Die neue Sorge um die Alten

Erklären ist die zweitwichtigste Tätigkeit für die Pflegerinnen und Pfleger in den Seniorenheimen geworden. Jeden Tag wieder, manchmal mehrmals am Tag. Antje Gietzelt ist es das wert. Sie leitet die beiden Johanniter-Häuser in Heidenau. "Das Besuchsverbot ist eine Möglichkeit, meine Leute zu schützen", sagt sie.
Das Einschränken der Besuche, das dem Verbot vorausging, war schwerer. Jeder dachte, er sei die Ausnahme. Die Mitarbeiter mussten mit allen Besuchern sprechen, sie fragen, wo sie waren, versuchen, sie von einem Besuch abzuhalten. Mit dem konsequenten Nein können alle besser umgehen, sagt Antje Gietzelt.
So existenziell war es noch nie
Verstehen das auch die Bewohner, in deren Heimalltag Besuche die Höhepunkte sind? Die, die es einordnen können, verstehen es, wenngleich schwer. Den anderen wird es immer wieder erklärt. Eine neue Geduld und ein neuer Blick sind notwendig. Der begleitende Sozialdienst ist nun auch am Wochenende im Einsatz. Er geht mit denen, die es können, an die frische Luft. "Nur in Begleitung", sagt Antje Gietzelt. Um Begegnungen zu verhindern, die ungeahnte Folgen haben könnten.

Für Antje Gietzelt geht es immer wieder um den Schutz "ihrer Alten", die die Schwächsten sind und sich nicht wehren können. Sie hat in den vergangenen Jahren schon viele Ausnahmesituationen erlebt. Vom Jahrhunderthochwasser bis zur Evakuierung wegen eines Bombenfundes. Es gab immer ein Ende und einen Ausweg. Doch diesen Weg jetzt ist noch niemand gegangen. "So existenziell wie jetzt war es noch nie."
Der tägliche Balanceakt
Die Angehörigen nehmen das Verbot an, sagt sie. Geschenke und Briefe werden ab- und weitergegeben, es wird wieder mehr telefoniert. Die Situation ist nicht einfacher, aber klarer geworden mit dem Verbot, sagt Antje Gietzelt.
Die Mitarbeiter arbeiten "noch in den Grenzen des Erträglichen", sagt Antje Gietzelt. Wenn es zum Beispiel Verdachtsfälle in Kitas oder ähnliches gab, wurden betroffene Mitarbeiter zu Hause gelassen. Natürlich bedeutet das für die anderen mehr Arbeit. Beide Häuser auf der Einstein- und der Burgstraße sind voll belegt. Was schon unter "normalen" Bedingungen mitunter schwer ist, wird jetzt jeden Tag ein neuer Balanceakt.
Antje Gietzelt sagt jede Beratung ab, redet immer wieder mit den Mitarbeitern und sagt ihnen: Passt auf, was ihr tut. Die Verantwortung ist riesig, die für Antje Gietzelt, jeden Mitarbeiter, jeden Einzelnen.
Die Frage nach dem Szenario
Das Szenario, wenn der Virus im Heim auftrete, will sich Antje Gietzelt nicht vorstellen. Und doch muss sie es in die Überlegungen einbeziehen. Was passiert dann? Das ist die Frage, die nicht nur sie sich immer wieder stellt, und auf die es keine Antwort gibt. Jedenfalls keine, die alle beruhigen könnte.
Andere Heimleiter gehen nicht so offen mit der Situation um. Sie verweisen auf allgemeine Informationen, auf Geschäftsführer und auf eine Beratung, die am Mittwoch im Landratsamt mit den Leitern der Pflegeheime stattfinden soll. Einige haben jedoch auch abgesagt. Es sei unverantwortlich, dort diejenigen zu versammeln, die Verantwortung für so viele Menschen haben.