So starten Kitas nach der Corona-Pause

Nach langer Corona-Pause dürfen am Montag wieder alle Kinder in die Kindergärten und Krippen zurück. Eingeschränkter Regelbetrieb nennt sich das Ganze, der Freistaat hat das am Mittwoch beschlossen. Von Normalbetrieb kann noch keine Rede sein, die Auflagen sind umfangreich. Die SZ erklärt, wie die Einrichtungen damit umgehen, was Eltern jetzt wissen müssen und was das alles für die Kleinsten bedeutet.
Wie werden die Kinder jetzt betreut?
Die Betreuung soll nun in festen Gruppen erfolgen – mit derselben Erzieherin. Die verschiedenen Gruppen sollen untereinander keinen Kontakt haben. So lasse sich im Ansteckungsfall leichter die Infektionskette nachvollziehen. Damit will man vermeiden, dass in so einem Fall gleich ganze Einrichtungen schließen müssen. Die strikte Gruppentrennung gilt auch für draußen, wie die Stadtverwaltung Görlitz bestätigt. Im Görlitzer Kinderhaus „Kinderinsel Kunterbunt“, einer städtischen Kita auf der Mittelstraße, gibt es 100 Kinder.
Bis auf neun werden am Montag alle kommen. Eine große Herausforderung für Kita-Leiterin Elvira Kühn. „Wir haben feste Gruppenbereiche geschaffen.“ Für den Garten soll es Zeiteinteilung und räumliche Trennung geben. Jede der sechs Gruppen kann am Vormittag eine Stunde in den Garten, nachmittags nicht mehr. Geschwisterkinder können zumindest im Kindergarten-Bereich gemeinsam betreut werden. Sind Geschwister in Krippe und Kindergarten, lässt sich eine Vermischung nicht vermeiden.

Das DRK zwischen Görlitz und Niesky umfasst elf Kindereinrichtungen mit 1.000 Kindern, unter anderem zwei in Görlitz, je eine in Sohland, Mengelsdorf, Niesky, Horka und Königshain. Für alle sie gilt, dass das fast überall übliche Konzept der offenen Gruppen jetzt erst einmal nicht fortgeführt werden kann. Vorstand Janet Schulz: „Wir freuen uns, dass endlich wieder Leben ins Haus kommt. Aber die Auflagen stellen uns natürlich vor große Herausforderungen.“
Was bedeutet das fürs Personal?
So zum Beispiel beim Personal. „Wir können nun keine Mitarbeiter mehr ‚springen‘ lassen“, so Schulz. Auch die klassischen Früh- und Spätsammelgruppen fallen weg, weil eine Mischung nicht sein soll. So wird es wahrscheinlich auf mehr Erzieher pro Gruppe hinauslaufen, die ohnehin größer sein sollen.
Petra Zimmermann von der Stadtverwaltung sagt, dass man mit den städtischen Kita-Angestellten diese Woche wegen Aufstockung der Arbeitsstunden gesprochen habe. Hier geht es nicht nur um die Kitas, sondern auch um die Horte, für die ebenfalls alles neu organisiert werden muss, da ab Montag auch die Grundschulen wieder in vollen Klassenverbänden starten. Elvira Kühn hat in ihrer „Kinderinsel Kunterbunt“ zwölf Erzieherinnen zur Verfügung, die sie neu eintakten muss. Zwei sind jetzt morgens und nachmittags für die neuen Bringe- und Abholbereiche zuständig. Deren Aufgabe sei auch, darauf zu achten, dass das mit der Desinfektion klappt, die Eltern täglich belehrt und entsprechende Listen geführt werden. Für Eltern, die in der Pflege oder in Schichten arbeiten, gibt es nun eine Frühgruppe von 6.30 bis 15 Uhr sowie eine Spätgruppe von 8 bis 16.30 Uhr. Für die ganze Organisation hat die Kitaleiterin stundenlang am Telefon gesessen und alle Eltern angerufen. Schwachstelle dieses Systems: Wenn eine Erzieherin ausfällt, gibt es keinerlei Reserve.
Wie geht das mit der Hygiene?
Es gelten für Eltern und Kinder die seit Pandemie-Beginn üblichen Hygienevorschriften. Bei Verdacht auf Erkrankung an Covid-19 könne der Zugang verweigert werden, heißt es vom Kultusministerium. Die Einrichtungen müssen ihre Hygienekonzepte überarbeiten.
Wie werden die Kitas geöffnet sein?
Wenn es nicht ausreichend Personal oder Räume gibt, kann die Betreuungszeit vorübergehend eingeschränkt werden, sagt Petra Zimmermann von der Stadtverwaltung. Und im Kinderhaus „Kinderinsel Kunterbunt“ geht es auch mit eingeschränkten Öffnungszeiten los, und zwar von 7 bis 15.30 Uhr. Wegen des Arbeitszeitgesetzes sei es gar nicht anders möglich, so Frau Kühn, denn Erzieherinnen dürfen nicht längere Zeit über acht Stunden arbeiten. Allerdings habe man auch Sonderregelungen für Härtefälle ermöglicht. „Wie wir die Pausenzeiten regeln wollen, ist uns noch nicht klar, da wir Erzieherinnen ja untereinander nicht tauschen dürfen. Janet Schulz vom DRK sagt: „Wir wollen unsere Öffnungszeiten halten.“
Worauf müssen Eltern achten?
Sie hoffe sehr, dass alle aufeinander achten und Eltern ehrlich sind – vor allem, wenn das Kind Krankheitssymptome hat, so Schulz. „Und wir vertrauen darauf, dass die Eltern Eigenverantwortung übernehmen und ihr Kind nur zu den zwingend notwendigen Zeiten bringen.“ Beim DRK wie auch in den anderen Kitas müssen die Eltern jeden Tag schriftlich bestätigen, dass Kind und Familie gesund sind – dafür gibt es ein Formular.Wichtig auch: Die Eltern dürfen eigentlich die Einrichtung nicht betreten. Daher die Bringe- und Abholzonen, die Kitas eingerichtet haben. „Wir gehen da aber vorsichtig optimistisch heran, wir konnten in den acht Wochen Notbetreuung hier schon Erfahrungen sammeln mit der Übergabe der Kinder“, sagt Elvira Kühn. Janet Schulz wünscht sich, dass Eltern bei Sorgen oder Problemen direkt an die Kita herantreten und Dinge so, anstatt in den sozialen Netzwerken, ansprechen.
Was bedeutet das für die Kinder?
Zunächst einmal große Verunsicherung, fürchten etwa Elvira Kühn und Janet Schulz. Schließlich sind die meisten wochenlang nicht da gewesen und verlieren jetzt vielleicht durch die neuen Gruppen noch ihre gewohnten Erzieher und Freunde. „Wir fühlen uns verunsichert, weil wir nicht wissen, was uns am Montag erwartet“, sagt Frau Kühn: „Wie werden die Kinder nach acht Wochen reagieren?“
„Sie finden völlig neue Bedingungen vor“, sagt auch Frau Schulz. „Deshalb wollen wir unbedingt den Blick fürs Kind behalten, schauen, dass sie gut reinkommen und sich wohl fühlen.
Warum gibt es Kritik?
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte am Mittwoch vor Chaos durch die Wiedereröffnung der Kitas. Die Auflagen könnten gar nicht erfüllt werden – schon allein in personeller Hinsicht. Schon vor Corona habe es nicht ausreichend Personal in Krippen, Kindergärten und Horten gegeben. Die überraschende Komplettöffnung sei nicht nachvollziehbar und verschärfe die Probleme noch – Personal und Träger würden überfordert.
Zumindest Elvira Kühn spricht die GEW hier aus der Seele. Abgesehen vom organisatorischen Mammutprogramm, das durch täglich neue Informationen erschwert wurde, verstehe sie nicht, warum keine schrittweise Wiedereröffnung möglich war. „Nun starten wir von 0 auf 100 und sind ab Montag eine Kita ohne Konzept. Vor- und Nachbereitungszeit gibt es nicht, für Teamberatungen bleibt keine Zeit. Und was ist mit dem Mehrbedarf für Integrationskinder?“ Außerdem gebe es keine Regelungen für Erzieher über 60 oder mit chronischen Krankheiten. „Die psychischen Belastungen der letzten Wochen haben Spuren hinterlassen. Wie lange meine Erzieherinnen diesem standhalten können, ist fraglich.“