Fünf Erkenntnisse nach Dynamos Erklärung

Dresden. Für einen Moment scheint die Erklärung von Dynamo Dresden zur Quarantäne und deren Folgen lautlos im fast leeren Raum zu verhallen, doch die technischen Probleme mit dem Ton sind schnell behoben. Vier Tage nach der Entscheidung des Gesundheitsamtes, die gesamte Mannschaft zu isolieren, äußern sich die Geschäftsführer Ralf Minge und Michael Born in einer Pressekonferenz ohne Journalisten. Die sind nicht zugelassen, können aber schriftlich Fragen stellen.
Sächsische.de fasst die Antworten zu den grundsätzlichen fünf Aspekten zusammen.
Wie ist Dynamos überhaupt in Quarantäne gekommen?
Am Samstagvormittag informierte das Jenaer Labor den Mannschaftsarzt Onays Al-Sadi von der Uniklinik über die zwei neuen Corona-Fälle bei der dritten Testreihe, parallel ging die Meldung an das Dresdner Gesundheitsamt. Die Spieler, Trainer und Betreuer wurden in der Sitzung um 11 Uhr in Kenntnis gesetzt. Minge berichtet von einer emotionalen Diskussion, in der viele Fragen gestellt wurden. „Wir haben zwei junge Väter, drei Spieler erwarten freudig ihr erstes Kind“, sagt der Sportchef. Laut Gefährdungsanalyse müssten stillende Mütter besonders vorsichtig sein. „Das sind Fragen, die die Jungs bewegen, das nehmen wir sehr ernst.“
Bereits vorher hatte die Mannschaft über die Internetseite des Vereins eine Erklärung veröffentlicht, in denen sie Medienberichte zurückweist, einige Spieler hätten mit Streik gedroht. Diese Formulierung sei „ein unglaublicher Skandal“. Diese Option habe niemals zur Diskussion gestanden und werde es auch nicht, heißt es. Dr. Al-Sadi habe versucht, die Vorbehalte auszuräumen, sagt Minge. „Es stand nie im Raum, dass ein Spieler sagt: Ich habe keinen Bock oder tue mir das nicht an“, betont er. Wie Dynamo damit umgehen würde, sollte ein Profi nicht weiterspielen wollen, werde er nicht pauschal beantworten. „Wir können niemanden zwingen, das ist klar.“
Nach der Besprechung, in der es eigentlich um das ab diesem Montag geplante Quarantäne-Trainingslager gehen sollte, sind die Spieler nach Hause gegangen. Die häusliche Quarantäne verfügte das Gesundheitsamt laut Minge am Samstag, 15.45 Uhr. Zuvor hatte es die mit Covid-19 infizierten Spieler und Verantwortliche befragt. Das seien weder Verhandlungen gewesen noch habe der Verein Wünsche äußern können. „Das sind keine Besprechungen wie auf dem Basar. Man hat uns die Maßnahme als behördliche Anweisung verkündet und sie uns erklärt“, so Minge.
Am Tag zuvor hatte Dynamo die Mitarbeiter der Behörde eingeladen, sich im Stadion von den Hygienemaßnahmen zu überzeugen – mit den zwei positiven Tests hat sich der Besuch jedoch vorerst erledigt.
Wie steht der Klub zum Vorwurf, den Saisonabbruch zu provozieren?
Der Boss der spanischen Liga, Javier Tebas, hatte genau das mit spöttischem Unterton angedeutet. Wenn es um Dynamo ginge, „das ist der Tabellenletzte der 2. Bundesliga. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.“ Auch vonseiten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hätten „schon kleinere Vorwürfe“ im Raum gestanden, erklärt Born. Die habe man in einem Gespräch ausgeräumt. „Wir haben uns penibel an die Vorgaben gehalten und alles versucht, damit sich kein Spieler infiziert, um uns auf die Rückkehr in den Spielbetrieb vorzubereiten“, meint Born, aber: „Keiner kann es ausschließen, dass es trotzdem passiert.“ Wie sich die Spieler, die zuvor negativ getestet worden waren, mit dem Sars-Cov-2-Virus angesteckt haben, konnte nicht nachvollzogen werden. Deshalb wurden alle in Quarantäne geschickt.

Die Diskussion, ob es bei einem vorzeitigen Saisonabbruch Auf- und Abstieg geben soll, wurde am Mittwoch in Videokonferenzen beider Bundesligen vertagt. Born stellt dazu klar: „Momentan kann ich mir nicht vorstellen, dass wir einer Regelung zustimmen können, in der es bei einem Abbruch Absteiger gibt.“
Minge beteuert zugleich, „dass wir die Saison zu Ende spielen wollen“. Wer wegen des Tabellenplatzes das Gegenteil vermutet, lasse andere Aspekte außer Acht. „Wir haben sechs neue Spieler geholt, in den sieben Spielen nach der Winterpause elf Punkte geholt, nur vier Mannschaften waren in der Zeit besser“, argumentiert der Sportchef. Der Aufwärtstrend zeigt sich in der Tabelle: Der Rückstand auf den Relegationsrang beträgt nur noch einen statt ursprünglich sechs Punkte, der auf einen Nichtabstiegsplatz vier statt sieben.
Wie soll es für die Mannschaft in Liga zwei weitergehen?
Es sei ausgeschlossen, drei oder vier Tage nach der Quarantäne bereits in Bielefeld zu spielen. Man erwarte eine „Solidarität hinsichtlicht der Integrität des Wettbewerbs“, betont Born und fordert eine angemessene Zeit fürs Mannschaftstraining zur Vorbereitung. Dafür gebe es viel Unterstützung von anderen Vereinen und Signale von der DFL, die wahrscheinlich nach der nächsten Videokonferenz der 36 Profi-Klubs an diesem Donnerstag darüber entscheidet, wie es für Dynamo weitergeht. Einen Wunschtermin habe man intern geäußert.
Am wahrscheinlichsten ist, dass Dynamo am Pfingstwochenende mit dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart beginnt. Ein Quarantäne-Trainingslager wird aller Voraussicht nach nicht mehr nötig sein, möglicherweise macht es Dynamo freiwillig.
Was bedeutet der verzögerte Start für den Abstiegskampf?
Einen kompletten Stopp der zweiten Liga, bis Dynamo bereit ist, schließt Minge aus: „Das wird nicht passieren.“ Die Dresdner hätten also, sofern der Neustart für alle anderen normal läuft, drei Spiele nachzuholen – und das in einem sehr engen Zeitfenster. Das wäre ein deutlicher Wettbewerbsnachteil. Dynamo favorisiert deshalb eindeutig, die Saison über den 30. Juni hinaus zu verlängern, wegen der vertraglichen Konsequenzen sei man in Gesprächen.
Hinzu käme der psychologische Aspekt, wenn der Rückstand in der Tabelle größer wird, weil die Konkurrenten punkten. Minge erinnert an die Spiele vor der Zwangspause, das „tolle Erlebnis mit dem Sieg gegen Erzgebirge Aue mit hoher Emotionalität“ als Motivation. Seine klare Ansage: „Wir wollen das sportlich regeln.“
Welche Folgen hat die Corona-Krise wirtschaftlich?
Born spricht von schweren Verlusten und nennt Zahlen: Allein durch die vier Geister-Heimspiele verliert der Klub 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren stehen 1,15 Millionen Euro für Dauer- und Jahreskarteninhaber, 1,3 bis 1,4 Millionen für ausgefallene Werbeleistungen für Sponsoren im Raum. Allerdings gibt es von etlichen Fans und Partnern Signale, das Geld nicht zurückzufordern. Für die nächste Saison würden im Vergleich zur im März abgegebenen Etat-Planung nach jetzigem Stand bereits 5,5 Millionen Euro fehlen.