SZ + Sport
Merken

Dreimal Stipendium in den USA, drei Wege in der Krise

Für sächsische Top-Talente ist der Weg ans College finanziell lukrativ – und gut für die sportliche Karriere. Wegen der Pandemie sind auch sie unsicher.

Von Daniel Klein & Alexander Hiller
 5 Min.
Teilen
Folgen
Eléa Gaba ist sofort nach Dresden zurückgekehrt, als sich das Coronavirus ausbreitete. In den USA, sagt sie, sei der Umgang mit der Pandemie katastrophal. „Da fühle ich mich in Deutschland besser aufgehoben.“
Eléa Gaba ist sofort nach Dresden zurückgekehrt, als sich das Coronavirus ausbreitete. In den USA, sagt sie, sei der Umgang mit der Pandemie katastrophal. „Da fühle ich mich in Deutschland besser aufgehoben.“ © Foto: Jürgen Lösel

Sie zogen aus, um ihre Karriere voranzutreiben. Für deutsche Talente ist die USA ein lohnendes Ziel, denn der College-Sport hat dort einen hohen Stellenwert. Deshalb vergeben Universitäten auch für ausländische Athleten Stipendien zwischen 150.000 und 200.000 Dollar pro Vertragslaufzeit, die vier bis fünf Jahre beträgt. Allerdings ist die Zukunft für dieses Modell in dem von der Corona-Pandemie am stärksten betroffenen Land unsicher. Drei Sportler aus Sachsen berichten über ihre Sorgen – und wie sie damit umgehen.

Die Schwimmerin: Alles auf Olympia ausgerichtet

Leonie Kullmann hat ihr Studium in den USA unterbrochen, vielleicht auch abgebrochen. Genau weiß das die 20-Jährige noch nicht. Die Verschiebung der Olympischen Spiele auf 2021 hat ihre Pläne durchkreuzt. Bereits im Juli 2019 war die Dresdnerin nach Berlin gezogen, um sich dort ein Jahr lang am Bundesstützpunkt gezielt auf die Spiele in Tokio vorzubereiten. Den Aufenthalt hat sie verlängert. „ Das Training funktioniert gut, hier habe ich das beste Gefühl“, erzählt Kullmann, die bei Olympia 2016 in Rio als 16-Jährige die zweitjüngste Teilnehmerin im deutschen Team war.

Bei Olympia 2016 in Rio war sie die zweitjüngste deutsche Starterin – in den USA kam Leonie Kullmann aber sportlich nicht wie gewünscht voran.
Bei Olympia 2016 in Rio war sie die zweitjüngste deutsche Starterin – in den USA kam Leonie Kullmann aber sportlich nicht wie gewünscht voran. © Foto: Dirk Zschiedrich

Danach blieben die Erfolge jedoch aus. Nach der verpassten WM 2017 zog sie in die USA, bekam ein Stipendium an der Universität Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama, studierte dort Ingenieurwesen für Infrastrukturplanung, Architektur und Umwelt. Sportlich lief es jedoch nicht nach Wunsch, die EM 2018 und WM 2019 fanden ohne sie statt. „In den USA wird in den kürzeren Yard-Becken trainiert. Um mich für EM, WM oder Olympia zu qualifizieren, muss ich die Normzeiten aber in 50-Meter-Bahnen unterbieten“, erklärt sie.

Deshalb zog sie nach zwei Jahren ins Sportinternat nach Berlin zurück. Im Dezember meldete sich Kullmann mit Platz sieben über 400 Meter Freistil bei der Kurzbahn-EM in Glasgow zurück.

Nach der Olympiaverschiebung bewarb sie sich an der TU Berlin im Studiengang Bauingenieurwesen. „Es sieht gut aus, dass meine Kurse, die ich in den USA belegt hatte, anerkannt werden“, sagt sie. Ob sie ab Oktober wieder in Hörsälen sitzt, hängt davon ab, ob eine zweite Bewerbung erfolgreich sein wird. Kullmann möchte für ein Team der International Swimming League (ISL) starten. Diese Wettkampfserie rief ein ukrainischer Milliardär 2019 ins Leben – für eingeladene Schwimmer ist das Format finanziell sehr lukrativ. Durch die Corona-Krise soll die zweite Saison nun im Oktober und November nur an einem Ort in Australien ausgetragen werden. „Da wäre ich fünf Wochen weg, mit dem Studium ließe sich das nicht verbinden“, sagt sie.

Ob sie nach Olympia in die USA zurückkehrt, hat sie noch nicht entschieden. Zwei Jahre bräuchte sie dann bis zu ihrem Bachelor-Abschluss. „Mein Trainer dort hat mir gesagt, dass ich auch wieder ein Stipendium bekommen würde.“ Es zieht sie nicht wirklich nach Alabama. Das könnte auch daran liegen, dass sie frisch verliebt ist – in einen Schwimmer aus Berlin.

Der Leichtathlet: Erst seit Mittwoch zu Hause

Jonathan Schmidt vom Dresdner SC ging im Vorjahr zum Studium an die University of Missouri in Columbia – und ist auch während der Corona-Pandemie in den USA geblieben, obwohl die Uni geschlossen ist und er online auch von Dresden aus hätte weiterstudieren können. Erst an diesem Mittwoch kehrte der 20 Jahre alte Leichtathlet in die Heimat zurück. „Ich habe mich dazu entschlossen, mit meinen wichtigsten Trainingspartnern aus England und Bulgarien zu arbeiten. Wir haben davon profitiert, weil wir uns gegenseitig motivieren konnten“, erklärt der zweifache deutsche U-20-Meister über 1.500 Meter seinen Entschluss.

Lauftalent Jonathan Schmidt ist in den USA geblieben, um weiter mit seinen Trainingspartnern an der Uni zu arbeiten. Nun muss er in häusliche Quarantäne.
Lauftalent Jonathan Schmidt ist in den USA geblieben, um weiter mit seinen Trainingspartnern an der Uni zu arbeiten. Nun muss er in häusliche Quarantäne. © privat

Ob er im August wieder zum normalen Uni-Start antreten kann, ist indes völlig offen. „Deshalb war der Rückflug nach Dresden nur ein One-Way-Ticket. Man muss einfach abwarten, ich bin mir mit nichts mehr sicher“, erklärt Schmidt. Ob im September die Cross-Saison in den US-Colleges tatsächlich losgeht, weiß er bislang nicht. Durch diverse Verletzungen hat Schmidt allerdings schon viele Wettkämpfe verpasst – unter anderem dreimal in Folge die Hallen-Saison. „Ich muss mir eigentlich etwas zurückholen. Deshalb will ich jeden Tag im Training fünf Prozent mehr geben, weil man eben am Wochenende jetzt gerade kein Rennen hat, bei dem man an seine Leistungsgrenze geht.“

Das mit dem engagierten Trainingseinsatz wird in den nächsten Tagen aber schwierig. Schmidt muss wegen seiner Rückreise aus den USA nun für zwei Wochen in häusliche Quarantäne. „Das fällt in die Sommerlaufpause“, erklärt er.

Die Basketballerin: Auf jeden Fall in die USA zurück

In Quarantäne musste Eléa Gaba nicht, sie hat sich freiwillig dennoch diese Auszeit auferlegt. Die 19-jährige Basketballerin flog bereits am 18. März zurück. Von Buffalo aus. Die Universität im Bundesstaat New York hatte es der Tochter einer Dresdnerin und eines Togoers freigestellt, ob sie bleibt oder von zu Hause den Studienplan online erledigt. „Für mich war unklar, ob ich später nach Deutschland zurückkomme. Ich wäre ungern allein in einem fremden Land geblieben“, sagt sie – und hat einen weiteren triftigen Grund. „Außerdem geht die US-Regierung mit der Pandemie katastrophal um, da fühle ich mich in Deutschland besser aufgehoben.“

Ihre letzten Prüfungen hat sie deshalb in ihrem Zimmer zu Hause in einem Mehrgenerationenhaus geschrieben, innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters. Ihre sportliche Saison bleibt dagegen unvollendet. Es gibt in diesem Jahr keinen College-Meister. In den bis dato absolvierten 31 Partien der Mid-American-Conference machte Gaba als Neuling unter anderem beim Spiel in Stanford mit dem Saisonbestwert von 16 Punkten auf sich aufmerksam.

Eléa Gaba will auf jeden Fall in die USA zurückkehren. Die 18-jährige Basketballerin und Junioren-Nationalspi​elerin aus Dresden hofft auf einen Vertrag bei einem Frauen-Profiteam.
Eléa Gaba will auf jeden Fall in die USA zurückkehren. Die 18-jährige Basketballerin und Junioren-Nationalspi​elerin aus Dresden hofft auf einen Vertrag bei einem Frauen-Profiteam. © J. Loesel, loesel-photographie.d

Im Vorjahr hatte sie für Chemnitz ihre erste Erstligasaison absolviert und mit dem Nachwuchs der ChemCats den deutschen Titel gewonnen. Nun will sie ihr Niveau bis 2023 in Buffalo steigern, um sich für einen Vertrag in der Frauen-Profi-Liga empfehlen zu können. „Ja, das ist schon mein Traum“, bestätigt Eléa Gaba. Vor wenigen Wochen hatte die 21-jährige deutsche Nationalspielerin Satou Sabally bei den Dallas Wings einen Profivertrag unterzeichnet. Auch sie spielte bisher am College. „Für mich ist es keine Frage, dass ich in die USA zurückkehre“, legt sich Gaba deshalb fest. „Allerdings weiß niemand, wann das sein wird.“