SZ + Niesky
Merken

Hochschulrektor allein zu Haus'

Bis September gibt es wegen der Corona-Krise kein Präsenzstudium in Rothenburg. Ob es danach wieder funktioniert, ist nicht sicher.

Von Frank-Uwe Michel
 4 Min.
Teilen
Folgen
Carsten Kaempf ist im Audimax der Polizeihochschule allein auf weiter Flur. Der Rektor hat den Kommissarsanwärtern Studium von zu Hause aus verordnet. Nur zu den Prüfungen kommen sie nach Rothenburg.
Carsten Kaempf ist im Audimax der Polizeihochschule allein auf weiter Flur. Der Rektor hat den Kommissarsanwärtern Studium von zu Hause aus verordnet. Nur zu den Prüfungen kommen sie nach Rothenburg. © André Schulze

Rektor Carsten Kaempf hat schon Tage mit deutlich mehr studentischem Leben an seiner Hochschule verbracht. Der Corona-Krise geschuldet ist momentan nur noch die Verwaltung da. Die allerdings hat ein ordentliches Pensum zu erledigen. Denn es ist ein straffes Programm, die Kommissarsanwärter mit den erforderlichen Plänen zu versorgen, Termine zu koordinieren, Bücher und Lehrmaterial zu verschicken.

Hier mal ein "Hallo", dort einen "Schönen Feierabend" - um den Rektor der sächsischen Polizeihochschule mit Standorten in Rothenburg und Bautzen ist es ruhig geworden. Selbst verschuldetes Elend möchte man meinen, denn Carsten Kaempf höchstpersönlich hat seine etwa 600 Studenten am 16. März nach Hause geschickt. Nicht aus freien Stücken freilich, sondern nach einem Erlass seines Dienstherren, des Innenministeriums. "Am Tag zuvor haben wir fünfeinhalb Stunden gesessen, um alles zu regeln. Das war ein Sonntag. Und eine Mammutaufgabe", erinnert er sich.

Studium bleibt weiter online-basiert

Seitdem sind etwa zwei Monate vergangen. Seit dem 3. Mai ist die Präsenzpflicht an der Hochschule nicht mehr ausgesetzt. Doch Studenten sind auch weiterhin kaum zu sehen. "Wir können uns ein mögliches Auf und Ab nicht leisten, unsere Ausbildung ist auf Beständigkeit angelegt", erklärt Kaempf. Deshalb werden das erste Studienjahr in Bautzen sowie das zweite und dritte in Rothenburg bis zum 30. September weiter online-basiert lernen. Nur einige praktische Übungen - zum Beispiel das Schießen - finden zurzeit vor Ort in der Spreestadt statt. Die angehenden Kommissare reisen aktuell nur zu Modulprüfungen an. Die finden in Rothenburg im Audimax, den vorhandenen Lehrgebäuden und in der Containerburg statt. Übernachtung - Fehlanzeige. "Das haben wir soweit wie möglich reduziert. Nur wer von außerhalb Sachsens kommt, muss nicht am gleichen Tag wieder nach Hause fahren."

Digitales Studieren hat die Hochschule kalt erwischt

Die coronabedingte Blitz-Umstellung aufs digitale Studieren hat die Hochschule der sächsischen Polizei ziemlich kalt erwischt. "Nach den Skandalen der Vergangenheit waren wir 2019 dabei, die Aus- und Fortbildung neu zu strukturieren und auch alte Zöpfe abzuschneiden. Doch so ein Lernen wie jetzt gab's noch nie und war auch - zumindest in dieser Plötzlichkeit - nicht vorgesehen", erzählt Kaempf. Er ist deshalb froh, dass sich alles schnell eingespielt hat.

Kommissarsanwärter lernen auf Plattform moodle

Nachdem Lehrinhalte anfangs elektronisch auf die Reise zu den Studenten gingen und so viel Theorie in die Köpfe der Kommissarsanwärter drängte, wird jetzt hauptsächlich die Plattform moodle genutzt - eine Lernplattform und zugleich objektorientiertes Kursmanagementsystem, das auch von Universitäten und Schulen verwendet wird. Für den Polizeigebrauch musste die Sicherheitsstruktur verbessert werden, zudem stehen die genutzten Server in Deutschland und nicht irgendwo in der Welt. Inzwischen ist der Rektor überzeugt von den neuen Möglichkeiten. "Es ist ein Raum, um sich auszutauschen. Man kann virtuelle Klassen schaffen, sie mit Lerninhalten bestücken, in Videokonferenzen miteinander darüber reden." Das System sei in der kurzen Zeit schon ziemlich gut auf die Verhältnisse an der Polizeihochschule zugeschnitten und werde bis zum Jahresende noch weiterentwickelt.

Home Studying bleibt auch weiter angesagt

Bei all den positiven Nachrichten verliert Karsten Kaempf das Ziel aller Bemühungen jedoch nicht aus dem Blick: "Der 30. September ist unser Stichtag. Bis dahin muss nicht nur das Studienjahr beendet, sondern müssen auch alle Prüfungen abgeschlossen sein. Wir haben den Auftrag, der Polizei in Sachsen voll ausgebildete Kommissare zu übergeben. Das werden wir mit aller Beharrlichkeit tun." Ab Oktober, hofft der Rektor, geht es zurück zur Normalität - wobei die ganz anders aussehen dürfte als vor der Krise. "Corona hat die Digitalisierung bei uns ungemein beschleunigt. Allerdings kann Home Studying nur ein Hilfsmittel sein und das Lernen vor Ort nicht dauerhaft ersetzen."

Forschungsinstitut legt einen Stotterstart hin

Das neue Forschungsinstitut der Polizeihochschule, das im Frühjahr eigentlich in Betrieb gehen sollte, erlebt aktuell übrigens einen Stotterstart. Ende Mai finden Auswahlgespräche statt. Ab Juni soll die Geschäftsstelle mit einer Person ihren Betrieb aufnehmen. Danach werden noch zwei wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt. Der Forschungsarbeit an sich nehmen sich Professoren, Dozenten und Studenten an. Unterdessen geht die Bautätigkeit trotz Corona-Krise unvermindert weiter. So haben beide Rothenburger Unterkunftsgebäude inzwischen WLAN, auch ein Mobilfunkanbieter ist bis an das etwas entlegene Objekt herangerückt.

Mehr Nachrichten aus Niesky lesen Sie hier.

Mehr Nachrichten aus Görlitz lesen Sie hier.