Ob Kultur, Wirtschaft, Politik oder Tourismus: Die SZ hat fünf Entscheider aus Görlitz gefragt, wie sie die Welt nach Corona sehen. Und das haben sie geantwortet:
Klaus Arauner, Generalintendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters:

In Teilen der Gesellschaft wird ein Paradigmenwechsel stattfinden, denke ich. Mangelerfahrungen führen ja oft dazu, dass man vormals als selbstverständlich wahrgenommene Dinge wieder wertzuschätzen lernt. Dass ist ein guter Prozess. Und natürlich lehrt uns die aktuelle Krise Demut und Bescheidenheit. Wer dieser Tage aufmerksam in die Welt blickt, kommt doch gar nicht umhin, die immer stärker um sich greifenden Egoismen und Rücksichtslosigkeiten in Frage zu stellen. Ein gutes Leben ist abhängig von Sensibilität und Solidarität, das wird derzeit deutlich spürbar.
Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin
des Städtischen Klinikums Görlitz:

Vieles vermisst man erst, wenn es nicht mehr da ist. Und so spüren wir besonders jetzt, wie sehr viele Selbstverständlichkeiten unser Leben vor Corona bereichert haben. Freunde zu treffen, kulturelle Angebote wahrzunehmen, Kinder, Eltern, Angehörige oder Freunde einfach in den Arm zu nehmen, wenn man sich trifft. Die Einschränkungen in den sozialen Beziehungen sind einerseits eine große Belastung. Andererseits liegt in diesem Verzicht auch die Möglichkeit, näher zu rücken, weil wir uns alle mehr miteinander auseinandersetzen müssen, sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich.
Franziska Schubert, Fraktionsvorsitzende
der Grünen im Landtag:

Diese Zeit zeigt, was uns in Europa wichtig ist: der unbegründete Spaziergang, einander treffen, einkaufen, reisen, demonstrieren, wann und wo es uns beliebt. Das Recht und Glück, unser Leben selbstbestimmt und frei leben zu können. Und füreinander Verantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, dass wir nach Corona die Arbeiten in den Gesundheitsberufen, Schulen und Kindergärten ihrem hohen gesellschaftlichen Wert entsprechend entlohnen. Wir Politiker werden daran erinnert, wie wichtig es ist, die Balance zwischen den individuellen Freiheits- und Bürgerrechten und der Sicherheit der Gemeinschaft zu halten.
Katrin Bartsch, Vorsitzende des Görlitzer Tourismusvereins:

Wir sehen gerade, was Menschen bewegen können, wenn sie an einem Strang ziehen. Mit Blick nach Italien wissen wir, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Das wirklich Anspruchsvolle liegt aber noch vor uns, denn wir sind es nicht gewohnt, Einschränkungen hinzunehmen. Jeder ist nun gefragt, seinen Lebensplan, seine Werte zu überprüfen und solidarischer zu handeln. Für den Tourismus, der gerade so viel einbüßt, wäre es hilfreich, wenn wir mehr in Deutschland Urlaub machen würden, statt oft ins Ausland zu fliegen. Darin liegt auch eine Chance für Görlitz und Umgebung als attraktive Region.
Helmut Goltz, Inhaber der Seilerei Goltz in Görlitz und Mitglied der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU:

80 Prozent aller Selbstständigen im Landkreis, die persönlich für ihre Unternehmen haften, kämpfen um ihr betriebliches und privates Vermögen. Deshalb müssen Bundes- und Landesregierung so schnell wie möglich den Unternehmen und der Gesellschaft wieder die volle Handlungsfreiheit zurückgeben. 30 Jahre wirtschaftliche Aufbauarbeit stehen auf der Kippe, inclusive europäische Integration, wenn man an die Bilder von Soldaten mit Maschinenpistolen an der Görlitzer Altstadtbrücke denkt. Diese Krise wird den Einzug der IT-Technik, der Elektronik und noch größerer Effektivität beschleunigen. Schlecht ausgebildete und unmotivierte Menschen werden danach schwerer ins Arbeitsleben zurückfinden. Neue Chancen für Unternehmen werden nur entstehen, wenn die Wirtschaft innovativ sein darf, ohne den industriepolitischen Vorgaben des Gesetzgebers, die allzu oft echte Kostentreiber für die Unternehmen sind und Unmengen an Steuermitteln verschlingen.