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Corona bringt Geschäft mit der Ferne zum Stillstand

Die Großenhainer Reisebüro-Inhaberin Evi Klotzsche-Bieler bekam die Auswirkungen der Krise sofort zu spüren. Und bezweifelt, dass die Ostsee als Nahziel sofort hilft.

Von Catharina Karlshaus
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Evi Klotzsche-Bieler vom gleichnamigen Großenhainer Reisebüro mit Prospekten von der Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern.
Evi Klotzsche-Bieler vom gleichnamigen Großenhainer Reisebüro mit Prospekten von der Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern. © Foto: Kristin Richter

Großenhain. Manchmal meldet sich der Anrufbeantworter. Immerhin ist es die freundliche Stimme von Evi Klotzsche-Bieler selbst. In ihrer nicht umsonst bei langjährigen Kunden beliebten, unaufgeregten ruhigen Art, verkündet die Besitzerin des gleichnamigen Großenhainer Reisebüros, dass das Geschäft gegenwärtig nicht geöffnet sei. Man werkel von 10 bis 16 Uhr gewissermaßen im Stillen, sei stets über eine Handynummer erreichbar, immer für Termine verfügbar und melde sich ohnehin, sobald es im Fall der Fälle etwas Neues gebe. 

Für die 63-jährige Röderstädterin waren die vergangenen Monate ganz und gar etwas Neues. Eine Erfahrung, mit der sie so niemals gerechnet habe. Deren wirtschaftliche Folgen geradezu sintflutartig über sie hereingebrochen und deren Konsequenzen im Moment noch gar nicht abschätzbar wären. 

"Unsere Kunden sind guter Dinge und verfallen keineswegs in Panik, alle Reisen sofort zu stornieren", erklärte Evi Klotzsche-Bieler noch Anfang März im SZ-Gespräch. Es gebe keinen Grund, die Träume von Sonne, Berge oder Meer angesichts der plötzlichen Meldungen um Covid-19 willkürlich alle platzen zu lassen.

Acht Wochen später ist nicht nur bei den Urlaubshungrigen geplatzt, was der Hochglanzkatalog in lockenden Bildern hergegeben hat. Im Gleichklang mit den weltweiten Stornierungen für die Monate März, April, Mai und Juni kam auch der große finanzielle Knall für die Inhaber von Reisebüros.

 Die pro Buchung gezahlten Provisionen mussten entweder zurückgezahlt werden oder landeten erst gar nicht auf den Konten derer, die potenziell für schöne Ferien ihrer Kunden gesorgt hatten. Das bedeutet praktisch: Seit Anfang des Jahres ist größtenteils Ebbe in den Kassen der Reisebüros. 

"Ich musste für meine Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen und habe diese glücklicherweise auch bewilligt bekommen. Einnahmen gibt es so gut wie keine", bekennt Evi Klotzsche-Bieler. 

Eine Misere, mit der die Großenhainerin nicht allein dasteht - sich jedoch allein gelassen fühlen muss. Zwar werde in der großen Politik vehement über die systematische Rückkehr zum Reisen gesprochen. Aber über die wirtschaftliche Lage der Branche, die sich laut dem Deutschen Reiseverband drastisch verschärft habe, werde nur wenig geredet. 

 Demnach rechne der Verband inzwischen mit Umsatzeinbußen von mindestens 10,8 Milliarden Euro bis Mitte Juni. „Das Geschäft der Reisebüros und Reiseveranstalter ist durch staatliche Anordnung fast vollständig zum Erliegen gekommen“, sagte Verbandspräsident Norbert Fiebig am Montag in Berlin. Eine Besserung sei nicht in Sicht, immerhin wäre die weltweite Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie bis Mitte Juni verlängert worden.

Ein erster Lichtblick dürfte umso mehr die Ankündigung von Mecklenburg-Vorpommern sein, das mehrwöchige Einreiseverbot zum 25. Mai wieder aufheben zu wollen. Das Tourismusland gestatte seinen Hotels zwar zunächst nur eine Vermietung von maximal 60 Prozent ihrer Bettenkapazitäten - lässt auf den schon verloren geglaubten Sommerurlaub am Meer aber hoffen.

Und nicht nur darauf. Für Eveline Klotzsche-Bieler und ihre Berufskollegen erscheint die Ostsee als erster Hoffnungsschimmer am Buchungshorizont. Retten werde sie die wirtschaftlich gebeutelten Unternehmen aber nicht können. Abgesehen davon, dass die Chancen nicht so gut stünden, jetzt noch freie Quartiere vermitteln zu können. 

Wer sich für einen Urlaub auf Rügen, dem Darß oder in Warnemünde entschieden habe, sei bereits aus Erfahrung mit der begehrten Region im vergangenen Jahr oder spätestens im Januar zur Tat geschritten. 

"Viele Leute werden aber auch angesichts des hin und her an Einschränkungen und möglicherweise schlechten Erfahrungen mit stornierten Reisen in den vergangenen Monaten etwas zögerlicher sein", vermutet Eveline Klotzsche-Bieler. Hinzu käme die Angst vor dem Virus und den Unbequemlichkeiten, die eine mögliche Reise mit Mundschutz etwa mit sich bringen würde. 

Die sympathische Großenhainerin, die gerade in dieser angespannten Situation dankbar für den Zuspruch ihrer treuen Kundschaft ist, will sich dennoch nicht unterkriegen lassen. 

Ganz im Gegenteil! Wenn es wieder berechtigten Grund gebe, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, mit den Füßen gedanklich Spuren im Sand zu hinterlassen oder zu überlegen, wie es sich wohl anfühlt, auf einem Dreitausender zu stehen, sei sie gern für jedermann da. Gerade jetzt, nach dieser besonderen Coronazeit. Nicht mehr nur auf dem Anrufbeantworter, sondern selbstverständlich persönlich.   

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