Endlich wieder waschen, färben, föhnen!

Dresden. Kaffee? Wasser? Oder darf es ein Glas Sekt sein? Danach fragte Madlen Wenerski ihre Kunden zur Begrüßung. Bisher. Vor Corona. Jetzt heißt es: Husten, Schnupfen, Heiserkeit? Mit Erkundigungen nach dem gesundheitlichen Befinden beginnt seit Montag der Besuch beim Friseur. Das ist nicht nur freundliche Anteilnahme, so wie der allgegenwärtige Wunsch: Bleiben Sie gesund! Die vielfältigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz gegen das Virus nehmen damit ihren Lauf. "Wir müssen jeden Kunden einen Fragebogen ausfüllen und unterschreiben lassen", sagt Madlen Wenerski. Das sei wichtig, um die Infektionskette verfolgen zu können, sollte ein Kunde oder Mitarbeiter doch an Corona erkranken.
Noch ist es an diesem Montagmorgen ganz still im Geschäft. Um neun Uhr werden die ersten Glücklichen eintreffen. Dann gelangen sie, nicht wie gewohnt, durch die Eingangstür, sondern über Umwege durchs Treppenhaus in den Salon. Dort stehen in langen Reihen farblich sortiert Shampooflaschen ausgerichtet. Auf Kante gelegt warten stapelweise Handtücher auf Arbeit.
Mundschutz-SMS vorm Termin
Wie Ausnahmezustand wirkt hier auf den ersten Blick nichts. Keine Flatterbänder, kein Plexiglas, keine Parcours. Nur mit Bedacht beobachtet fällt die weitläufige Anordnung der Arbeitsplätze auf. "Ich wollte, dass es trotz all der Veränderungen bei uns schön und geschmackvoll aussieht", sagt die Chefin. Wenn schon jede Menge Wellness wegfällt, soll der Friseurbesuch trotzdem eine wohlige Auszeit sein.
Weder ist das Schmökern in bunten Zeitschriften erlaubt, noch darf Madlen Getränke reichen. "Eigentlich duftet es bei uns immer nach frischem Kaffee, jetzt riecht es nach Desinfektionsmittel" - die Unternehmerin tastet nach ihrem Mundschutz und zieht sich schwarze Gummihandschuhe über die Finger. Auch das gehört nun zu den Regularien jedes Besuches im Salon. Nur mit dem neuen Accessoire im Gesicht darf die Stylistin sich über das hermachen, was Corona auf den Köpfen der Menschen angerichtet hat. Auch Kunden müssen Mund und Nase bedecken. "Wir schicken vor dem Termin immer eine Kurznachricht mit der Bitte, einen Mundschutz mitzubringen."
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Als Madlen Wenerski vor sechs Wochen ihren Laden schließen musste, war die Verunsicherung groß. Wie lange soll das alles dauern? Welche wirtschaftlichen Folgen wird der Lockdown für das Unternehmen, ihre Mitarbeiter, für sie selbst und ihre Familie haben?
Jetzt ist die zweifache Mutter froh, dass zumindest für ihren Berufsstand das Schlimmste vorbei zu sein scheint. Um endlich wieder starten zu können, hat sie die Vorgaben des Gesundheitsamtes und die Hinweise der Berufsgenossenschaft akribisch umgesetzt. "Unser Laden ist zum Glück so groß, dass wir großzügig umbauen konnten, um alle Mindestabstände einzuhalten." Die sind wirklich eine Herausforderung und führen zu logistischen Meisterleistungen.
"Ich musste zum Beispiel sechs Waschplätze auf vier reduzieren, damit genügend Platz dazwischen bleibt." Allerdings verlangen die Anti-Corona-Bestimmungen, dass jedem Kunden das Haar gewaschen werden muss, bevor geschnitten, gefärbt, geföhnt werden darf. Außerdem müssen Friseure alle Umhänge und Handtücher mindestens 60 Grad heiß waschen, um Keime abzutöten.
Dreimal am Tag wird alles gewaschen
"Das bedeutet, dass die Waschmaschinen länger laufen und ich Umänge dazu kaufen musste, um genügend zum Austauschen zu haben." Weil Handtücher den Waschplan vollends kollabieren lassen würden, greift Madlen Wenerski vorübergehend auf Einweg-Handtücher zurück.
"Alles, was mit dem Kunden in Berührung gekommen ist, müssen wir desinfizieren", erklärt die Friseurmeisterin. Not macht erfinderisch. Für Scheren, Kämme, Klemmen stehen nun mehrere sogenannte Barbicides bereit. Das sind Glasbehälter mit desinfizierender Flüssigkeit, in denen sich die Utensilien bequem reinigen lassen. Barber nutzen sie üblicherweise für ihre Klingen und Scheren. Dreimal am Tag ist Wischen angesagt. Flächen und Böden sollen keimfrei sein, auch dafür braucht es im Salon jede Menge Mittelchen. All das sind Investitionen, die Madlen Wenerski hatte, noch bevor sie nach wochenlangem Umsatzausfall wieder Geld verdienen konnte.
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"Ich fühle mich definitiv nicht wie nach sechs Wochen Urlaub", sagt Madlen. Von all den Sorgen und Ängsten um die Existenz abgesehen - ein coronagerechtes Hantieren braucht Ideen und will organisiert sein. "Ich habe tagelang am Computer verbracht, um herauszufinden, woher ich all die Dinge bekomme, die ich bisher nie brauchte." Wegwerfmasken zum Beispiel. Zwar soll jeder Kunde seinen eigenen Mundschutz dabei haben. "Aber für diejenigen, deren Haare wir färben, stelle ich welche bereit." Schließlich sei es nicht zu verhindern, dass Chemikalien auf den Stoff geraten. Masken aber sind nach wie vor schwer zu haben und teuer im Einkauf.
Bestellbuch ist voll
In Gruppen hat Madlen Wenerski ihr 17-köpfiges Team geschult, die Verhaltensregeln für jeden nachlesbar ausgedruckt und in einem Ordner verstaut, Hinweisschilder aufgehängt und Schürzen angeschafft, die samt der Arbeitsbekleidung im Salon gewaschen werden sollen. Welch ein Aufriss.
Jetzt steht sie zwischen blank geputzten Spiegeln und schaut auf die Uhr. Das Bestellbuch ist voll, gleich geht es los. Ein kleines bisschen wie damals zur Eröffnung ihres Salons fühlt sie sich: aufgeregt und erwartungsvoll. Die nächsten Wochen werden ihr alles abverlangen. Um den Frisurenstau ihrer Kundschaft aufzuarbeiten, wird sie mit ihrem Team nicht nur wochentags von neun bis zehn, sondern auch sonnabends arbeiten. "Aber ich freue mich, dass wir wieder loslegen dürfen."
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