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Digitale Corona-Hilfe von nebenan

Ein Nachbarschaftsportal in Bischofswerda nimmt Fahrt auf. Viel schneller, als es die Initiatoren zu Jahresbeginn gedacht hatten.

Von Ingolf Reinsch
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Katrin Schiller managt in Bischofswerda das digitale Nachbarschaftsprojekt nebenan.de.
Katrin Schiller managt in Bischofswerda das digitale Nachbarschaftsprojekt nebenan.de. © Steffen Unger

Bischofswerda. Katrin Schiller arbeitet im Diakonischen Altenpflegeheim "Zur Heimat" in Bischofswerda. In diesen Tagen schaut sie oft in traurige Gesichter. Viele der knapp 70 Bewohner  leiden sehr darunter, dass sie von ihren Angehörigen wegen der Corona-Beschränkungen jetzt nicht besucht werden dürfen.

Um etwas Farbe in den Heimalltag zu bringen, startete Katrin Schiller einen Aufruf auf dem Nachbarschaftsportal nebenan.de. Sie bat Kinder der Stadt, für die Senioren zu malen. Lange bitten musste sie nicht. Schon wenige Tage später lag der erste Umschlag mit  Zeichnungen im Briefkasten. Andere Kinder wiederum haben gebastelt, um den Senioren eine kleine Freude zu machen. 

Als Pilotprojekt in Sachsen gestartet

In Großstädten ist das digitale Nachbarschaftsnetzwerk schon seit Jahren aktiv.  Zu Beginn dieses Jahres starteten die Macher der Online-Plattform und der Diakonie Deutschland nun ein Pilotprojekt in fünf Bundesländern, um die digitale Nachbarschaft auch im ländlichen Raum zu testen. Für Sachsen wurde Bischofswerda ausgewählt. Es geht darum, eine Plattform zu schaffen, auf der Bewohner eines Ortes oder eines Stadtteiles  schnell und unkompliziert zusammenfinden können. 

Dass die digitale Nachbarschaft  schon wenige Wochen später goldwert sein kann, konnte damals noch keiner ahnen. Oberbürgermeister Holm Große (parteilos): „Mit nebenan.de haben wir eine bereits bestehende Plattform, können sofort loslegen und müssen nicht erst etwas Neues erfinden. Wir besitzen damit einen zentralen Anlaufpunkt für alle Bischofswerdaer, ohne erst einen anderen Social-Media-Kanal mit allen Vor- und Nachteilen als einzige Kontaktmöglichkeit festzulegen.“

Bisher haben sich rund 70 Bischofswerdaer registriert.  Es gibt erste Hilfsangebote, beispielsweise für Senioren und kranke Menschen einkaufen zu gehen, für sie zu kochen oder ihnen das Essen ins Haus zu bringen. Mitglieder des Vereins Regenbogen -  so wie die beiden großen Kirchgemeinden der Stadt Teil des Netzwerkes -  kümmern sich bereits um mehrere Senioren, denen sie den Gang zum Supermarkt oder zur Apotheke abnehmen. Auch Mitglieder vom Jugendclub Weickersdorf bieten  Einkaufshilfe an. Doch auch Angebote für Familien sind willkommen. Beispielsweise bei der Betreuung von Kindern oder der Unterstützung beim Lernen.  

Helfer und Bedürftige sollen zusammen finden

Nebenan.de  will Angebote und Nachfragen miteinander verknüpfen. Damit auch Menschen ohne Internet-Anschluss erreicht werden, wurde vor einigen Tagen zusätzlich eine Telefon-Hotline geschaltet.

Katrin Schiller, die das Projekt in Bischofswerda von Anfang an betreut, sieht darüber hinaus einen anderen, wahrscheinlich noch wichtigeren  Kanal, damit Hilfe jene erreicht, die sie jetzt brauchen: Nachbarn sollten stärker aufeinander acht geben. Im digitalen Nachbarschaftsnetzwerk ist es auch möglich, um Unterstützung für andere Menschen zu bitten. 

Für Katrin Schiller, die im Altenpflegeheim als stellvertretende Leiterin Soziale Betreuung arbeitet,  sollte das Digitalprojekt eigentlich eine Nebenaufgabe sein, der sie sich an einem Tag in der Woche widmet.  Inzwischen hat sie täglich damit zu tun. "Das ist gut so, weil die Corona-Epidemie einen schnellen Aufbau des Netzwerkes erfordert",  sagt sie. Es gilt, viel zu koordinieren, Absprachen zu treffen, den Internetauftritt zu pflegen und seit einigen Tagen auch die für Bischofswerda eingerichtete Facebook-Seite  zu betreuen. 

Erste Angebote auch in den Nachbargemeinden

Für die Stadt Bischofswerda wurde nebenan.de inzwischen zur Dachmarke, um die Corona-Hilfe zu koordinieren. Vermittelt durch OB Große, wurde das digitale Netzwerk jetzt auch in  einigen Nachbargemeinden etabliert. Geplant war das so eigentlich nicht. Doch durch die Herausforderungen der Krise gibt es jetzt eine völlig neue Situation. 

Um einen sicheren und vertrauensvollen Umgang mit den Daten im Internet zu ermöglichen, treten alle Nutzerinnen und Nutzer mit ihrem richtigen Namen auf und die Adressen werden überprüft. Die Plattform nebenan.de ist nach eigenen Angaben Tüv-geprüft und unterliegt höchsten Datenschutz-Standards. Ein Vorteil besteht darin,  dass nur Bewohner des jeweiligen Ortes Zugang zur lokalen Plattform erhalten. 

Sie habe die Hoffnung, dass das Nachbarschaftsprojekt auch nach der gegenwärtigen Ausnahmesituation Bestand hat und die Bischofswerdaer zusammenrücken lässt, sagt Katrin Schiller.  Schön wäre, man könnte auch danach gemeinsam für die Stadt etwas tun. 

Kontakt: Katrin Schiller, Telefon 01520 7859731 oder Hotline 0800-8665544 

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