Ein bisschen wie Urlaub

Von Catharina Puppel
Eine Giraffe schreitet durch das Gras. Immer wieder bleibt sie stehen, um mit ihrer langen Zunge an den Akazien zu zupfen. In freier Natur kann man ihre Anmut derzeit nicht bewundern. Denn Corona zwingt die Menschen, zu Hause zu bleiben. Die Not allerdings macht viele Veranstalter erfinderisch. Virtuelles Reisen soll das Fernweh stillen und Lust auf neue Abenteuer machen.
Auf Safari in Südafrika
In Südafrika zum Beispiel bietet die Luxushotelgruppe Andbeyond virtuelle Safaris durch vier verschiedene Wildtierreservate an. Der Guide streamt dabei Beobachtungen von Löwen, Elefanten und Nashörnern direkt per Youtube, Instagram und Facebook in Wohnzimmer am anderen Ende der Welt.
Mit Helikopter über die Färöer
Färöer, die kleine Inselgruppe im Atlantik, macht ein ähnliches Angebot: Via Smartphone, Tablet oder auch PC kann man als Tourguide mit einer Kamera am Kopf aktiv durch die raue Landschaft steuern – quasi wie einen Avatar in einem Videospiel. „Remote Tourism“ nennt sich das, Tourismus per Fernsteuerung.
Sogar ein Helikopterflug lässt sich dirigieren. Anmelden können sich Interessierte auf der Fremdenverkehrs-Website von Färöer, es gibt feste Termine. Nutzer, die beim Flug dabei sind, können jeweils für eine Minute die Kontrolle über den Guide übernehmen.
Schweiz
In der Schweiz können Besucher virtuell von Gipfel zu Gipfel und zu Aussichtspunkten springen, dort bietet sich eine 360-Grad-Sicht auf die Berge. Auch virtuelle Rundflüge über das Genfersee-Gebiet sind möglich. Kronach im Frankenwald mit seinen schmucken Fachwerkhäusern legte eine Live-Stadtführung auf Instagram auf.
Mit Smartphone ins Museum
Auch viele geschlossene Museen locken digital mit spannenden virtuellen Rundgängen durch die Ausstellungssäle und mit zahlreichen Hintergrundinfos. Das geht etwa im Frankfurter Städel Museum per Virtual-Reality-App und Smartphone. Aber auch viele Museen etwa in Italien machen entsprechende Angebote. Auch viele Konzerte, die man sonst am Urlaubsort genossen hätte, und andere Kulturveranstaltungen lassen sich online mitverfolgen.
360-Grad-Videos von Städten
Zunehmend werden ganze Städte virtuell erlebbar gemacht, wobei nicht immer alle digitalen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Auch werden viele Online-Inhalte wie Videos in Corona-Zeiten nun als „virtuelles Reisen“ verkauft. Alter Wein in neuen Schläuchen. Aber das ist schließlich besser als gar nichts. 360-Grad-Panoramaaufnahmen etwa gibt es schon länger. So kann man virtuell das Empire State Building besichtigen oder mit dem Heißluftballon durch die namibische Wüste fliegen.
Hannover
Auch in Deutschland gibt es einiges. Hannover zum Beispiel bietet auf seiner Tourismus-Webseite zahlreiche 360-Grad-Fotos bekannter Sehenswürdigkeiten. So ist ein Altstadtrundgang möglich, und auch die Herrenhäuser Gärten lassen sich virtuell erkunden. Die Urlaubsregion um die niedersächsische Landeshauptstadt bietet 24 Panorama-Ansichten, wie das Steinhuder Meer oder den Deister. Mit nur einem Klick geht es in den Virtual-Reality-Modus.
360-Grad-Videos
Auch Reiseveranstalter wollen digitale Inspiration bieten. So stellt etwa DER Touristik 360-Grad-Videos aus Zielgebieten wie Nizza, Südafrika und Mexiko zur Verfügung. Virtuelle Rundgänge über Kreuzfahrtschiffe gibt es etwa bei Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises. Und bei Tui zum Beispiel können Urlauber die Hotels der Marken Magic Life und Tui Blue auf virtuellen Rundgängen schon mal vorab erkunden – und sogar die Zimmer inspizieren.
Familien auf Weltreise
Außerdem gibt es unzählige private Reisedokus. Die meisten Protagonisten vereint, dass sie kinderlos sind, ohne Verpflichtungen und sich Hals über Kopf in das nächste Abenteuer stürzen. Dass selbst eine Weltreise auch als Familie möglich ist, beweist die Dokumentation „Zwei Familien auf Weltreise“. Jobs werden gekündigt, Häuser verkauft und die Kinder aus dem Kindergarten und der Schule genommen. Im Fall von Thor und Maria steht während der Reise auch der elterliche Unterricht auf dem Programm, da die beiden älteren Töchter bereits schulpflichtig sind. Nicht viel einfacher haben es Sandy und Benni, die mit ihrem Baby ins Abenteuer Weltreise starten.
Das neue Reisen ohne CO2-Fußabdruck?
Die Virtual-Reality-Technologie hat viel möglich gemacht. Damit lassen sich fremde Länder und Kontinente zwar nicht hautnah, aber doch sehr realitätsnah erkunden. Der Wiener Zukunftsforscher Tristan Horx glaubt, dadurch können Sehnsüchte gestillt und Impulse für künftige Reisen gesetzt werden. Er will darin auch einen gewissen Trend zur Entschleunigung des Reisens erkennen. Die Vorstellung, ohne CO2-Fußabdruck und eine Belastung der Natur in allen Regionen der Welt unterwegs zu sein, werde damit Wirklichkeit.
VR-Apps wie Google Earth könnten beeindruckende Einblicke in Städte und Gebäude gewähren, sagt Horx. Allerdings werde das Gehirn bei der Nutzung von VR-Technik in besonderem Maße beansprucht. Länger als eine Stunde könne man die Brillen kaum nutzen.
Probleme mit der Verträglichkeit und ungeeignete Filme sind nach Einschätzung von Carsten Fischer die Gründe, weshalb VR-Reisen bislang kaum Verbreitung gefunden haben. Der Geschäftsführer von Interactive CMS hat solche Brillen zur Unterstützung bei der Beratung in die Reisebüros gebracht. Doch die Akzeptanz der Kunden blieb hinter den Erwartungen zurück. Und einen richtigen Urlaub können all die virtuellen Eindrücke ohnehin nicht ersetzen.
Mit Bildern und Videos allein lasse sich die Komplexität einer Reise nicht annähernd abbilden, sagt Horx. „Das visuelle Erleben ist nur ein Aspekt von vielen sinnlichen Eindrücken, die wir unterwegs machen.“ Interaktionen mit Natur und Kultur und den Menschen vor Ort seien entscheidend für das Reiseerlebnis. Der Bundesverband der Tourismuswirtschaft will darauf jetzt wieder Lust machen – mit der Kampagne #Ich freu mich auf... (dpa/rnw)