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Bummelei bei Scheidungen: Anwältin verteidigt Richterin

Überdurchschnittlich lange dauern die Scheidungsverfahren am Amtsgericht Döbeln, an die 400 Fälle sind unbearbeitet, die Akten türmen sich. Diesen Vorwurf haben Anwälte der Region vor einigen Tagen erhoben...

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Von Markus Tichy

Überdurchschnittlich lange dauern die Scheidungsverfahren am Amtsgericht Döbeln, an die 400 Fälle sind unbearbeitet, die Akten türmen sich. Diesen Vorwurf haben Anwälte der Region vor einigen Tagen erhoben (wir berichteten). Die zuständige Richterin sei völlig überfordert gewesen und ist nun schon seit einiger Zeit krank. Dr. Dominik Schulz, seit 1. August Direktor des Amtsgerichts, hat inzwischen die Zuständigkeiten neu geordnet und die Familienrechtssachen einem anderen Richter übertragen. Dessen vorheriges Geschäftsfeld ist unter drei anderen Kollegen aufgeteilt worden. „Ich hoffe, dass wir den Bearbeitungsstau bei den Familienrechtsangelegenheiten auflösen. Und ich hoffe, dass die erkrankte Kollegin bald gesund wird und ihren neuen Bereich übernehmen kann“, sagte Schulz dem Döbelner Anzeiger. Gründe, warum so viele Akten bei der Familienrichterin liegen geblieben sind, kann Schulz nicht nennen. „Ich bin seit zwei Monaten da. Was vorher hier gewesen ist, kann ich nicht beurteilen.“

Dem für die Richter zuständigen Dienstherrn, dem Leipziger Landgerichtspräsidenten Hans Jochem Emde, seien die Probleme in Döbeln bekannt, erklärte er gegenüber dem Döbelner Anzeiger. Er sieht die Ursache für den Aktenstau darin, dass die Richterin gesundheitlich angeschlagen gewesen sei. Auf den Einwand hin, dass sich unbearbeitete Akten schon seit längerer Zeit stapeln, erklärte Emde, dass bereits Schulz‘ Vorgänger mit Geschäftsumverteilungen versucht habe, das Arbeitspensum besagter Richterin zu verkleinern. „Die Anzahl der Scheidungsfälle ist am Amtsgericht Döbeln aber nicht größer als anderswo“, sagte er, ohne konkrete Zahlen zu nennen, und erklärte: „Die Vorgänge werden überprüft.“ Die Behauptung seitens der Anwälte, nach denen ein Verfahren gegen die Familienrichterin laufe, bestätigte Emde nicht.

Unterdessen hat sich beim Döbelner Anzeiger die Oschatzer Rechtsanwältin Jutta Brieger gemeldet, die für die Familienrichterin eine Lanze bricht. „Die Richterin ist eine sehr fleißige und gründliche Richterin, die vielleicht den Fehler gemacht hat, jedes Verfahren berufungssicher zu entscheiden“, meint sie. Die zu große Gründlichkeit sei ihrer Überzeugung nach die wesentliche Ursache, weshalb die Arbeitsrückstände entstehen konnten. Bis in die späten Nachtstunden und auch am Wochenende habe die Richterin gearbeitet. „Ihr ,Mangel‘ war es, dass sie sich auf jedes Verfahren gründlich vorbereitet hat, den Verfahrensbeteiligten – vor allem einigen Rechtsanwälten – zu viele schriftliche Hinweise erteilt hat“, so die Anwältin.

Vorwurf der Unkollegialität

Jutta Brieger könne das beurteilen. Sie habe bis 1989 als Anwältin in Döbeln gearbeitet und betreue bis heute viele Mandanten aus ihrem ehemaligen Tätigkeitsgebiet, erklärte sie.

Den Anwälten, die mit ihren Vorwürfen auch die Arbeit der Richterin kritisierten, wirft sie Unkollegialität und Nestbeschmutzung vor. „Jeder Rechtsanwalt hat die Möglichkeit, sich beim Dienstherrn eines Richters zu beschweren“, sagt sie. Alle hätten gemunkelt, aber niemand hätte den Mut aufgebracht, die Sache anzusprechen.

Jutta Brieger sieht eine weitere Ursache für die enorme Arbeitsbelastung der Richterin in der Zunahme an Intensität und Umfang von Familienverfahren. Während in der Zeit ab 1990 zunächst um Ehegattenunterhalt, Zugewinnsausgleich und anderes wenig gestritten wurde, sei die Zahl komplizierter und umfangreicher Verfahren in den zurückliegenden fünf bis sechs Jahren erheblich gestiegen. Brieger könne das aus eigener Praxis beurteilen. Gleichzeitig blieb es am Amtsgericht bei der Besetzung des Familiendezernats bei nur einer Richterin. „Offensichtlich fehlten für eine zusätzliche Richterplanstelle die entsprechenden finanziellen Mittel“, meint sie.

Jutta Brieger hofft, dass es der motivierten Mannschaft des Amtsgerichts und der Richterin gelingt, die Rückstände aufzuarbeiten.