Dresdner Gastronomen geben ihre Löffel ab

Dresden. Den Löffel abgeben - ja, das könnte negativ verstanden werden, gibt Kathleen Parma, die Organisatorin des jüngsten Protests mit leeren Stühlen in Dresden, zu. Doch das mit dem Abgeben sei auch eher als "Übergabe" gedacht - an die Politik, die nun Lösungen anbieten müsse.
Denn auch wenn Restaurants ab dem 15. Mai wieder öffnen dürften, für viele gehe das eben nur mit halber Kraft, meint Parma. Es werden nicht die vollen Einnahmen zu erzielen sein. "Deshalb fordern wir, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen in Lokalen länger als nur bis 2021 gesenkt bleibt."
Verschiedene Gastronomen sprechen am Freitagmorgen auf dem Dresdner Neumarkt über ihre Situation. Robert Gössel von der Eventlocation Marienschacht beispielsweise wird wohl bis Ende des Jahres keine Umsätze erzielen. "Ich engagiere mich nicht, weil ich jetzt zu viel Zeit habe, sondern weil wir etwas erreichen müssen", so Gössel.
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Ulf Neuhaus, Präsident der Deutschen Barkeeperunion, macht sich Sorgen: Nur ein kleiner Teil der Gastrobranche dürfe wieder öffnen, sagt er. Bars, Clubs und Konzertveranstalter seien raus. Er vermisst Konzepte, wie diese überleben sollen.
Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert kommt - mit Mundschutz - zur Demonstration auf dem Neumarkt. Von den Organisatoren erhält er Dank für seinen Einsatz für die Gastwirtschaft und die Unterstützung der bisherigen Aktionen.

Dem Protest haben sich auch erstmals Künstler angeschlossen, die auf ihre Lage aufmerksam machen wollen. Opernsänger Rene Pape ist mit vor Ort, singt aber nicht, wie Kathleen Parma verkündet und gleichzeitig erklärt: "Weil Kunst und Kultur gerade keine Stimme haben." Die Dresdner Philharmonie unterstützte die Aktion musikalisch.
Schließlich der symbolische Akt, nach dem die deutschlandweite Aktion sich an diesem Freitag benannt hatte: Eine lange Schlange von Gastronomen gibt nacheinander ihre Löffel ab - indem sie sie in ein großes Weinfass werfen. Wenn Gastronomen und Bierbrauer am 15. Mai ihr verdorbenes Bier vors Kanzleramt in Berlin schütten werden, wollen auch die Organisatoren der Initiative "Leere Stühle" aus Dresden mit dabei sein.

"Wir haben vor, all die Löffel, die Angehörige der betroffenen Branchen heute auf dem Neumarkt abgegeben haben, dort ebenfalls auszukippen", kündigt Steffen Schmidt an. Der Steuerberater gehört zum Planungsteam der inzwischen europaweit bekannten Aktionen zur Rettung der Gastwirtschaft und des Veranstaltungswesens. Noch sei kein ausreichender Rettungsschirm gespannt, aber die Proteste haben seiner Meinung nach erreicht, dass die Nöte der Wirte, Hoteliers und Veranstalter ernst genommen werden.
Die bisherige Initiative "Leere Stühle" gründet derzeit einen Verein, um ihre Arbeit effektiver organisieren zu können. Entstanden ist sie aus der Idee heraus, öffentlich wirksam auf die Existenzsorgen der Gastro-Branche hinzuweisen, die durch die Corona-Pandemie nicht mehr arbeiten durfte. Am 17. April stellte eine zunächst kleine Gruppe Gastronomen erstmals leere Stühle auf den Dresdner Neumarkt.
Sofort schlossen sich über 550 Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter der Aktion an und fordern seither von Bund und Regierung besondere Unterstützungspakete. Innerhalb einer Woche fanden in zahlreichen Städten Deutschlands weitere Aktionen statt. Inzwischen gibt es Proteste unter dem Motto "Leere Stühle" auch europaweit, zuletzt auf dem Syntagma Platz in Athen.
Der Protest auf dem Neumarkt war der vorerst letzte in Dresden. Über 1.500 Stühle, die in der Corona-Krise leer bleiben, wurden aufgestellt. In deren Mitte: ein rotes Herz, ebenfalls aus Stühlen. Es soll die Liebe zur Branche symbolisieren.
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