Mit Eierschecke zum Streckenrekord

Als sie am Vorabend gleich zwei Stück Eierschecke aß, hatte Alina Reh danach das Gefühl: „Oh, oh, das war vielleicht eins zu viel“. Nach dem Zieleinlauf am Sonntag revidiert sie ihre Meinung: „Die Energie habe ich heute echt gebraucht.“ Als große Favoritin über die zehn Kilometer war die 21-Jährige vom SSV Ulm beim Dresdner Citylauf angekündigt worden – und sie hält ihr Vorhaben, den 25 Jahre alten Rekord anzugreifen. In 32:09 Minuten kommt Reh über den roten Teppich in der Messehalle ins Ziel gesprintet und unterbietet die bisherige Bestmarke der Potsdamerin Claudia Dreher um 31 Sekunden.
„Ich wollte eigentlich noch schneller laufen, eine Zeit um 31:40 Minuten, aber bei dem extremen Wind war es nicht möglich“, meint Reh, ist aber „heilfroh“, wenigstens den Rekord gebrochen zu haben. Dafür bekommt sie 300 Euro extra – dazu die Siegprämie in derselben Höhe. „Ich komme auf jeden Fall wieder“, kündigt die Vierte der Hallen-EM über 3.000 Meter noch im Zielauslauf an, „und dann drücke ich die Bestmarke noch weiter runter.“
Alina Reh, die die deutsche Bestenliste des Vorjahres mit einer Zeit von 31:23 Minuten anführt, hatte den Rekord über die gesamten zehn Kilometer im Kopf, aber wagte keinen Blick auf die Uhr. „Sonst verkrampfe ich bloß.“ An anderen Konkurrentinnen konnte sich die schnelle Reh nicht orientieren, weil sie von Anfang an ein Tempo anschlägt, bei dem nur wenige Männer mithalten. Mit ihrer Zeit wird sie Gesamtfünfte. Vorjahressiegerin Debbie Schöneborn, die jüngere Schwester der Fünfkampf-Olympiasiegerin Lena Schöneborn, kommt 1:45 Minuten später ins Ziel.

Auf den letzten Metern musste sich Reh noch einmal konzentrieren, weil das Kopfsteinpflaster rund um das Messegelände sie leicht aus dem Rhythmus brachte. „Meine Beine waren ganz schön kaputt“, erzählt sie, „da musste ich aufpassen, dass es mich nicht umhaut.“ Dafür genoss sie wie 1 330 Läufer nach ihr umso mehr den Zieleinlauf in Halle eins. Der Teppich habe sich angefühlt wie eine Feder, fand Reh. So einen tollen Zieleinlauf kenne sie nur vom Frankfurt-Marathon.
Das neue Konzept ist für die Veranstalter von der Laufszene also aufgegangen. Erstmals in der 29 Jahre langen Geschichte endet der Citylauf unterm Hallendach. Für besondere Lichtmomente auf den letzten Metern sorgen 20 vier Meter hohe Leuchttürme. „Coole Sache“, findet auch Philipp Reinhardt, der in den Genuss kommt, als Erster den Zielbogen zu durchlaufen. „Der Kontrast ist nur ganz schön heftig. Draußen ist es extrem hell, und man kommt rein und denkt – oh Mist, wo muss ich jetzt hin?“ Der Jenaer hat allerdings genug Vorsprung, um sich für einen Moment zu sortieren und siegt in 30:25 Minuten vor dem Leipziger Nic Ihlow.
Ab Kilometer drei setzt sich der Thüringer von der kleinen Spitzengruppe ab und ist im Alleingang auf dem veränderten Rundkurs durch die Innenstadt unterwegs. „Natürlich war ordentlich Wind, aber davon darf man sich mental nicht abbringen lassen“, meint der neue Sieger, der Dresden bisher laufend erkundet hat. „Den Zwinger kenne ich nur vom Vorbeirennen.“
Wind wirft Beachflaggen um
Das könnte Marc Schulze nun nicht behaupten. Der 35-Jährige ist ein Dresdner Urgestein und seit Jahren auf längeren Strecken der beste Läufer aus der Stadt. Hinter den beiden zehn Jahre jüngeren Konkurrenten wurde der Athlet vom Citylaufverein Dresden diesmal Dritter. „Am Anfang hat der Wind von hinten gedrückt, ab Kilometer vier wurde es mir trotzdem zu schnell“, meint Schulze, der sich diese Saison auf Bergläufe spezialisiert.
Der Wind war das große Thema unter den Läufern – und den Organisatoren. „Alles stand am Morgen wie eine Eins“, meint Reinhard Schmidt. Der Geschäftsführer von der Laufszene Events GmbH hatte sich selbst über fünf Kilometer auf die Strecke gemacht, aber dann vorzeitig abgebrochen. Heftige Windböen hatten Beachflaggen und Banden umgehauen. „Da mussten wir natürlich reagieren und abbauen“, erklärt er. Auch wenn der Wind etwas auf die Stimmung bei manchen Läufern gedrückt habe, fiel das Fazit durchweg positiv aus.
„Ich habe selten so eine top organisierte Veranstaltung erlebt. Ich hoffe, der Citylauf spricht sich bei uns im Süden noch mehr herum“, meint Alina Reh, für die der Saisonhöhepunkt die Leichtathletik-WM – möglichst über 5.000 und 10.000 Meter – erst im Oktober in Doha ist.
Längst nicht nur die Spitzenläufer kamen am Sonntag mit einem Lächeln ins Ziel. Die meisten der auf allen fünf Strecken insgesamt 3.832 Teilnehmer, die für einen Rekord sorgten, strahlten auf den letzten Metern, als es über den roten Teppich ging. Auch der Schlussmann über fünf Kilometer, Karl Preuß – immerhin ein Läufer jenseits der 85 – bekam in der Messehalle noch seinen Applaus. „Wir haben das drei Jahre geplant, heute mussten wir abliefern“, sagt Organisator Schmidt und kündigt diesen besonderen Zieleinlauf zumindest für die nächsten fünf Jahre an.
Alles Ergebnisse: www.citylauf-dresden.de