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Corona und der Kampf um die Zuschauer im Sport

Was bedeuten die Beschlüsse der Politik für die Vereine, was wird aus Sachsens Lockerungen? Ein Situationsbericht.

Von Sven Geisler
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Mit Abstand und Mund-Nasen-Schutz: Beim Testspiel der Handballer von DHfK Leipzig und Aue durften am Freitag 250 Zuschauer in der Halle sein.
Mit Abstand und Mund-Nasen-Schutz: Beim Testspiel der Handballer von DHfK Leipzig und Aue durften am Freitag 250 Zuschauer in der Halle sein. © PICTURE POINT/Sven Sonntag

Dresden. Man könnte hochtrabend Goethe zitieren: „Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“ Das trifft die Stimmungslage bei den Klubs im deutschen Profi-Sport ziemlich genau. Denn seit die Ministerrunde mit der Bundeskanzlerin die neuen Corona-Richtlinien aufgestellt hat, wird gerätselt, was sie für Konsequenzen haben. Einerseits sind Sport-Wettkämpfe aus dem bundesweiten Verbot für Großveranstaltungen ausgenommen, andererseits soll eine Arbeitsgruppe erst Ende Oktober über die Zulassung von Zuschauern entscheiden.

Das ist ein derber Dämpfer für die Hoffnungen, die neue Saison vor Publikum starten zu können. Von einem „Schlag in die Magengrube“, spricht drastisch Daniel Hopp, Manager des Eishockey-Erstligisten Adler Mannheim. Man spiele „mit der Geschäftsgrundlage eines jeden Klubs“, betont auch Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga. Stadionatmosphäre sei das Salz in der Suppe bei Sportveranstaltungen, meint Hermann Winkler. „Dieses wird uns weiterhin mit der Schonkost aus Berlin vorenthalten“, klagt der Präsident des Sächsischen Fußball-Verbandes – und fragt bezogen auf Ostdeutschland: „Soll nach der Wirtschaft jetzt auch das Vereinsleben plattgemacht werden?“

Verbände und Vereine arbeiten seit Monaten an Konzepten, wie sie die Fans wieder in die Stadien und Hallen holen können. Die Signale dafür kamen und kommen schließlich auch aus der Politik. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte in einem Interview mit dem Donaukurier, man müsse von „Schwarz-Weiß-Lösungen“ wegkommen. „Wir können Zuschauer langsam wieder in die Stadien einlassen, ohne den Infektionsschutz zu vernachlässigen“, sagte der CSU-Politiker. Es gehe nicht nur um Fußball, sondern auch um alle anderen Sportarten. „Ich denke, dass wir im Frühherbst genauere Pläne haben.“

Das Problem: Für einen fairen Wettbewerb in den Ligen braucht es bundesweit einheitliche Vorgaben, regionale Festlegungen sind nur bedingt eine Lösung. So hat beispielsweise die zweite Eishockey-Liga ihren für den 2. Oktober geplanten Start auf den 6. November verschoben mit dem Verweis auf das Solidaritätsprinzip – in der Hoffnung, dass bis dahin an den Standorten in Bayern und Baden-Württemberg ähnliche Zuschauerzahlen wie in Hessen und Sachsen möglich sind.

Sachsen bleibt bei seinen Lockerungen

Der Freistaat hatte entschieden, dass ab 1. September Groß- und Sportveranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern erlaubt sind – unter der Maßgabe, dass die Kontaktdaten der Besucher erhoben werden können und ein genehmigtes Hygienekonzept vorliegt. Dabei gilt die „rote Linie“ von 20 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Diese Verordnung sei von den Beschlüssen der Ministerrunde nicht berührt, heißt es vom sächsischen Sozialministerium auf Nachfrage der SZ. Allerdings wird gleichzeitig auf die Arbeitsgruppe verwiesen, die bis Ende Oktober einen Vorschlag zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen vorlegen soll.

Demnach erfolgt der Auftakt im DFB-Pokal sowie die ersten Spieltage der neuen Saison in den beiden Fußball-Bundesligen mit Geisterspielen. Andererseits plant RB Leipzig, am 20. September gegen den FSV Mainz vor Zuschauern in der Red-Bull-Arena zu spielen. Wie die Bild-Zeitung berichtet, ist der Verein mit dem Gesundheitsamt der Stadt im Gespräch, um rund 8.000 Fans einlassen zu können. „Die aktuelle Rechtslage verbietet bei uns – Stand jetzt – keineswegs Spiele mit Zuschauern“, zitiert die Zeitung den Leipziger Stadtsprecher Matthias Hasberg. Union Berlin hat angekündigt, für sein Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg am 5. September im Stadion „An der alten Försterei“ Tickets für bis zu 5.000 Zuschauer zu verlosen. Diese Zahl erlaube die Berliner Infektionsschutzverordnung für Freiluftveranstaltungen.

In der 3. Fußball-Liga, in der Dynamo Dresden spielt, sind prinzipiell Zuschauer erlaubt. Die Anzahl müsse sich nach den regionalen Verfügungslagen richten, haben die Vertreter beschlossen. Demnach sind zunächst bis 31. Dezember keine Gästefans zugelassen, aber es dürfen Tickets für den Stehplatzbereich verkauft werden, sofern das die behördliche Verfügungslage dem jeweiligen Verein gestattet. Dynamo will sich zum derzeitigen Stand der Planung und Absprachen nicht äußern.

In Dresden könnten die Footballer der Monarchs als eine der ersten Mannschaften offiziell vor Publikum spielen. Wie der Klub am Freitag mitteilte, hat die Stadtverwaltung das Hygienekonzept für die Partie gegen den polnischen Meister Panthers Wroclaw am 20. September bereits genehmigt. Damit dürfen 1.570 Fans das einzige Spiel der Monarchs in diesem Jahr live im Heinz-Steyer-Stadion erleben. „Wir haben uns sehr über die Genehmigung gefreut. Nun ist es an uns und unseren Fans, diese umzusetzen“, meinte Monarchs-Geschäftsführer Jörg Dreßler: „Die Regeln werden wir erklären, dann müssen wir es gemeinsam beweisen, dass Sport mit Fans zusammengehört und auch in Zeiten der Pandemie möglich ist.“

Hoffnung bei Volleyballerinnen und Handballern

Auf diese Chance hoffen auch die Volleyballerinnen des Dresdner SC, die am 27. September in der heimischen Margon-Arena im Supercup gegen den Schweriner SC vor Zuschauern spielen wollen. Die Zweitliga-Handballer des HC Elbflorenz planen ihre Heimsspiele in der Vorbereitung gegen die Füchse Berlin am 4. September und Coburg am 17. September mit Zuschauern in der Ballsport-Arena. „Wir befinden uns in einem guten Austausch mit dem Gesundheitsamt Dresden“, erklärte Vereinspräsident Uwe Saegeling.

Bei der Vorbereitungspartie zwischen dem SC DHfK Leipzig und dem EHV Aue (33:27) waren am Freitag 250 Zuschauer in der Halle. Beide Teams präsentierten vor dem Anpfiff eine Botschaft: Unter der Überschrift „Gemeinsam für und mit“ wurden auf einem 30 Meter langen Banner knapp 40 Berufs- und Personengruppen aufgelistet, die von der Situation in der Sport- und Veranstaltungsbranche maßgeblich betroffen sind. „Damit wollten wir wachrütteln, dass solche Veranstaltungen unter strenger Einhaltung der Hygienekonzepte nichts Gefährliches sind, sondern sinnvoll, wichtig und schützenswert“, erklärte DHfK-Geschäftsführer Karsten Günther.

Doch was bedeutet das für die Saison in den Ligen? Die Handball-Bundesliga setzt weiter darauf, schon zum Beginn am 1. Oktober mithilfe von schlüssigen Hygienekonzepten zumindest eine bestimmte Anzahl an Fans zulassen zu dürfen. Andernfalls sei ein Überleben nur für eine ganz kurze Übergangszeit möglich, betonte HBL-Geschäftsführer Bohmann: „Ganz kurze Übergangszeit heißt, ein oder zwei Spiele, danach wird den ersten Klubs die Luft ausgehen.“ Man dürfe nicht vergessen, dass sie seit Anfang März nur noch Ausgaben und keine Einnahmen hätten.

Die Bundesregierung hatte den finanziell gefährdeten Profi-Ligen und ihren Klubs außerhalb des Fußballs ein Hilfspaket von 200 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Damit sollen in Sportarten wie Eishockey, Basketball und Handball drohende Insolvenzen verhindert werden.

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, warnte die Politik bereits vor gravierenden Folgen. „Jeder zusätzliche Monat mit massiven Beschränkungen im Sport, wie nunmehr weiterhin durch die Veranstaltungen ohne Zuschauereinnahmen, führt dazu, dass wir unser wertvolles Angebot im sportlichen und gesellschaftlichen Bereich nicht auf dem bewährten Niveau aufrechterhalten können.“ (mit dpa, sid)