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Dresdner Gastronomen geben ihre Löffel ab

Zum vorerst letzten Mal stellten Veranstalter und Gastronomen am Freitag leere Stühle auf dem Neumarkt auf. Warum dabei Löffel flogen.

Von Dominique Bielmeier & Nadja Laske
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Erneut standen Hunderte leere Stühle auf dem Dresdner Neumarkt, in der Mitte ein rotes Herz - ebenfalls aus Stühlen.
Erneut standen Hunderte leere Stühle auf dem Dresdner Neumarkt, in der Mitte ein rotes Herz - ebenfalls aus Stühlen. © Sven Ellger

Dresden. Den Löffel abgeben - ja, das könnte negativ verstanden werden, gibt Kathleen Parma, die Organisatorin des jüngsten Protests mit leeren Stühlen in Dresden, zu. Doch das mit dem Abgeben sei auch eher als "Übergabe" gedacht - an die Politik, die nun Lösungen anbieten müsse. 

Denn auch wenn Restaurants ab dem 15. Mai wieder öffnen dürften, für viele gehe das eben nur mit halber Kraft, meint Parma. Es werden nicht die vollen Einnahmen zu erzielen sein. "Deshalb fordern wir, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen in Lokalen länger als nur bis 2021 gesenkt bleibt." 

Verschiedene Gastronomen sprechen am Freitagmorgen auf dem Dresdner Neumarkt über ihre Situation. Robert Gössel von der Eventlocation Marienschacht beispielsweise wird wohl bis Ende des Jahres keine Umsätze erzielen. "Ich engagiere mich nicht, weil ich jetzt zu viel Zeit habe, sondern weil wir etwas erreichen müssen", so Gössel.

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Ulf Neuhaus, Präsident der Deutschen Barkeeperunion, macht sich Sorgen: Nur ein kleiner Teil der Gastrobranche dürfe wieder öffnen, sagt er. Bars, Clubs und Konzertveranstalter seien raus. Er vermisst Konzepte, wie diese überleben sollen.

Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert kommt - mit Mundschutz - zur Demonstration auf dem Neumarkt. Von den Organisatoren erhält er Dank für seinen Einsatz für die Gastwirtschaft und die Unterstützung der bisherigen Aktionen.

Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP, links) kam zur Aktion auf den Neumarkt.
Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP, links) kam zur Aktion auf den Neumarkt. © SZ/Nadja Laske

Dem Protest haben sich auch erstmals Künstler angeschlossen, die auf ihre Lage aufmerksam machen wollen. Opernsänger Rene Pape ist mit vor Ort, singt aber nicht, wie Kathleen Parma verkündet und gleichzeitig erklärt: "Weil Kunst und Kultur gerade keine Stimme haben." Die Dresdner Philharmonie unterstützte die Aktion musikalisch. 

Schließlich der symbolische Akt, nach dem die deutschlandweite Aktion sich an diesem Freitag benannt hatte: Eine lange Schlange von Gastronomen gibt nacheinander ihre Löffel ab - indem sie sie in ein großes Weinfass werfen. Wenn Gastronomen und Bierbrauer am 15. Mai ihr verdorbenes Bier vors Kanzleramt in Berlin schütten werden, wollen auch die Organisatoren der Initiative "Leere Stühle" aus Dresden mit dabei sein.

Eine Redensart wörtlich genommen: Dresdner Gastronomen und Veranstalter gaben am Freitagmorgen auf dem Neumarkt den Löffel ab.
Eine Redensart wörtlich genommen: Dresdner Gastronomen und Veranstalter gaben am Freitagmorgen auf dem Neumarkt den Löffel ab. © Sven Ellger

"Wir haben vor, all die Löffel, die Angehörige der betroffenen Branchen heute auf dem Neumarkt abgegeben haben, dort ebenfalls auszukippen", kündigt Steffen Schmidt an. Der Steuerberater gehört zum Planungsteam der inzwischen europaweit bekannten Aktionen zur Rettung der Gastwirtschaft und des Veranstaltungswesens. Noch sei kein ausreichender Rettungsschirm gespannt, aber die Proteste haben seiner Meinung nach erreicht, dass die Nöte der Wirte, Hoteliers und Veranstalter ernst genommen werden.

Über 1.500 Stühle wollen die Organisatoren und Teilnehmer der Aktion auf dem Dresdner Neumarkt aufgestellt haben. 
Über 1.500 Stühle wollen die Organisatoren und Teilnehmer der Aktion auf dem Dresdner Neumarkt aufgestellt haben.  © Sven Ellger
Von oben boten sie ein beeindruckendes Bild. 
Von oben boten sie ein beeindruckendes Bild.  © Sven Ellger
Rot bezogene Stühle bildeten ein Herz in der Mitte des Stuhl-Arrangements. 
Rot bezogene Stühle bildeten ein Herz in der Mitte des Stuhl-Arrangements.  © Sven Ellger
Auch eine festlich gedeckte Tafel stand wieder auf dem Neumarkt. 
Auch eine festlich gedeckte Tafel stand wieder auf dem Neumarkt.  © Sven Ellger
Mehrere Dresdner Gastronomen sprachen zur Aktion auf dem Neumarkt, Opernsänger René Pape (l.) kam auch, sang jedoch nicht. 
Mehrere Dresdner Gastronomen sprachen zur Aktion auf dem Neumarkt, Opernsänger René Pape (l.) kam auch, sang jedoch nicht.  © Sven Ellger
Die leeren Stühle waren mit Stickern der Initiative gekennzeichnet. 
Die leeren Stühle waren mit Stickern der Initiative gekennzeichnet.  © Sven Ellger
Die Initiative "Leere Stühle" von Gastronomen in der Corona-Krise wird nun zum Verein. 
Die Initiative "Leere Stühle" von Gastronomen in der Corona-Krise wird nun zum Verein.  © Sven Ellger

Die bisherige Initiative "Leere Stühle" gründet derzeit einen Verein, um ihre Arbeit effektiver organisieren zu können. Entstanden ist sie aus der Idee heraus, öffentlich wirksam auf die Existenzsorgen der Gastro-Branche hinzuweisen, die durch die Corona-Pandemie nicht mehr arbeiten durfte. Am 17. April stellte eine zunächst kleine Gruppe Gastronomen erstmals leere Stühle auf den Dresdner Neumarkt. 

Sofort schlossen sich über 550 Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter der Aktion an und fordern seither von Bund und Regierung besondere Unterstützungspakete. Innerhalb einer Woche fanden in zahlreichen Städten Deutschlands weitere Aktionen statt. Inzwischen gibt es Proteste unter dem Motto "Leere Stühle" auch europaweit, zuletzt auf dem Syntagma Platz in Athen.

Der Protest auf dem Neumarkt war der vorerst letzte in Dresden. Über 1.500 Stühle, die in der Corona-Krise leer bleiben, wurden aufgestellt. In deren Mitte: ein rotes Herz, ebenfalls aus Stühlen. Es soll die Liebe zur Branche symbolisieren. 

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