Christian Friedel feiert die Corona-Solidarität

Sie alle haben derzeit genug Probleme, dennoch dachten sie zumindest einmal rein gar nicht an sich. Unter dem Motto „Ihr fangt alles an“ kamen diverse Musiker für ein Album zusammen, mit dem sie denjenigen unter die Arme greifen wollen, die ihnen sonst ihre Shows absichern.
„Die Künstler können durch Corona keine Konzerte, keine Festivals mitnehmen. Das tut wahnsinnig weh, natürlich auch finanziell“, sagt Mario Cetti von der Dresdner Agentur Kumpels & Friends. „Aber noch härter als die Bands selbst trifft es momentan ihre Crews. Also die Menschen, deren Brotjob es ist, die Konzerte erst möglich zu machen: die Ton- und Lichttechniker, Begleitmusiker, die Leute vom Bühnenbild oder von der Backline, die Busfahrer oder Tourmanager. Sie alle sind wohl für mindestens einen Sommer ohne Einkommen.“
„Ich mache jeden Job!“
Kumpels & Friends-Musiker wie Gisbert zu Knyphausen, Die Höchste Eisenbahn, Lilly Among Clouds, Lemur, Wayne Graham, Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi oder Christian Friedel und Woods of Birnam spendierten deshalb jeweils ein neues, rares oder besonderes Lied für dieses Album, dessen kompletter Erlös nun an die Techniker geht. „Auslöser für die Aktion war der Facebookpost einer Lichttechnikerin“, erzählt Cetti. „Sie stellte eher nüchtern fest, jetzt für mindestens ein halbes Jahr arbeitslos zu sein und hängte an: Meldet euch, wenn ihr eine Idee habt, ich mache jeden Job.“
Das alarmierte erst Cetti, dann sein gesamtes Team. Weil dessen Geschäft nun mal die Musik ist, lag es nahe, auch mithilfe von Musik ein Unterstützungsprojekt anzuschieben. Kein Künstler habe lang überlegt, vielmehr sagten alle sofort ihr Engagement zu.„Gerade der Zusammenhalt und die Solidarität in diesen unsicheren Zeiten sind uns ungemein wichtig“, sagt etwa Christian Friedel, der mit seiner Band Woods of Birnam die bislang unveröffentlichte Pianoversion von „How Many“ beisteuerte.
„Unser Technikteam stand uns in guten wie in schlechten Zeiten zur Seite, da ist es selbstverständlich, jetzt nicht nur an uns zu denken.“ Durch den Lockdown und das Veranstaltungsverbot bis Ende August würden freie Künstler, Techniker und viele Klubs in eine Schräglage geraten, die „vielleicht sogar noch nach Aufhebung der strengen Bestimmungen fortdauern“ könne. Friedel: „Wir wissen ja alle nicht, wie es weitergeht. Leider merkt man das auch in der Politik. Deswegen sollte man vorsorglich versuchen, an alle Menschen aus unserem künstlerischen Umfeld zu denken und so viel Geld wie möglich zusammenholen.“
Ihm sei jedoch ebenso wie Initiator Cetti klar, dass die mit diesem Album zu erzielenden Einnahmen allein die Techniker nicht mal einen Sommer lang über Wasser halten können. Cetti: „Aber es ist ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung, eine moralische Unterstützung. Und etwas Geld zumindest für Härtefälle kommt ja wirklich zusammen.“
500 Euro für ein Album
Um möglichst viel Geld direkt zu den Technikern zu leiten und nicht an Vertriebspartner zahlen zu müssen, biete man das Album ausschließlich über die nebenkostengünstige Bandcamp-Website sowie über die Online-Shops der beteiligten Künstler an. „Großartig ist, dass viele Interessenten bislang eben nicht nur die veranschlagten 25 Euro bezahlt, sondern einiges draufgepackt haben“, so Cetti. „Der bisherige Rekordhalter bezahlte für das Album glatte 500 Euro.“
Allein das zeige schon, dass die Techniker jetzt immerhin von ein paar Menschen mehr als wichtig angesehen würden. „Ich habe großen Respekt vor den politischen Maßnahmen und der Verantwortung, die der Bund jetzt übernehmen muss“, sagt Friedel. „Aber ich wünsche mir noch mehr Bewusstsein für alle Menschen und Berufsgruppen. Man kann nicht pauschal sämtliche Konzertsäle und Theater schließen oder im Gastrogewerbe einfach keine Perspektiven anbieten. Was wir jetzt brauchen, sind nicht nur Warnungen vor weiteren Infektionswellen, sondern viel mehr positive und optimistische Perspektiven. Das motiviert mehr als diese unsichtbare Angstmacherei.“
Prinzipiell betont er noch einmal den Gedanken der Solidarität, den das Album transportiere. „Dieses Engagement füreinander ist wichtiger denn je, aber im Grunde ist es immer da. Klubs gehen oft ein Risiko mit Konzertbuchungen ein, gerade bei jungen oder unbekannteren Bands.“ Doch ohne dieses Risiko und diese Förderung käme man als Künstler nun mal nicht voran. „Jetzt muss man für den Erhalt dieser großartigen Kulturszene kämpfen und etwas zurückgeben“, erklärt Friedel mit Nachdruck.
Für die Zeit nach der Corona-Krise wünscht er sich, dass etwas von diesem Gemeinschaftsgefühl bleibe. „Ich hoffe, dass wir alle sensibler miteinander umgehen und uns bewusst machen, dass unsere künstlerische Freiheit kein Selbstverständnis ist, sondern immer wieder Arbeit und gegenseitige Rücksichtnahme verlangt – in guten wie in schlechten Zeiten.“
„Der Spuk darf bitte bald aufhören“
Auch ohne seinen Beitrag zum „Ihr fangt alles an“-Sampler sei er derzeit gut beschäftigt. „Wir nutzen die Zeit fürs Verfassen neuer Musik und für Aufnahmen. Zum Glück kann Corona die Kreativität ja nicht stoppen.“ Am 21. März hätte Shakespeares „Macbeth“ mit Friedel in der Titelrolle, von ihm zudem inszeniert und mit Live-Musik seiner Band angereichert, am Dresdner Staatsschauspiel Premiere gefeiert. Das fiel Corona-bedingt ins Wasser.
Doch zumindest auf die Musik müssen Friedels Fans nicht mehr so lange wie auf sein Bühnen-Comeback warten. „Wir stricken gerade ein paar unserer ,Macbeth‘-Songs für eine CD zurecht“, sagt Friedel. „Danach gibt es weitere spannende Vorhaben, die man mit Homeoffice und eingehaltenen Abstandsregelungen sehr gut umsetzen kann.“ Eine kurze Pause, einmal kräftig Luft holen: „Dennoch darf der Spuk bitte bald aufhören.“