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„Bürokratieabbau ist nicht sexy“

Der Normenkontrollrat soll Bürger und Wirtschaft vor unnötigen Belastungen schützen. Vielen Beamten gefällt das nicht.

Von Karin Schlottmann
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Ein Gutachten empfiehlt, die Befugnisse des Normenkontrollrates auf das Prüfungsrecht auf Gesetze zu beschränken.
Ein Gutachten empfiehlt, die Befugnisse des Normenkontrollrates auf das Prüfungsrecht auf Gesetze zu beschränken. © Symbolbild/Oliver Berg/dpa

Dresden. Die Idee ist alt, sie ist sinnvoll, aber im wirklichen Leben nicht leicht umzusetzen. In keinem Wahlprogramm fehlt die Forderung nach Abbau von Bürokratie. Sachsen hat sogar eine eigene Institution gegen Bürokratie geschaffen – eine Institution, die weitestgehend im Verborgenen arbeitet. Der Normenkontrollrat hat seit Ende 2015 die Aufgabe, zu prüfen, mit welchem Mehraufwand und mit welchen Kosten neue Gesetze und bestimmte Rechtsverordnungen für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung verbunden sind.

Das Mandat des sechsköpfigen Gremiums in Sachsen läuft aus. Bis Ende des Jahres muss die Regierung entscheiden, ob die Arbeit fortgesetzt werden soll. Politisch ist das Thema eigentlich unumstritten. Die drei Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und SPD wollen den Auftrag verlängern.

Ein vom Justizministerium beauftragter Gutachter der privaten Hochschule „Hertie School of Governance“ hat jedoch Empfehlungen vorgelegt, die im Falle der Umsetzung die Befugnisse des Gremiums beschränken würden. So sieht es jedenfalls der Normenkontrollrat selbst. Dem Gutachten zufolge soll das Prüfungsrecht auf Gesetze beschränkt werden. Die Wirkung von Rechtsverordnungen, in denen die Details eines Gesetzes geregelt werden, dürften danach nicht mehr überprüft werden, obwohl gerade sie hohe Folgekosten für die Betroffenen nach sich ziehen können.

Empörung über externes Gutachten

Außerdem soll der finanzielle Mehraufwand eines Gesetzes für die öffentliche Verwaltung kein Kriterium der Normenkontrolle mehr sein. Bisher ist es so, dass die Ministerien darlegen müssen, welche Konsequenzen ein Gesetzentwurf für Bürger, Unternehmen und öffentliche Verwaltung hat. Dazu müssen die Ministerien beispielsweise aufwendige Prognosen über die möglichen Kosten aufstellen.

Die Vorschläge des Gutachters stoßen bei den Mitgliedern des Normenkontrollrates auf erhebliche Kritik. Sie würden die Transparenz in den Gesetzgebungsverfahren unterbinden. Am Dienstag wollten sie sich zu einem Gespräch mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Justizministerin Katja Meier (Grüne) treffen. Mit dabei ist Johannes Ludewig, früherer Bahnchef und heute Vorsitzender des nationalen Normenkontrollrates. Er unterstützt und berät seine sächsischen Kollegen.

Für Empörung sorgt vor allem die Tatsache, dass das externe Gutachten im Wesentlichen auf den anonymen Befragungen von Beamten sächsischer Ministerien basiert. Das ist genau jene Gruppe, deren Arbeit durch den Normenkontrollrat überprüft werden soll – ein Verfahren, das an den Satz von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) erinnert: „Wenn du den Sumpf trocken legen willst, darfst du nicht die Frösche fragen.“ Die Mitarbeiter in den Ministerien wurden unter anderem danach gefragt, wie aufwendig die Berechnung des Mehraufwandes einer Vorschrift für sie ist. Wenig überraschend, dass das Urteil der Ministeriumsbeamten überwiegend kritisch ausfällt.

Angst, es könnte etwas schief gehen

Er habe noch keinen Beamten erlebt, der Hurra schreie, wenn er mehr arbeiten müsse, kritisierte Ludewig. Es reiche nicht, wenn Beamte ihre Ideen in Rechtstexte niederschrieben. Die Bürger müssten diese verstehen können. Für die öffentliche Verwaltung müsse es selbstverständlich sein, die Folgen ihres Tuns für Bürger und Firmen zu hinterfragen.

Hanjo Lucassen, ehemaliger DGB-Vorsitzender und Mitglied des Normenkontrollrates, kritisierte, die Mitarbeiter in den Ministerien sähen die Arbeit des Kontrollrates offenbar nicht als Hilfe, sondern als Belastung an. Eine Ursache für zu viel Bürokratie sei das Bemühen, jedes Detail perfekt zu regeln, sagte Ralf Leimkühler, stellvertretender Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages. Juristen fürchteten stets, es könne etwas schief gehen. „Bürokratieabbau ist überhaupt nicht sexy.“