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„Ich bin gespannt auf Ihre Fragen“

Landtagssitzung in Zeiten von Corona: Mit Michael Kretschmer stand erstmals ein Ministerpräsident allen Abgeordneten direkt Rede und Antwort.

Von Gunnar Saft
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Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, beantwortet während der Sitzung des Sächsischen Landtages souverän die Fragen der Abgeordneten.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, beantwortet während der Sitzung des Sächsischen Landtages souverän die Fragen der Abgeordneten. © Robert Michael/dpa

Es ist eine Premiere unter widrigen Umständen. Als der amtierende Landtagspräsident Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) am Mittwoch ans Rednerpult ruft, ist die Hälfte des Parlaments verwaist. Von den 119 Abgeordnetenplätzen sind nur 60 besetzt. Exakt so viele wie nötig, um an diesem Tag ordnungsgemäß und beschlussfähig eine Sitzung abhalten zu können.

Dass nur jeder zweite Abgeordnete der fünf Fraktionen an der Beratung teilnimmt, gehört zu den vorher vereinbarten Schutzmaßnahmen im Corona-Zeitalter. Nur so ist im Plenum der notwendige Sicherheitsabstand zwischen den Politikern einzuhalten. Neu ist auch, dass im Landtag diesmal mit der offiziell als „Mund-Nase-Bedeckung“ bezeichneten Vermummungshilfe ein bisschen Politik gemacht wird.

So fallen die AfD-Abgeordneten sowie ihre Sympathisanten und Mitarbeiter auf der Zuschauertribüne durch ein besonderes Einheitsmodell auf: Alle tragen die gleichen schwarz-rot-gold gefärbten Stoffmasken, die dadurch wie Uniformen wirken. Ministerpräsident Kretschmer hält es dagegen mit einer in den sächsischen Farben Weiß und Grün bedruckten Variante. So zeigt jedermann, was ihm am liebsten ist.

Der Landtagsabgeordnete Dietmar Frank Schaufel (AfD, M) trägt wie seine Kollegen einen Mundschutz in den Farben Schwarz-Rot-Gold.
Der Landtagsabgeordnete Dietmar Frank Schaufel (AfD, M) trägt wie seine Kollegen einen Mundschutz in den Farben Schwarz-Rot-Gold. © dpa

Am Rednerpult angekommen darf der Regierungschef seine Maske abnehmen, aber noch nicht zu sprechen beginnen. Weil sich in dem Moment das erste Mal ein Ministerpräsident in einer offiziellen Fragestunde direkt dem Parlament stellt – eine Änderung der Geschäftsordnung macht es möglich –, hält der Sitzungsleiter einige Erläuterungen für angebracht. Für den Landtag ist das schließlich ein historisches Ereignis, da nimmt man sich mehr Zeit.

„Der Ministerpräsident darf zunächst fünf Minuten sprechen. Fragen an ihn dürfen bis zu einer Minute lang sein, die Antworten höchstens drei Minuten. Für die Fragestunde selbst stehen insgesamt 40 Minuten zur Verfügung.“ Es ist wie vor einem Wettkampf, bei dem die Konkurrenten noch einmal auf die Regeln eingeschworen werden. Den Startschuss gibt dann Kretschmer selbst, nachdem er in etwas weniger als fünf Minuten noch einmal die aktuelle Krise im Land beschrieben hat: Das Virus, die Gefahren, die Nöte der Menschen und das, was die Regierung dagegen tut. „Jetzt bin ich gespannt auf Ihre Fragen!“

Zäher Wettkampf mit klaren Regeln

Was danach kommt, ist kein scharfes Kreuzverhör, das den Regierungschef etwa in Bedrängnis bringt, im Gegenteil. Die Landtags-Arithmetik birgt nämlich einen klaren Vorteil für das Regierungslager. Weil jede Fraktion reihum Fragen stellen darf, kommen Abgeordnete von CDU, Grünen und SPD dreimal zu Wort, bevor die Opposition aus AfD und Linken zweimal nachhaken kann.

Kretschmer beantwortet deshalb häufiger Fragen aus den Koalitionsreihen, die mitunter gar keine Fragen sind, sondern gut gemeinte Stichworte. Es geht um die Kapazitäten für Corona-Tests, um Hilfsprogramme für die Wirtschaft oder um die Kita-Notbetreuung. Themen, die Kretschmer mit positiven Botschaften verbinden kann: Man könne genug testen, die Hilfstöpfe sind voll und künftig sollen auch wieder mehr Kinder die Kitas und auch die Schulen besuchen können. Zwar ginge noch nicht alles, was sich die Menschen jetzt wünschen, jedoch bei weiterhin viel Disziplin und starkem Zusammenhalt immer ein paar Schritte mehr.

Dass der Ministerpräsident bei dieser Parlamentspremiere nicht ins Schlingern gerät, hängt aber auch an den vergleichsweise harmlosen Oppositionsfragen, bei denen sich der eine oder andere Fragesteller zudem weit auf dünnes Eis wagt. Als sich ein AfD-Abgeordneter forsch erkundigt, ob Sachsen überhaupt einen Plan hat, was die Öffnung der Kitas und Schulen betriff, wie es Kretschmer in einer Talkrunde mit Anne Will angekündigt habe, kann der sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich empfehle die regelmäßige Lektüre sächsischer Tageszeitungen oder ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit.“ Sagt es und erklärt den bekannten Stufenplan zur Öffnung der Einrichtungen erneut.

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie kommt der Landtag mit weniger Abgeordneten und nur zu einem Sitzungstag zusammen.
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie kommt der Landtag mit weniger Abgeordneten und nur zu einem Sitzungstag zusammen. © dpa

Vertreter der Linksfraktion fragen nach Lernprozessen in der Krise und warum sich Sachsens Regierungschef jüngst mit seinem Amtskollegen aus Sachsen-Anhalt, aber nicht dem Thüringer Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu Corona beraten hat. Ein weiterer AfD-Parlamentarier will mehr zu den Testkapazitäten wissen, verbindet seine Frage aber auch mit einem Dank für die Arbeit von SPD-Gesundheitsministerin Petra Köpping und hofft daraufhin: „Meine Fraktion wird mir das nachsehen.“

Die am Ende etwas mehr als 40 Minuten sind für den Regierungschef gut durchzustehen. Michael Kretschmer bleibt genug Zeit, um von den Erfolgen seiner Regierung zu sprechen und den Durchhaltewillen der Bürger mit der Aussicht auf weitere Lockerungen zu stärken. Gut möglich, dass er sich auf die nächste Fragerunde im Landtag, bei der ihn die Abgeordneten ins Visier nehmen dürfen, nun sogar freut.

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