eine Lautsprecheranlage aufgebaut, die zur besseren Verständigung dienen soll. An einem ungewöhnlichen Ort hat sich der Stadtrat Hartha am Montagabend getroffen: in der Hartharena.
Eigentlich sind Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen unabhängig von der Teilnehmerzahl in Sachsen verboten. Das besagt die Allgemeinverfügung des Sächsischen Sozialministeriums. Ausgenommen davon sind jedoch Veranstaltungen von „Stellen oder Einrichtungen, die öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen“ – also auch eine Stadtratssitzung. Und die fand am Montagabend unter erhöhtem Schutz statt.
Die Tagesordnung bot Gesprächsbedarf zum Haushalt, zur Schulplanung, aber vor allem zu Maßnahmen, die dazu dienen sollen, auch während der Corona-Pandemie weiter handlungsfähig zu bleiben.
Hierfür legte Bürgermeister Ronald Kunze den Räten eine Beschlussvorlage vor, die ihn ermächtigen würde, „unaufschiebbare Vergaben von Leistungen sowie sonstige unaufschiebbare, wesentliche Angelegenheiten“ selbst zu entscheiden, ohne einen Beschluss des Stadtrates. Wie er jedoch weiter erklärte, wolle er in allen Angelegenheiten die Stadträte informieren und nach einem Meinungsbild fragen.
Laut Kunze sei dies die „einzig rechtssichere Entscheidungsmöglichkeit, wenn es keinen beschlussfähigen Stadtrat mehr gibt“. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Hälfte der Mitglieder krankheitsbedingt ausfallen würde oder in häuslicher Quarantäne wäre.
Auch ein Umlaufbeschluss – ein Beschluss, der den Mitgliedern postalisch zugeht und unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgestimmt wird – wäre seiner Meinung nach keine Alternative. „Bei Entscheidungen des Stadtrates muss die Öffentlichkeit mit dabei sein“, erklärte der Bürgermeister. „Das wäre dabei nicht der Fall.“
Doch zahlreiche Stadträte konnten dem Beschlussvorschlag nicht ohne weitere zustimmen. So habe Christian Zimmermann (CDU) zwar Vertrauen in den Bürgermeister und die Verwaltung. Aber er frage sich, ob es in dieser Krisenzeit nicht eher ein wichtiges Zeichen gegenüber den Bürgern wäre, sich trotz alledem weiter zu treffen.
„Solange es geht und wir nicht erkrankt sind, dann können wir uns doch in einem ähnlichen Rahmen wieder treffen“, sagte er. Es gebe bereits ausreichend Regelungen in Zusammenhang mit der Pandemie, die seiner Meinung nach völlig überzogen sind.
Schlechte Vorbildwirkung für die Bürger
Dem entgegnete Wolfgang Fichtner (Freie Wähler): „Es kann niemand ausschließen, dass in einigen Wochen oder sogar Tagen viele von uns unter Quarantäne stehen oder sich mit dem Virus angesteckt haben. Das wäre dann ein ‚Worstcase-Szenario‘, auch wenn wir uns das nicht wünschen.“
Wie er erklärte, sei die Notwendigkeit definitiv gegeben, über eine Lösung für dieses Szenario zu beraten. „Ich finde diese Vorlage zielrichtig. Jetzt sitzen wir noch zusammen und können das entscheiden“, meint Fichtner.
Auch Bauamtsleiter Ronald Fischer unterstrich die schlechte Vorbildwirkung, wenn „man einerseits normal Sitzungen durchführt, aber andererseits Bußgelder an Bürger verteilt, wenn sie gegen die Regelungen verstoßen.“
Hans-Jürgen Gückel (Die Linke) bat den Stadtrat darum, keine Sitzungen mehr durchzuführen. Seiner Meinung nach, sei eine Übergangslösung mit Entscheidungen des Bürgermeisters unter vorheriger Einbeziehung des Stadtrates eine gute Lösung. Zusätzlich schlug er jedoch vor, bei „besonders eiligen Beschlüssen könnte der Bürgermeister den Ältestenrat um eine Meinung bitten.“
Dem Prozedere konnten die meisten Mitglieder jedoch nichts abgewinnen. Sie versuchten, einen Kompromiss zu finden. Dieser beinhaltet nun, dass Ronald Kunze unaufschiebbare Entscheidungen für die Stadt treffen darf, solange die Allgemeinverfügung über das Versammlungsverbot dauert.
Vorausgesetzt ist jedoch ein Umlaufbeschluss zu jeder Entscheidung, bei der alle Mitglieder ihre Position äußern dürfen. „Der Umlaufbeschluss ist jedoch nicht rechtskräftig. Dies ist erst der Fall, wenn ich als Bürgermeister meinen Beschluss fasse“, erklärt Kunze und versichert: „Ich werde mir das Meinungsbild einholen und es wird keine Alleingänge geben.“ Als Beispiele nannte er unter anderem Ausschreibungen und Vergaben von Bauleistungen in der Pestalozzi-Schule sowie bei Abrissmaßnahmen.
Letztendlich stimmte der Stadtrat der neuen Regelung zu und sicherte somit laut Bürgermeister, „dass die Verwaltung weiter handlungsfähig bleibt und somit die Wirtschaft mit Bauleistungen am Laufen hält“.
Die Sitzungen der Ausschüsse sowie des Stadtrates sollen erst einmal nicht stattfinden, solange die Regelungen des Freistaats nicht aufgehoben werden. Die Öffentlichkeit soll laut Ronald Kunze über die Entscheidungen des Stadtoberhauptes über die gewohnten Wege informiert werden.
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