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"Corona wirft uns um Jahre zurück"

Neben Einbußen kommen auf Sachsens Winzer Frostschäden zu, so Weinbauverbandschef Michael Thomas. Und was wird aus den Weinfesten?

Von Peter Anderson
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Sachsens Winzer leiden unter Umsatzausfällen durch die Corona-Auflagen. Langsam bessert sich die Lage: Ein weiblicher Gast trinkt in einer Dresdner Bar aus einem Glas Wein.
Sachsens Winzer leiden unter Umsatzausfällen durch die Corona-Auflagen. Langsam bessert sich die Lage: Ein weiblicher Gast trinkt in einer Dresdner Bar aus einem Glas Wein. © Robert Michael/dpa

Herr Thomas, lässt sich schon abschätzen, wie groß die Frostschäden im sächsischen Anbaugebiet ausgefallen sind?

Die Frostschäden verteilen sich über das gesamte Weinbaugebiet. Einzelne Weinberge waren scheinbar überhaupt nicht betroffen, andere wohl sehr stark. Für seriöse Aussagen ist es jetzt jedoch noch zu früh. Das liegt daran, dass das Schadensbild stark differenziert ist und auch noch die Möglichkeit besteht, dass sich die Rebe von einem Teil der Frostschäden erholen kann. 

Die Winzer haben vergangene Woche mit der Begutachtung ihrer Weinberge begonnen. Die Natur fordert von ihnen jedoch noch etwas Geduld. Erst in den nächsten ein bis zwei Wochen werden sie verlässlich erkennen können, wie sich die Reben weiter entwickelt haben und damit auch, wo in welchem Ausmaß Frostschäden aufgetreten sind. Erst dann können sie auch entscheiden, mit welchen Maßnahmen sie in diesem Jahr noch Erträge sichern oder Folgeschäden im nächsten Jahr vermeiden können.

Wie haben die hiesigen Winzer die Wochen seit dem Herunterfahren des öffentlichen Lebens überstanden?

Die Situation für die Elbtalwinzer ist nicht einfach, sie stehen wie andere Branchen auch vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Maßnahmen der vergangenen Wochen – wie die Schließung von Gaststätten und Kulturhäusern oder die Absage von Großveranstaltungen, Messen und Events – haben bei den sächsischen Winzern zu einem deutlichen Umsatzrückgang geführt. Diese können auch durch neue Ideen und Ansätze, wie virtuelle Weinproben, Lieferdienste oder die Stärkung von Online-Shops, nur bedingt aufgefangen werden.

Auf der anderen Seite müssen die Weinberge für das  Streben nach hohen Qualitäten weiterhin termin- und fachgerecht bewirtschaftet werden. Dabei entstehen natürlich Kosten, zu denen es jedoch keine Alternative gibt.

Die zu erwartenden Frostschäden und Ertragsverluste durch die Eisheiligen kommen jetzt erschwerend hinzu; die Winzer leiden doppelt. Denn mit Ertragsverlusten sind immer auch Umsatzverluste in den nächsten Jahren verbunden. Die zu erwartende sinkende Kaufkraft der Menschen in der Region könnte das weiter verschärfen. Wir müssen also davon ausgehen, dass uns die aktuelle Krise um Jahre zurückwirft, beziehungsweise es Jahre dauern wird, bis sich die Elbtalwinzer wieder davon erholt haben.

Der Vorsitzende des Weinbauverbandes Sachsen Thomas Michael hofft auf eine schnelle Rückkehr von Einheimischen und Touristen in die hiesigen Weingüter.
Der Vorsitzende des Weinbauverbandes Sachsen Thomas Michael hofft auf eine schnelle Rückkehr von Einheimischen und Touristen in die hiesigen Weingüter. © kairospress

Über Gastronomie und Fachhandel konnte kaum noch verkauft werden. Wie hoch sind die dadurch entstandenen Umsatzeinbußen? Konnten der Online-Handel oder der Direktverkauf die Verluste etwas abfedern?

Die Umsatzeinbußen sind natürlich immer abhängig vom Vertriebskonzept der einzelnen Winzer und Weingüter, aber bei den meisten sicher weit über 50 Prozent. Neben den Umsatzrückgängen in Gastronomie und Fachgroßhandel waren durch den Lock-Down auch andere Bereiche betroffen: Es sind zum Beispiel kaum noch Gäste zu den Weingütern gekommen, der Direktvertrieb hat also auch massiv gelitten.

Die kreativen Maßnahmen der Winzer sowie die positive Entwicklung des Online-Handels haben die Verluste mit Sicherheit etwas abgefedert, diese aber bei weitem nicht kompensieren können.

Welche Resonanz erhalten Sie aus der Winzerschaft zu den verschiedenen staatlichen Hilfsangeboten?

Für die schnelle Unterstützung zu Beginn sind auch die Winzer dankbar. Jetzt ist aber entscheidend, wie lange die Winzer unter den Einschränkungen und Besucherrückgängen leiden müssen. Wir gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation der sächsischen Winzer, der Gastronomie und der Tourismusunternehmen über das Jahr 2020 hinaus deutlich erschweren wird.

Wo wünscht sich die sächsische Weinwirtschaft mehr oder andersartige Unterstützung?

Die sächsischen Winzer hoffen auf eine Rückkehr von Besuchern und Touristen in die Weingüter und in die Region. Hierzu wäre eine abgestimmte Werbe- und Tourismusoffensive für den ganzen sächsischen Tourismus in den wesentlichen deutschen Quellmärkten wichtig. Das kann der Verband und die Winzer aber allein nicht leisten, dazu benötigen wir Unterstützung.

Die Weingüter stehen bereits jetzt zu Pfingsten wieder für Besucher offen. Die Winzer freuen sich über die Rückkehr der treuen Kunden aus der Region. Wir laden ein, den unheimlich spannenden neuen Jahrgang 2019 bei den sächsischen Winzern zu probieren und auch wieder vielfältige Veranstaltungsangebote auf den Weingütern zu erleben.

Gehen Sie davon aus, dass dieses Jahr die Weinfeste wie gewohnt stattfinden können?

Für Winzer und Weinfreunde würden wir uns dies auf jeden Fall wünschen. Doch der Schutz der Gesundheit steht natürlich auch hier im Vordergrund. Wir befinden uns in Gesprächen mit den jeweiligen Organisatoren und Veranstaltern, um Ideen und Ansätze sowie mögliche Gesundheits- und Hygienekonzepte auszutauschen und zu besprechen. Am Ende sind wir aber immer auch abhängig vom weiteren Verlauf der Corona-Entwicklung.

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