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Bürgermeister und Fabrikbesitzer

Diese Persönlichkeiten gaben ihren Namen für zwei Bernsdorfer Straßen. Warum sie dafür für würdig befunden wurden.

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© Ralf Grunert

Zwei Straßenzüge in Bernsdorf tragen seit dem Sommer einen neuen Namen. Es handelt sich um Abschnitte der Karl-Liebknecht-Straße, die von der Straße Am Schmelzteichgraben abzweigen. Der Stadtrat hat die Umbenennung beschlossen, um mehr Übersichtlichkeit herzustellen und insbesondere auch Rettungsfahrzeugen die Orientierung zu erleichtern. Auf Vorschlag der AG Stadtgeschichte wurden die Namen Heinrich Popella und Ernst Uhlich gewählt. Das geschah wohlüberlegt, denn diese Herren sind wichtige Persönlichkeiten der Bernsdorfer Historie. Das Folgende haben AG-Recherchen ergeben:

Die Popella-Straße.
Die Popella-Straße. © Ralf Grunert
Heinrich Popella
Heinrich Popella © AG Stadtgeschichte Bernsdorf
Die Fabrikbelegschaft um 1890.
Die Fabrikbelegschaft um 1890. © AG Stadtgeschichte Bernsdorf

Heinrich Popella hatte eine 22-jährige Bürgermeister-Amtszeit

Der Bürgermeister, dem Bernsdorf unter anderem den Kauf des heutigen Rathauses verdankt, war Heinrich Popella. Er wurde am 23. Dezember 1876 als Sohn des Kutschers Heinrich Andreas Popella in Dresden geboren. Seine Mutter hieß Alma, war eine geborene Retzko und stammte aus Wittichenau. Er schlug die Beamtenlaufbahn ein und begann am 1. August 1898 in der kommunalen Verwaltung der Gemeinde Bernsdorf seine Tätigkeit als Amtssekretär. Im April 1910 wurde Heinrich Popella zunächst zum Amtsvorsteher-Stellvertreter des Amtsbezirkes Bernsdorf ernannt. Ab 1. April 1911 war er dann Amtsvorsteher. Der Amtsvorsteher wurde für einen bestimmten Amtsbezirk für sechs Jahre gewählt und war die Ortspolizeibehörde.

Am 13. Juli 1911 meldete ein Extra-Blatt der Oberlausitzer Nachrichten, dass der Amtsvorsteher Popella in einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung mit 15 von 16 Stimmen zum künftigen Gemeindevorsteher, der damals üblichen Bezeichnung für Bürgermeister, gewählt wurde. Nach seiner Vereidigung am 17. Juli 1911 begann er seine Bürgermeister-Tätigkeit.

Am 30. Januar 1933 übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland. Am 12. März 1933 fanden auch in Bernsdorf Gemeindewahlen statt. Die erste Sitzung der neuen Gemeindevertretung am 5. April 1933 leitete Gemeindevorsteher Popella. An den Wänden im Sitzungssaal hingen Hakenkreuzfahnen. Eine Abordnung der SA nahm als Zuhörer teil. Zwei Abgeordnete der SPD hatten ihr Mandat niedergelegt. Der Vertreter der KPD durfte laut ministerieller Verfügung nicht teilnehmen.

Bau der neuen Schule vorangetrieben

In dieser Atmosphäre meldeten die Oberlausitzer Nachrichten am 6. April 1933, dass Heinrich Popella nach 22 Jahren aus Gesundheitsgründen sein Amt als Amtsvorsteher niedergelegt hat. Das Amt des Gemeindevorstehers und damit des Bürgermeisters übte Heinrich Popella zunächst weiterhin aus. Im Verlaufe des Monats August 1933 wurde er dann beurlaubt. In der Vorahnung hatte er am 22. März 1933 schriftlich einen Tätigkeitsbericht zu seiner Amtszeit als Bürgermeister verfasst. Was hat Bernsdorf ihm zu verdanken?

Es soll nur einiges genannt werden: 1912 Bau der neuen Schule (heute Freie Oberschule Bernsdorf); 1913 Gründung der Ansiedlung „Eigene Scholle“ und deren Eingemeindung nach Bernsdorf 1915; 1922/23 Einführung der Elektrizitätsversorgung; 1922 Kauf des Rittergutes Bernsdorf; 1925/26 Bau von mehreren 6-Familienhäusern in der Kienheide; 1926 Pflasterung der Hauptstraße; 1927 Beginn von Verhandlungen zur Errichtung eines Wasserwerkes; 1927 Einführung des Bernsdorfer Wappens; 1928 Errichtung einer Volksbadeanstalt am Lugkteich.

Das Leben von Heinrich Popella endete am 31. Oktober 1945. Er wohnte zuletzt auf dem Waldhof, Kolonie Neu-Wiednitz und hatte fünf Kinder: Franz, Willi, Martin, Johannes und Margarethe. Seine Frau Agnes lebte bis zu ihrem Tod 1964 bei Tochter Margarethe in der Alten Coseler Straße 6. Heute leben keine Nachfahren von Heinrich Popella mehr in Bernsdorf.

Ernst Uhlich entwickelte das Eisenwerk und förderte den Siedlungsbau

Ernst Uhlich wurde 1850 im anhaltinischen Sachsen geboren. Nach seiner Schulzeit studierte er Ingenieurswesen und wurde Maschinenbau-Ingenieur. Am 5. September 1888, im Alter von 38 Jahren, erwarb er für 200 000 Mark das Eisenwerk Bernsdorf. Dieses war 1886 zwangsversteigert worden. Meistbietender war der Oberleutnant von Oppen aus Dresden, von dem es der Magdeburger Ernst Uhlich schließlich erwarb. Technische Fähigkeiten und kaufmännisches Geschick des neuen Besitzers bewirkten die Weiterentwicklung des Eisenwerkes. Um die Jahrhundertwende wurde die erste eigene Dampfmaschine gebaut und im Werk installiert. Sie löste das letzte durch das Wasser des Schmelzteiches betriebene Wasserrad ab.

Die wachsende Glasindustrie im Ort und die in der Region durch die Braunkohlevorkommen entstehenden Brikettfabriken benötigten viel Technik. Ernst Uhlich entwickelte, konstruierte und baute mit seinen Mitarbeitern die ersten Geräte, zum Beispiel Matritzen und Glasformen für die Glasindustrie sowie Transportanlagen und Trockentechnik für die neuen Brikettfabriken. Ab 1914 wurden auch Stahlbaukonstruktionen nach Kundenwunsch gebaut.

Als die Landgesellschaft „Eigene Scholle“ im März 1913 vom Bernsdorfer Rittergut 1 560 Morgen Land erwarb und es an Industriearbeiter zum Siedlungsbau verkaufte, gewährte Ernst Uhlich seinen Arbeitern Beihilfen zu den Anzahlungen. Er ließ weiterhin Anfang des 20. Jahrhunderts in der Bernsdorfer Akazienstraße vier Wohnhäuser und an der Eisenwerkstraße ca. 30 werkseigene Wohnungen und ein Altersheim für seine Betriebsangehörigen bauen.

Im Jahre 1920 übergab der 70-jährige Ernst Uhlich den Betrieb an seinen einzigen Sohn Dr. Georg Uhlich. Ernst Uhlich übersiedelte nach Dresden-Blasewitz, stand aber dem Betrieb mit seinem Wissen und seiner Erfahrung weiter zur Verfügung. Des Weiteren unterstützte er Anfang des 20. Jahrhunderts den Neubau der evangelischen Kirche, des Vereinshauses und einer Kleinkinderschule. Er übte als Pensionär weiterhin die Tätigkeit als Gemeindevertreter und als Schöffe in Bernsdorf aus.

Am 13. Juli 1931, im 81. Lebensjahr, verstarb Ernst Uhlich in Dresden-Blasewitz. Er wurde nach Bernsdorf überführt und hier auf dem Friedhof beigesetzt. (MaSt/rgr)