So viele Sachsen wie noch nie in Kurzarbeit

Dresden. Es sind unglaubliche Zahlen: Seit März haben 42 Prozent aller sächsischen Betriebe für mehr als eine halbe Million Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Der bundesweite Vergleich zeigt, nur in Bremen und Thüringen sind proportional mehr Kurzarbeitsanzeigen eingegangen. Wie viele Sachsen sich tatsächlich in Kurzarbeit befinden, lässt sich erst beantworten, sobald die Arbeitsagentur alle Abrechnungen ausgewertet hat. Doch klar ist: Fast alle Wirtschaftszweige sind betroffen – viele Unternehmen sogar zum ersten Mal.
Aktuell trifft es in Sachsen vor allem die Autobauer und ihre Zulieferer, den Einzelhandel und die Gastronomie. Für März und April hatten Unternehmen nach Angaben der Landesarbeitsagentur in Chemnitz Kurzarbeit angezeigt für jeweils rund 36.000 Beschäftigte im Automobilbau und im Einzelhandel sowie jeweils rund 26.000 bis 28.000 Beschäftigte in den Branchen Kfz-Gewerbe, Baugewerbe und Gesundheitswesen. Während Geschäfte wieder öffnen und auch die Produktionsbänder in den Autofabriken anlaufen, haben Restaurants und Bars weiterhin geschlossen. Im April war für 77 Prozent aller Beschäftigten in der sächsischen Gastronomie Kurzarbeit angezeigt.
Legten Unternehmen die Regeln allzu großzügig aus?
Da viele Unternehmen damit auch in den kommenden Monaten noch zu kämpfen haben, hat die Große Koalition in Berlin beschlossen, ab dem vierten Monat 70 bis 77 Prozent des eigentlichen Lohns zu zahlen. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund in Sachsen sind diese Verbesserungen nicht ausreichend: „Gerade in Sachsen, wo die Tarifbindung bundesweit am niedrigsten ist und der Medianlohn deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt, reicht das Kurzarbeitergeld häufig nicht zum Leben.“ Die Erhöhung müsste deshalb bereits vom ersten Monat an erfolgen, erklärte der Landesvorsitzende Markus Schlimbach.
Allerdings gehen Experten davon aus, dass weniger Menschen in Kurzarbeit sind als gemeldet: Viele Unternehmen hätten die Regeln allzu großzügig ausgelegt, um ihre Finanzen aufzubessern: Auch wenn die Behörden aktuell unbürokratisch handeln, sollen die in den Anträgen gemachten Angaben nachträglich geprüft werden. „Im Rahmen der Schlussrechnung nach Ende der Kurzarbeit erfolgt eine genaue Überprüfung, ob alle Abrechnungen korrekt waren“, sagt eine Sprecherin.
Wie eine Umfrage des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, haben 14 Prozent der Betriebe in Sachsen den Abbau von Arbeitsplätzen längst beschlossen. Im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg trifft das sogar für 22 Prozent der Betriebe zu. Besonders gebeutelt ist die Gastronomie-Branche, dort sind bereits für mehr als der Hälfte aller Betriebe Stellenkürzungen beschlossen.