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Dresden: Dampferflotte vor dem Aus?

Mitarbeiter der Sächsischen Dampfschiffahrt demonstrieren am Donnerstag auf dem Dampfer "Dresden". Es geht um die Zukunft der Flotte.

Von Dominique Bielmeier & Christoph Springer
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Die Mitarbeiter der Flotte sind in Sorge. Sie fürchten die Insolvenz des Unternehmens und machten das mit Spruchbändern am Dampfer "Dresden" deutlich.
Die Mitarbeiter der Flotte sind in Sorge. Sie fürchten die Insolvenz des Unternehmens und machten das mit Spruchbändern am Dampfer "Dresden" deutlich. © dpa/Robert Michael

Dresden. Das gab es noch nie bei der Sächsischen Dampfschiffahrt: Die Mitarbeiter kapern ein Schiff, um auf ihre Unsicherheit, ihre Sorgen, ihre Not aufmerksam zu machen. Nicht irgendein Schiff, den Dampfer "Dresden", das Flaggschiff der Flotte. Per Telefonkette haben sie sich am Donnerstagmorgen organisiert, Plakate wurden gemalt, Sprecher benannt, die Presse informiert. 

Punkt 12 Uhr versammelten sich diejenigen, die kurzfristig Zeit hatten. Es waren reichlich 50 der rund 200 Kollegen, die bei der Flotte und ihren Tochterunternehmen, der Cateringfirma Elbezeit und der Personalvermittlung Crashice, arbeiten. Am Freitag, wenn die Saison nach Corona mit dem ersten Ablegemanöver des Salonschiffs Gräfin Cosel wieder beginnt, sollen es noch mehr werden.

Es ist ernst, sehr ernst. Daran ließen Robert Körner, der eigentlich die Marketingabteilung des Unternehmens leitet, und "Dresden"-Kapitän Andreas Weber keinen Zweifel. Sie sprachen für die Belegschaft. "Ich stehe noch unter Schock", sagte Weber. Am Morgen hatte er von den Problemen gehört, seine Uniform mit den goldenen Streifen angezogen und war zum Treffen auf seinem Dampfer gekommen. 

Es geht um Geld, eine sechsstellige Summe, welche die Flotte laut dem 2019 beschlossenen Sanierungskonzept vom Freistaat erwartet hatte. Die Auszahlung sei nicht angewiesen worden, hieß es, das Geld folglich nicht gekommen. "Schon am Mittwoch konnten deshalb die Krankenversicherungsbeiträge nicht bezahlt werden", berichtete Robert Körner. Am Freitag erwarten die Mitarbeiter der drei Unternehmen eigentlich ihr Monatsgehalt. "Kommt das Geld nicht, ist eine Insolvenz möglich", sagte Körner.

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Am Geländer der "Dresden" befestigten sie ein Spruchband. "Elbpegel + Corona + Freistaat = Dampfer insolvent" war darauf zu lesen. Die Kollegen hatten das auf die Rückseiten von mehreren Werbebannern mit dem freundlichen Firmenlogo geschrieben. Auch ein weiteres Spruchband hatten sie vorbereitet: "Kein Euro mehr - Freistaat lässt uns untergehen", lautete die Botschaft.

Und was nun? Eine Demo hinüber zur Staatskanzlei oder zum Finanzministerium? Das Terrassenufer dicht machen aus Protest? Eine Unterschriftensammlung? Spruchbänder an allen Schiffen? "Wir fahren", waren sich die Mitarbeiter sofort einig. Das heißt, die Saison nach Corona soll am Freitag wie im neuen Fahrplan zu lesen beginnen. 

Um 10.45 Uhr legt das erste Schiff ab. Es wird das Salonschiff "Gräfin Cosel" sein, das zur "Stadtfahrt" auf Strecke geht. Die Tour führt bis zum Blauen Wunder, dort dreht das Schiff und kommt zum Terrassenufer zurück. Kapitän Andreas Weber startet am Sonnabend in die Nach-Corona-Zeit, wenn der Dampfer "Dresden" um 10 Uhr zur "Schlösserfahrt" nach Pillnitz ablegt.

Dampfer-Kapitän Andreas Weber: "Wir haben Industriegeschichte geschrieben mit diesen Schiffen"

"Ich denke natürlich in erster Linie an die 220 Mitarbeiter", sagte Weber. "Aber vor allem kann ich mir Dresden ohne Dampfschifffahrt kaum vorstellen." Die historisch einzigartigen Schiffe müssten erhalten bleiben. "Es ist ein großes Kulturgut, wir haben Industriegeschichte geschrieben mit diesen Schiffen." Sie gehörten zur Stadt wie Frauenkirche oder Semperoper.

Wirklich Klarheit hatten die Mitarbeiter während ihres Treffens nicht über das, was am Vortag schief gegangen war. Dass es Probleme gibt, wurde schon am Mittwoch deutlich, als eine für Donnerstag geplante Pressekonferenz mit Geschäftsführerin Karin Hildebrand und ihrem Kollegen Jeffrey Pötzsch kurzfristig abgesagt wurde. Sie wollten sich zur Zukunft der Flotte äußern, über "die nächsten Schritte ihrer Restrukturierung berichten", hieß es in der Einladung. Am Abend vor dem Termin dann die Absage. Es sei "kurzfristig zu neuen Entwicklungen gekommen", hieß es zur Begründung. Eine Formulierung, die viele Fragen aufwirft.

Der historischer Dampfer "Dresden" der Sächsischen Dampfschifffahrt liegt vor der Kulisse der Altstadt am Terrassenufer. Am Donnerstagmittag wird er zum Schauplatz eines Protests von Mitarbeitern der Sächsischen Dampfschiffahrt.
Der historischer Dampfer "Dresden" der Sächsischen Dampfschifffahrt liegt vor der Kulisse der Altstadt am Terrassenufer. Am Donnerstagmittag wird er zum Schauplatz eines Protests von Mitarbeitern der Sächsischen Dampfschiffahrt. © Archiv/Sebastian Kahnert/dpa

Nachdem im Sommer 2019 eine Insolvenz des Unternehmens nur durch ein Sanierungskonzept, finanzielle Zusagen der beteiligten Banken und das Wohlwollen der Eigentümer, der sogenannten Kommanditisten, vermieden werden konnte, startete das Dampferjahr 2020 vielversprechend. Der Elbepegel passte, das Wetter auch, die ersten Schiffe fuhren im März. Bis Corona kam. 

Dass der Lockdown das angeschlagene Unternehmen besonders treffen würde, war keine Überraschung. Karin Hildebrand, die auch bei schwierigen Verhandlungen kein böses Wort über ihre Verhandlungspartner hören lässt, und ihr Kollege Jeffrey Pötzsch verbreiteten Ende April noch Optimismus. Im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung, in dem es um das Ende der Dienstzeit der Geschäftsführerin ging, sagte Pötzsch, das Land habe die Flotte bisher gut unterstützt, auch in der Corona-Zeit. Dieses Engagement möge der Freistaat "verstetigen". Die Finanzierung sei jedenfalls gesichert durch die SDS-Hausbank und das Land, das Sanierungskonzept sei nicht in Gefahr, trotz Corona

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Jetzt fürchten die Mitarbeiter, dass es vorbei sein könnte mit der Unterstützung aus den Ministerien und der Staatskanzlei. Sandra Jäschke, die Sprecherin des sächsischen Finanzministeriums, lehnte es am Donnerstag ab, sich zu dem Geldproblem zu äußern. Die Kreditvergabe betreffe das Verhältnis von Unternehmen und SAB, teilte sie mit. Die Sächsische Aufbaubank sei dem Bankgeheimnis verpflichtet und könne deshalb keine Auskunft geben. 

Dass es Probleme gibt, räumt sie aber ein. Bereits im vergangenen Jahr sei die Gesellschaft aufgrund des bereits zwei Jahre anhaltenden Niedrigwassers in Schwierigkeiten geraten, erinnert sie an die Probleme von 2019. Die Corona-Krise habe diese verstärkt. Und sie habe "eine bereits eingeleitete nachhaltige Sanierung verhindert". Im Klartext heißt das: Die Sanierung, an die die finanzielle Unterstützung des Freistaats geknüpft war, war zumindest bisher nicht erfolgreich.

Was das für die Zukunft der Flotte bedeutet, kann nur Geschäftsführerin Karin Hildebrand erklären. Sie teilte am Nachmittag mit, es müsse binnen Wochenfrist eine Lösung gefunden werden. Die SAB habe mitgeteilt, dass die Auszahlung des zweiten Teiles eines Zwei-Millionen-Kredits aus "förderrechtlichen Gründen" nicht erfolgen könne. Dieses Geld sollte bis Ende Mai bei dem Unternehmen eingehen. 

Den Mitarbeitern auf den Schiffen bleibt vorerst also nur die Hoffnung, dass eine Insolvenz vermieden werden kann. Dresden-Kapitän Andreas Weber beendete das Treffen auf seinem Schiff mit einem langgezogenen Ton der Dampfhupe. Das konnten sicher auch die Mitarbeiter auf der anderen Elbseite in der Staatskanzlei und dem Finanzministerium hören. Es war nicht die erhoffte Begrüßung zum Neustart nach der Corona-Pause. Es war eine Warnung, ein Hilferuf, viele Kilometer weit gut hörbar.

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