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Nur zwei Schutzmasken pro Praxis 

Schutzausrüstung wird immer wichtiger, zumal Ärzte nach Kontakt mit Infizierten weiterarbeiten dürfen. Doch kaum ein Arzt in Görlitz hat noch genug.

Von Susanne Sodan
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Der Görlitzer Arzt Henry Hedrich in Schutzmontur.
Der Görlitzer Arzt Henry Hedrich in Schutzmontur. © Nikolai Schmidt

Den medizinischen Mundschutz, den Oliver Sauer trägt, hat er noch aus seinem Bestand. Zwei weitere, erzählt er, habe die Kassenärztliche Vereinigung seiner Praxis am Görlitzer Wilhelmsplatz zur Verfügung gestellt. "Die habe ich meinem Personal überlassen." Laut Herstellerangabe soll der Mundschutz eigentlich alle zwei Stunden gewechselt werden. "Das ist bei zweien natürlich nicht möglich", so Sauer. 

Dabei wird ausreichend Schutzausrüstung immer wichtiger. Bislang war es so, dass ein Arzt sich nach einem engen, ungeschützten Kontakt zu einem positiv getesteten Patienten zwei Wochen in Quarantäne begeben sollte, so die Empfehlung. Die ist jetzt offenbar gelockert: Zwei Tage nach einem solchen Risikokontakt muss ein Arzt einen ersten Corona-Test machen, fünf Tage danach einen zweiten, erklärt die Görlitzer Internistin Cordula Adams. In dieser Zeit kann er weiterarbeiten - mit Schutzkleidung. 

Das geht zurück auf die Lockerung der Empfehlung durch das Robert-Koch-Institut (RKI): Bei großem Personalmangel müsse medizinisches Personal künftig nach "engem ungeschützten Kontakt zu Covid-19-Erkrankten nicht mehr so lange in Quarantäne", so RKI-Präsident Lothar Wieler, "und darf bei dringendem Bedarf in Klinik oder Praxis arbeiten, solange keine Symptome auftreten." 

"Arbeitet keiner mehr, gefährden wir die Menschen auch"

Henry Hedrich findet die neue Empfehlung besser als die bisherige, praktikabler. Jedes Mal die Praxis schließen, wenn ein Corona-Patient sie betreten hat,  "dann bricht unser Gesundheitssystem zusammen", sagt Hedrich. "Man darf sich auch nichts vormachen. Ich gehe davon aus, dass uns das Corona-Virus noch länger begleiten wird."

Dafür brauche es Schemata, mit denen die Arbeit in den Praxen aufrecht erhalten bleibe. "Gibt es niemanden mehr, gefährden wir die Menschen auf andere Art." Indem dann auch die Kapazitäten zur Behandlung anderer Krankheiten wegbrechen, argumentiert er. 

Mit Schutz: Risiko einer Infektion sehr gering

Für den Laien hört es sich trotzdem nicht gerade ermutigend an, wenn ein Arzt nach einem Risikokontakt noch Tage weiterarbeiten kann, bis hoffentlich ein negatives Testergebnis vorliegt. Die Görlitzer Internistin Cordula Adams gibt Entwarnung. Arbeiten Ärzte mit entsprechendem Schutz, sei das Risiko einer Weiterverbreitung "äußerst gering". Fällt das Testergebnis tatsächlich positiv aus, darf sie nicht weiter arbeiten, stellt sie klar. Ähnlich sieht es Hedrich: "Man hat durch die beiden Tests relativ schnell Sicherheit über eine Infektion. Wir sind als Ärzte auch darin ausgebildet, so zu arbeiten, dass wir das Risiko für unsere Patienten sehr gering halten." 

Dazu komme, dass ein solcher ungeschützter, längerer Risikokontakt in der Praxis kaum mehr zustande komme. Denn für die Patienten gelten nach wie vor die gleichen Regeln: Hat jemand den Verdacht, er könnte sich mit dem Coronavirus infiziert haben, soll er nicht in eine Praxis gehen, sondern vorher dort anrufen.

Betritt doch jemand unangemeldet  - oder auch nach Absprache - mit Erkältungssymptomen die Praxis, "dann wird der Patient direkt isoliert". In einem separaten Zimmer wird er mit Schutzkleidung, Maske, Handschuhen untersucht. "Wir können nach wie vor bei den Symptomen schwer unterscheiden zwischen einer Coronainfektion und einem grippalen Infekt", erklärt Hedrich das Vorgehen. 

Masken werden geliefert - aber zu wenige

Schutzausrüstung - immer wieder das Stichwort. So haben beispielsweise in Bayern Ende voriger Woche etwa 60 Ärzte ihre Praxen geschlossen - weil ihnen die Schutzausrüstung fehlte, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Bayern mit. Der Bund hatte zwar 20 Millionen Schutzmasken bestellt und ausgeliefert, nur würden die nicht für alle Praxen reichen. 

In Sachsen teilt die Kassenärztliche Vereinigung (KVS) mit,  dass sie Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel und Abstrich-Röhrchen bei drei Stellen beauftragt, beim Bund, beim sächsischen Sozialministerium sowie bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Außerdem habe sie eine vierte Bestellung von Atemmasken beauftragt, "um aktiv und schnell für unsere Arztpraxen zu handeln." 

Ärzte sollen sich in Dresden zwei FFP-Masken abholen

Aber offenbar ist das Problem dasselbe wie in Bayern. So sei über den Bund eine erste Lieferung an FFP-Masken eingegangen, heißt es in einer Nachricht des KVS-Vorstandsvorsitzenden. "Leider ist die Menge so gering, dass nach Abzug von Masken für Bereitschaftspraxen, Fahrdienst und Corona-Abstrichpraxen nur circa 16.000 Masken zur Verteilung zur Verfügung stehen."

Eine wirklich vernünftige Lösung zur Verteilung gebe es nicht. Einfach abzuwarten, bis eine nennenswerte Anzahl eingegangen ist, erscheine aber auch nicht vertretbar. Deshalb: Seit Dienstag können sich Praxen zwei FFP-Masken abholen. Die KVS bittet um  Verständnis für "diese nach unserer Meinung noch beste unter allen schlechten Lösungen."

Diese Nachricht hat die Praxis des Görlitzer Allgemeinmediziners Konstantinos Georgiou in Görlitz zwar nicht erhalten, "aber wir haben auch davon erfahren", erzählt Daniela Georgiou. Zwei Masken - dafür ist sie nicht nach Dresden zur KVS-Geschäftsstelle gefahren. "Damit ist nichts geholfen", sagt sie. Neben ihrem Mann und ihr arbeiten in der Praxis weitere Mitarbeiter.

Und eigentlich, bestätigt Daniela Georgiou sind diese Masken ganz regelmäßig zu wechseln. Die Praxis arbeitet jetzt noch mit welchen, die sie vor Wochen angeschafft hatten. Bei anderer Ausrüstung sieht es nicht ganz so eng aber auch nicht viel besser aus: Handschuhe in kleinen Größen seien noch zu bekommen, die großen, die ihr Mann benötigt, nicht. "Da haben wir zwei Packungen gesponsert bekommen". 

Henry Hedrich ist froh, dass er für die Praxis Masken selber bestellt hatte, als sie noch zu erschwinglichen Preisen zu haben waren. Insgesamt ist sein Eindruck, dass die Bundespolitik gut auf die Ausbreitung des Corona-Virus reagiert hat, mit Eindämmungsstrategien. Bis auf einen Punkt: die Beschaffung von Schutzmaterial. Zwei Schutzmasken pro Praxis, etwas zynisch ist das, findet er. 

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