Dresden hilft jetzt Bergamo

Dresden. Es sind Szenen, die wir in Dresden so noch nicht gesehen haben. Als sich die Laderampe des italienischen Militärflugzeugs auf dem Dresdner Flughafens am Donnerstagnachmittag öffnet, steigen Männer in gelben Schutzanzügen aus. Ihr Kopf, ihre Füße, ihr halbes Gesicht - alles ist verhüllt. Man sieht es ihnen nicht an, aber es handelt sich um Rettungskräfte.
Ärzte und Sanitäter aus Italien, die sich in den vergangenen eineinhalb Stunden um die beiden schwer kranken Passagiere gekümmert haben. Sie kommen aus der Region Bergamo und sind mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Ihr Überleben hängt jetzt an deutschen Ärzten - Medizinern aus Dresden und Coswig.
Mehrere Bundesländer, darunter Sachsen, hatten den italienischen Behörden in den vergangenen Tagen Hilfe angeboten. Hilfe, weil es in Italien inzwischen so viele Schwerkranke gibt, dass dort weder die personellen, noch die räumlichen und technischen Kapazitäten reichen. Beatmungsgeräte sind Mangelware. Vier italienische Patienten werden bereits seit Mittwoch in Leipzig behandelt. "Sie sind nach einem kritischen Zustand inzwischen stabil", sagte Klinikum-Sprecher Markus Bien.
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"Ein Akt humanitärer internationaler Hilfe"
Unklar ist, wie es den Menschen geht, die mit der schweren, dunkelgrauen Lockheed C-130 Hercules in Klotzsche gelandet sind. Das Gesundheitsministerium verweist auf den Datenschutz und will keine Details preisgeben. Der Intensiv-Transportwagen, der auf das Rollfeld fährt, das durchsichtige Plastikzelt, das beide Patienten umgibt, und überhaupt der Umstand, dass sie nach Deutschland geflogen wurden, lassen jedoch erahnen, wie es um sie stehen muss.
Ein Rettungswagen hat am Donnerstag Kurs auf das Dresdner Universitätsklinikum genommen, der andere ist zum Coswiger Fachkrankenhaus für Lungenheilkunde gefahren. Nicht nur, dass das Uniklinikum derzeit über freie Kapazitäten für Patienten verfügt, die beamtet werden müssen. Die Landesregierung hat auch festgelegt, dass auf dem Campus die zentrale Krankenhaus-Leitstelle "Corona" für Dresden und ganz Ostsachsen eingerichtet wird. Diese soll sicherstellen, dass schwer erkrankte Patienten mit einer bestätigten Coronavirus-Infektion oder deutlichen Anzeichen dafür in die Klinik gebracht werden, die dafür am besten ausgestattet ist. Insgesamt stünden laut Uniklinikum derzeit 6.334 Betten – darunter 288 Intensivbetten – in Dresden und Ostsachsen zur Verfügung.
Ärzte und Pfleger betreuten den Patienten aus Bergamo nun intensivmedizinisch, so Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums. "Wir unterstützen damit in einem Akt humanitärer internationaler Hilfe Italien." Morgen solle ein weiterer Patient aus Bergamo am Uniklinikum ankommen. "Wir schauen uns diese Patienten intensiv an und leiten daraus Erkenntnisse für die Behandlung weitere Patienten ab. Dies geschieht aber insbesondere auch durch den internationalen und bundesweiten Austausch zwischen Intensivmedizinern, Virologen und Infektiologen." Aus anderen Ländern seien aktuell keine Patienten eingeliefert oder angekündigt worden, so das Uniklinikum.
Ob darüber hinaus weitere Erkrankte aus Italien nach Sachsen geflogen werden, konnte das Gesundheitsministerium zunächst nicht sagen. Sachsen hat sich allerdings bereit erklärt, insgesamt acht schwer kranke Covid-19-Patienten aus der Region Bergamo aufzunehmen, die besonders stark von der Corona-Epidemie betroffen ist. Auch das Städtische Klinikum mit seinen Krankenhäusern in Friedrichstadt und Neustadt habe grundsätzlich angeboten, Patienten aus Italien aufzunehmen, bestätigte eine Sprecherin gegenüber der SZ.
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Das Corona-Forschungszentrum an der amerikanischen Johns Hopkins Universität meldete am Donnerstag mehr als 74.000 nachgewiesene Infektionen in Italien - fast doppelt so viele wie in Deutschland.
Wie vorsichtig die italienischen Helfer inzwischen vorgehen, konnte man in Dresden beobachten. Bevor sie wieder ins Flugzeug stiegen, sprühten sie ihre kompletten Anzüge mit Desinfektionsmittel ab.
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