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Guck mal, wer da guckt

Der Tierpark Meißen öffnet am Wochenende ganztägig. Es gibt viel zu sehen, aber auch große Probleme.

Von Peter Anderson
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Der Tierpark Meißen öffnet am 9. Mai 2020 erstmals wieder ganztägig seine Pforten. Zu den Attraktionen zählen zwei Nandu-Junge und drei kleine Kängurus.
Der Tierpark Meißen öffnet am 9. Mai 2020 erstmals wieder ganztägig seine Pforten. Zu den Attraktionen zählen zwei Nandu-Junge und drei kleine Kängurus. © Heiko Drechsler

Meißen. Gertrud ist hibbelig. Vorsichtig hebt Tierparkchef Heiko Drechsler das Känguru-Mädchen aus seiner Box im Kofferraum des VW Bus. Die Nacht verbringt das Ziehkind, welches es mittlerweile von 400 Gramm auf acht Kilogramm gebracht hat,  immer noch bei ihm zu Hause in Cossebaude auf der Küchenbank. Den Tag allerdings lebt das Waisenkind mittlerweile bei seinen Artgenossen in dem weiträumigen Gehege im Meißner Ortsteil Siebeneichen. Sie müsse jetzt von den anderen Kängurus lernen, langsam allein zurecht zu kommen, sagt Drechsler. 

Der Dresdner hat - wie eigentlich immer - in diesen Tagen alle Hände voll zu tun. Normalerweise bräuchte es sechs Hände, um den privaten Tierpark zu betreiben. Doch nach Jahren des Streits hat die Stadt ihre finanzielle Hilfe für die Freizeiteinrichtung eingestellt. Von den Behörden geschickte Mitarbeiter erweisen sich oftmals als unzuverlässig. 

Die Liebe zu den Tieren und die Verbundenheit mit dem Siebeneichener Gelände machen es dem Tierparkbetreiber jedoch schwer, nach fast zwei Jahrzehnten in seinem Traumberuf einen Schlussstrich zu ziehen. Im Gegenteil: Am Wochenende soll erstmals seit September vergangenen Jahres wieder ganztägig von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet sein. Ursprünglich hatte es schon im März wieder losgehen sollen. Doch dann kam die Corona-Krise.

Das Nandu-Junge und sein Geschwisterchen unternehmen im Meißner Tierpark auch gern mal einen Ausflug zu den Eseln ins Nachbargehege.
Das Nandu-Junge und sein Geschwisterchen unternehmen im Meißner Tierpark auch gern mal einen Ausflug zu den Eseln ins Nachbargehege. © Heiko Drechsler

Drechsler ist mittlerweile oben am Känguru-Gehege angelangt, öffnet die Tür und setzt Gertrud ab. Die junge Dame blickt etwas irritiert, dann hüpft sie los. Ihre Artgenossen schauen neugierig zu. Sie gewöhnen sich langsam daran, dass die Gruppe ein Mitglied hinzugewonnen hat, welches außergewöhnlich gut vertraut mit Menschen zu sein scheint. 

Insgesamt freut sich der Tierparkchef derzeit über drei Känguru-Junge. Das Kleinste von ihnen - ein sehr seltenes weißes Känguru - versteckt sich aktuell noch die meiste Zeit im Beutel seiner Mutter. Doch wenn es einen Blick nach draußen wagt, dürfte es am Wochenende schnell alle Augen auf sich ziehen. 

Auch in anderen Gehegen zeigt sich der Frühling. Zwei gestreifte Nandu-Junge flitzen zwischen den langen Beinen ihrer Eltern herum. Mitunter wagen sie Ausflüge zu ihren Nachbarn, den Eseln, und sorgen dort für Irritation. Bei den Ziegen und Schafen meckert und blökt ebenfalls der Nachwuchs.

Spenden aus der ganzen Welt

Trotz dieser positiven Bilder: Der Verdienstausfall über insgesamt acht Monate seit dem September vergangenen Jahres hinweg macht dem Dresdner große Sorgen. In normalen Jahren hätte er jetzt mit den Einnahmen über Ostern und dem 1. Mai das Minus aus den traditionell ausfallenden Wintermonaten halbwegs ausgeglichen. Doch aufgrund der Corona-Krise ist dieses Geschäft komplett entfallen. Eine außergewöhnlich hohe Spendenbereitschaft hat allerdings dafür gesorgt, dass er zumindest die Rechnungen bei den Stadtwerken und für Spezialfutter bezahlen konnte.

"Was ich in den letzten Wochen an Hilfe erfahren habe, ist wirklich irre", sagt Drechsler. Zu den ersten Spendern habe der Mitbegründer der Initiative Bürger für Meißen, Walter Hannot, gehört. Bundesweite Medienberichte hätten eine regelrechte Spendenwelle ausgelöst. Sehr großzügig habe ihn ein Dresdner Heizungsbauer unterstützt. 

Aus allen Bundesländern hätten Tierfreunde Geld überwiesen. Selbst aus Südtirol, Holland und Frankreich kamen Überweisungen auf dem Spendenkonto an. Gerührt sei er von einem Anruf und Hilfe aus Thailand gewesen. 

Den ausgewanderten Deutschen war er durch eine humorvolle Geburtstagsführung in Erinnerung geblieben. Dafür wollten sie sich nochmals finanziell bedanken. "Solche Gesten und ein Blick auf Gertrud - das motiviert mich zum Durchhalten", so der Tierparkchef.