Von Torsten Oelsner
Beim Renommee nach außen herrscht zumindest Gleichstand. So der erste Eindruck, wenn man sich dem „anderen“ Coswig mit Auto oder Bus nähert. Unser Coswig nennt sich zwar große Kreisstadt und ist um gut 10 000 Einwohner größer, dafür haben die Anhaltiner eine eigene Autobahnabfahrt auf einer der wichtigsten Nord-Süd-Routen Europas, der A 9. Dank einer Mammutbaustelle in der Nähe, werden sie deshalb auch häufig im Radio erwähnt.
Viele Gemeinsamkeiten
zu entdecken
Auch sonst konnten die rund 150 sächsischen Ausflügler am Sonnabend einige Gemeinsamkeiten im anderen Coswig entdecken. Schon die Elbe, die wie zuhause gleich am Städtchen vorbeifließt, sorgt für Anknüpfungspunkte – es gibt eine Elbfähre und die Fischerei wurde hier ebenfalls, wie früher bei uns im heutigen Ortsteil Kötitz, betrieben.
Stilvoll in der Landestracht wurden die Sachsen von Bürgermeisterin Doris Berlin begrüßt. An der Farbe des Rockes und den aufgestickten Borten konnte man früher den Stand und das Alter der jeweiligen Person ablesen. „Vor zehn Jahren wäre der Rock noch rot gewesen“, sagt die 52-Jährige und lacht. Jetzt ist er schwarz.
Coswigs OB Michael Reichenbach und sein neuer Vize Peter Zeitler waren ganz in Familie mit von der Party und nutzten die Chance für einen Schwatz unter Kommunalpolitikern.
Die Probleme sind hier wie dort die gleichen. Früher war Coswig- Anhalt besonders für seine Töpferwaren bekannt. Hergestellt wurden hier auch die berühmten Abwasserrohre aus Ton, nach denen jeder Häuslebauer jagte. Von den insgesamt 27 Töpfereien im Ort existiert heute noch eine, erzählten die Anhaltiner bitter.
Rund 8 000 Menschen hatten einst ihr Auskommen in der großen Chemiefabrik, wo Düngemittel hergestellt wurden. Auch eine Zündholzfabrik machte den Namen der Anhalter republikweit bekannt. Nichts davon existiert mehr. Auf dem Gelände des Chemiewerkes hätten sich zwar wieder Firmen angesiedelt, „aber das kompensiert den Wegfall der Arbeitsplätze bei weitem nicht“, so Bürgermeisterin Berlin. Seit 2000 leitet sie die Geschicke des Gebildes Coswig. Denn zur Stadt gehören noch zehn Gemeinden, die vorher selbstständig waren. Doris Berlin war zuvor auch Bürgermeisterin eines solchen kleinen Ortes und setzte sich bei der Wahl gegen zehn männliche Mitbewerber durch.
Nach einer deftigen Kartoffelsuppe aus der Gulaschkanone streiften viele Besucher durch das Stadtmuseum. Geschichte und Geschichten aus Coswig gibt es hier zuhauf zu entdecken. Coswigs berühmtester Sohn ist der später in Marburg als Religionsphilosoph bekannt gewordene Herrmann Cohen. Er war Jude. Nach der Wende sollte das neue Gymnasium nach ihm benannt werden. „Da haben Eltern angerufen und gesagt, unsere Kinder sollen nicht in eine Judenschule gehen“, erzählt Rosemarie Konopka, die sich im Heimatverein der Stadt engagiert, noch heute empört. Das Gymnasium wurde dann nach Albert Schweitzer benannt. Nächstes Jahr wird es mangels Schüler geschlossen.
Was Coswig auf jeden Fall bleibt, ist seine Lage im so genannten Biosphärenreservat Mittlere Elbe und die Nähe zum Wörlitzer Park, in den es die Besucher am Nachmittag zog. Für einige von ihnen wie etwa Klaus Große oder Ursula Walther steht bereits jetzt fest: „Wir werden auf jeden Fall noch einmal privat herkommen.“