Von Jens Schmitz, SZ-Korrespondent in Washington
Natürlich, entspannt, humorvoll, bescheiden: Der Vizepräsidentschaftsbewerber der US-Demokraten hat viele Eigenschaften, mit denen sich die Spitzenkandidatin schwertut. Mit Virginias Senator Tim Kaine, den Hillary Clinton als ihren Wahlkampfpartner vorstellte, vervollständigt sie das Profil ihrer Kampagne um einen erfahrenen, spanischsprachigen Politiker.
Kaine diente vor seiner Wahl zum Senator als Stadtrat und Bürgermeister der Metropole Richmond, als Vize-Gouverneur und als Gouverneur von Virginia. Es gibt in den USA nicht viele Menschen mit einer so umfassenden Regierungserfahrung. Obendrein war der 58-Jährige zwei Jahre lang demokratischer Parteivorsitzender. Sein Heimatstaat kann Wahlen entscheiden, aber Kaines politische Kompetenz ist das größte Pfund, das der unspektakulär auftretende Katholik zu Clintons Kampagne beisteuert. Sie hat ihn offenbar vor allem mit Blick auf die spätere Regierungsarbeit ausgewählt, weniger als Schlachtross im Wahlkampf.
Kaine soll schon 2008 unter den letzten drei Bewerbern gewesen sein, die der damalige Kandidat Barack Obama als Vize in Betracht zog. Der dreifache Familienvater und begabte Mundharmonikaspieler ist mit Anne Bright Holton verheiratet, der Tochter eines früheren Gouverneurs von Virginia. Sie ist dort Bildungsministerin.
Als Vorkämpfer für strengere Waffenkontrollen, Gegner der Todesstrafe und profilierter Bürgerrechtsanwalt könnte Kaine helfen, den progressiven Flügel seiner Partei anzusprechen. Er arbeitete knapp zwei Jahrzehnte als Jurist und unterrichtete sechs Jahre Rechtsethik an der University of Virginia. Er gewann einen der bekanntesten Prozesse gegen Diskriminierung in der Wohnungspolitik. Seine Familie ist langjähriges Mitglied einer vorwiegend schwarzen Kirchengemeinde.
In seiner Studienzeit verbrachte Kaine neun Monate bei einem Missionsprojekt der Jesuiten in Honduras und lernte dort Spanisch. 2013 hielt er im Senat eine Rede zum Einwanderungssystem komplett in dieser Sprache. Zuletzt wandte er sich mehrfach auf Spanisch an die Latino-Gemeinschaft, die für einen Clinton-Sieg im November wichtig ist.