Corona-Schutz aus Löbaus Tüftler-Werkstatt

Der 3-D-Drucker surrt leise im Hintergrund. Max Hilse runzelt die Stirn. Mist, schon wieder ist was verrutscht. Er zieht die unförmige Kunststoffschlange von der Druckplatte und befördert sie geradewegs in den Abfalleimer. Die ist nicht mehr zu gebrauchen. Also nochmal von vorn.
Die verrutschte Kunststoffschlange hätten eigentlich die Halterung für ein Schutzvisier werden sollen. Das kann man sich vor das Gesicht hängen, zum Schutz vor ansteckenden Viren. Gerade jetzt in der Corona-Zeit arbeiten zum Beispiel Pflegekräfte und Ärzte mit solchem zusätzlichen Schutz.
In einer Werkstatt in einem alten Haus an der Löbauer Bahnhofstraße produzieren Max Hilse und mehrere Mitstreiter jetzt im 3-D-Drucker solche Schutzvisiere. "Makerspace Geistesblitz" steht auf einem Zettel an der Tür. Frei übersetzen könnte man das mit "Werkstatt für Macher". Junge Leute, die Lust haben anzupacken, zu tüfteln und sich auszuprobieren, haben hier einen Treffpunkt. Das Haus betreibt der Verein "Löbau lebt". Der 16-jährige Max Hilse, der in Löbau auf das Geschwister-Scholl-Gymnasium geht, hat hier den Makerspace mit gegründet. Eine Handvoll Jugendlicher trifft sich hier regelmäßig - derzeit ist das wegen der Corona-Pandemie natürlich nicht möglich. Von Fördermitteln wurde Ausstattung angeschafft, die die Jugendlichen zum Tüfteln benötigen.
Wegen Corona können die Neunt- und Zehntklässler seit Wochen nicht in die Schule. "Die Schulaufgaben, die wir bekommen haben, waren aber nicht so interessant", sagt Max. Er tüftelte lieber. Im Internet stieß er auf die Aktion "Maker versus Virus". Das ist eine Plattform, auf der sich kluge Köpfe versammeln und Dinge entwickeln, die in der Corona-Zeit helfen können. "Wir wollten auch etwas Sinnvolles tun", sagt Max Hilse. Und weil es im Löbauer Makerspace 3-D-Drucker gibt, kamen sie auf die Idee mit den Schutzvisieren. "Wir dachten eigentlich, es ist jetzt schon ein bisschen spät dafür. Versuchen wollten wir es aber." Und plötzlich hagelte es Aufträge. Pflegeeinrichtungen und Apotheken bestellten große Stückzahlen bei den Jugendlichen, die nun fleißig produzieren. Die Organisation Dienste für Menschen (DfM), die in der Region mehrere Pflegeheime betreibt, hat zum Beispiel 60 Visiere für ihre Einrichtungen geordert. "Sie sind praktisch, völlig ausreichend und deutlich günstiger als die Preise, die derzeit auf dem Schutzmittelmarkt aufgerufen werden", sagt DfM-Regionalleiter Stephan Kothe.
Unterstützung von Kittlitzer Firma

Immer wieder mal geht dabei auch was daneben. Die 3-D-Drucker sind keine Profigeräte, sondern für den Hobbygebrauch gedacht. "Die sind auch gar nicht so teuer, wie man denkt", sagt Max Hilse. 250 bis 300 Euro kostet einer. Von der Kittlitzer Firma ULT haben die jungen Tüftler einen hochwertigeren Drucker ausgeliehen bekommen. Der arbeitet mit flüssigem Kunstharz, das im UV-Licht fest wird. Damit kann man auch komplizierte Formen herstellen. Allerdings entstehen bei dem Vorgang auch giftige Dämpfe. Deswegen spendierte ULT eine Absauganlage. Auf den Bau solcher Anlagen ist das Kittlitzer Unternehmen spezialisiert.
3-D-Druck sei auch gar nicht so schwierig, wie viele glauben, sagt Max Hilse. Man braucht einen 3-D-Drucker für den Hobbybedarf, Kunststoff-Rohmaterial - das gibt es auf Rollen im Internet zu bestellen - und ein Programm, damit der Drucker weiß, was er drucken soll, erklärt der 16-jährige Beiersdorfer. Programme zum Drucken verschiedener Produkte gibt es im Internet. Die kann man sich herunterladen und per SD-Karte in den Drucker einstecken. "Oder man programmiert eben selber etwas", sagt Max - ganz so, als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre.

Drei Stunden für ein Visier
Mit diesen Gerätschaften stellen er und mehrere Mitstreiter jetzt die Corona-Schutzvisiere her. Aber auch über andere kleine Aufträge freuen sich die Tüftler. So haben sie schon für einen Modellbahnverein kleine Eisenbahnwaggons gefertigt.
So ein Visier als Schutz macht Sinn, wie Max erklärt, weil eine Infektion zum Beispiel auch über die Augen möglich ist. Über jegliche Schleimhäute kann das Virus übertragen werden. Freilich handelt es sich bei den Schutzvisieren der Löbauer Jugendlichen nicht um zugelassene Medizinprodukte. Einen guten zusätzlichen Schutz bieten sie dennoch.
Wenn alles klappt und es keine Fehldrucke gibt, dauert der Druck von einem Visier drei Stunden. Dann muss noch die Plastikscheibe angebracht werden, die vor das Gesicht kommt und Textilbänder, die das Visier am Kopf halten. Das erledigen die Jugendlichen in Handarbeit.
Jugendliche arbeiten ehrenamtlich
Rund 50 Visiere haben Max und seine Mitstreiter schon hergestellt. 80 Bestellungen liegen noch vor. Und immer wieder gibt es neue Nachfragen. So viel, dass die Jugendlichen mittlerweile sogar Probleme haben, Nachschub für die Rohstoffe zu bekommen, die sie für den Druck benötigen. Und einer der 3-D-Drucker hat auch schon den Geist aufgegeben.
Trotzdem produzieren die Jungs unermüdlich weiter Schutzvisiere. Jeden Tag sind sie jetzt mehrere Stunden in der Werkstatt an der Bahnhofstraße. "Immer nur zwei gleichzeitig können hier im Moment arbeiten wegen der Abstandsvorschriften", sagt Max. Bis in den späten Abend laufen die Drucker, damit die große Nachfrage abgedeckt werden kann. Geld verdienen sie damit nicht. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich. Für drei Euro geben sie die Visiere an Pflegeeinrichtungen ab, für Privatpersonen kosten sie fünf Euro. Das deckt die Herstellungskosten.
Bestellungen können direkt bei Max Hilse aufgegeben werden. Kontakt ist per E-mail möglich: [email protected]