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Hochwasserschutz mit Hürden

Ein Damm am Oelsaer Waldstadion würde den Nachbarn am Bach helfen. Aber das wäre viel zu einfach.

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Von Annett Heyse

Das Gras ist noch feucht vom Gewitterregen am Abend vorher. Bremsen schwirren um nackte Beine und Arme. Horst Müller wedelt die Blutsauger weg, während er auf die Klee-Wiese des Oelsaer Waldstadions schaut und zum Waldesrand dahinter. Leise plätschert es dort. Es ist der Oelsabach, der ganz ruhig und friedlich auf seinem Weg Richtung Rote Weißeritz das Sportgelände passiert. „Man kann sich das ja nicht vorstellen, aber wir haben das nun mehrmals erlebt und irgendwann möchte man nur noch, dass diese Unruhe endlich ein Ende hat“, sagt Müller und Gerold Bellmann, der neben ihm steht, nickt. „Bei jedem Gewitterguss schläft man schlecht und lauscht, was das Wasser da draußen macht.“ Die beiden Oelsaer wohnen auf der Hauptstraße, direkt am Gewässer und sind wie so viele andere Anrainer mehrfach flutgeschädigt. Auf dem Waldstadion-Areal soll sich nun die Zukunft des Oelsa-Baches entscheiden. Die Stadt Rabenau will hier zum großen Schlag ausholen.

Horst Müller, Rabenaus Bürgermeister Thomas Paul, Bauamtsleiter Falk Seidel und Gerold Bellmann (v.l.) schauen in die Baupläne für den Hochwasserschutzdamm. Die Anlage soll im hinteren Bereich des Oelsaer Waldstadions errichtet werden. Dafür müsste die La
Horst Müller, Rabenaus Bürgermeister Thomas Paul, Bauamtsleiter Falk Seidel und Gerold Bellmann (v.l.) schauen in die Baupläne für den Hochwasserschutzdamm. Die Anlage soll im hinteren Bereich des Oelsaer Waldstadions errichtet werden. Dafür müsste die La

Was plant das Rathaus

am Oelsaer Waldstadion?

Nachdem der Rabenauer Ortsteil Oelsa immer wieder von Hochwassern überspült wurde, soll ein Hochwasserdamm das Dorf besser schützen. Dieser müsste im Bereich des Waldstadions errichtet, 195 Meter lang und 8,60 Meter hoch werden. Hinter dem Damm in Richtung Heidemühle würde dadurch die Talmulde als grünes Becken weiter existieren, bei Hochwasser aber zum Regenrückhaltebecken werden. 253 000 Kubikmeter Wasser können eingestaut und gedrosselt abgegeben werden. Dies würde nicht nur Oelsa und Rabenau besser schützen, sondern auch die Rote Weißeritz entlasten. Die Baukosten werden auf zwei Millionen Euro geschätzt.

Warum wird die Spielfläche beansprucht?

Es gab bisher mehrere Standort-Varianten für den Damm. Eine sah vor, die Schutzanlage unterhalb des Stadions so anzulegen, dass die Sportanlage bei Hochwasser geflutet würde. „Dort hätte man den Damm aber länger bauen und dazu noch Versorgungstrassen und die Staatsstraße umverlegen müssen“, erklärt Rabenaus Bürgermeister Thomas Paul (CDU). Es wäre ein zu großer finanzieller Aufwand gewesen. Die Kommune bevorzugte daher einen Damm oberhalb des Stadions hinter dem jetzigen Schutzwall. Allerdings ist das gesamte Tal in Richtung Heidemühle ein sogenanntes Fauna-Flora-Habitat, also ein Gebiet mit besonders schützenswerten Biotopen und Lebensräumen. Bleibt nur, den Damm ans obere Stadionende zu setzen. Die Laufbahn und ein Sechstel der Spielfläche werden dafür beansprucht. Horst Müller und Gerold Bellmann schütteln den Kopf. Das Stadion feiert 2017 sein 50-jähriges Bestehen. „Das haben die Oelsaer selbst aufgebaut, wir haben als Jungs damals mitgeholfen“, erinnert sich Müller. Stadt-Chef Paul versichert, dass zumindest das Fußballfeld gerettet wird. „Wir werden das Spielfeld ein Stück versetzen.“ Die Laufbahn aber kommt weg.

Wieso muss die Stadt Rabenau in ein Planfeststellungsverfahren?

Wenn es einen Behördenvorgang gibt, der die Vorstellungskraft der Bürger übersteigt, dann sind das Planfeststellungsverfahren. In äußerst akribisch geführten Untersuchungen und Planungen werden alle Belange, die ein Bau berührt, abgeklopft. Als wäre das nicht schon kompliziert genug, kommt im Falle des Oelsaer Schutzdammes nun noch ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren hinzu. Dabei müssen sechs geschützte Biotope genau unter die Lupe genommen werden. „Wir müssen nachweisen, wie sich die Natur im Falle einer Einstauung verhält und dass das gestaute Wasser keinen Schaden anrichtet“, erläutert Thomas Paul. Dies sei so komplex, dass selbst Rathausmitarbeiter wie Bauamtsleiter Falk Seidel kaum noch durchsteigen. „Das ist im Prinzip eine wissenschaftliche Forschungsarbeit“, kommentiert Seidel. Das Kuriose daran ist, dass die Wiesen und Auen oberhalb des Waldstadions von alters her Überschwemmungsflächen sind. In den Akten sind Biotope wie Sümpfe, Feuchtgrünland und Nasswiesen aufgelistet. „Ist doch unlogisch, dass man das jetzt mal genau untersucht“, argumentieren die Einwohner. Zumal es viel Geld kostet. Bis jetzt hat Rabenau über 120 000 Euro in die Planung investiert.

Wann kann der Schutzdamm

gebaut werden?

Die Stadt hofft, bis zum Jahresende das Zielabweichungsverfahren beenden zu können. Kürzlich sind die Unterlagen nochmals zu Überarbeitung und Ergänzung ans Rathaus zurückgekommen. Nächstes Jahr könnte dann das Planfeststellungsverfahren durchgeführt und 2016/17 gebaut werden. Die Oelsaer wie Horst Müller hoffen es: „Seit 2002 wird über den Damm immer nur geredet, während unsere Häuser bei Regengüssen wie 2013 absaufen. Es ist ein Trauerspiel.“